Das am 1. Januar 2008 in Kraft getretene Bundesgesetz über die Ausländerinnen und Ausländer (AuG) bringt erstmals auf Gesetzesstufe Bedeutung und Tragweite der Integration der ausländischen Bevölkerung zum Ausdruck. Ziel der Integration ist die chancengleiche Teilhabe der Ausländer am wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Leben der Gesellschaft.2 Zur Förderung dieser Zielerreichung sieht das Ausländergesetz in Art. 54 Abs. 1 ein neues Instrument vor: Die Integrationsvereinbarung zwischen ausländischen Personen und der kantonalen Behörde.3
Da Art. 54 Abs. 1 AuG als Kann-Bestimmung formuliert wurde, entscheidet jeder Kanton selbst, ob in seinem Kantonsgebiet Integrationsvereinbarungen eingesetzt werden sollen oder nicht.
Der Kanton Basel-Stadt hat sich für die Anwendung von Integrationsvereinbarungen entschieden und startete unter der Verantwortung der kantonalen Stelle für Integration und Antidiskriminierung «Integration Basel» ein Pilotprojekt im Rahmen dessen seit Mai 2008 Integrationsvereinbarungen gestützt auf Art. 54 Abs. 1 AuG und § 5 Abs. 2 IntG-BS4 abgeschlossen werden.
Rechtsverhältnis
Auffallend ist, dass sowohl Art. 54 Abs. 1 AuG als auch § 5 Abs. 2 IntG-BS zwei Handlungen enthalten: erstens die Verknüpfung der Aufenthalts- oder Kurz-
aufenthaltsbewilligung mit der Bedingung beziehungsweise der Auflage, dass ein Sprach- oder Integrationskurs besucht wird, zweitens den Abschluss der Integra-tionsvereinbarung.
Mit einer Integrationsvereinbarung entsteht zwischen der ausländischen Person und der zuständigen Behörde, in Basel-Stadt dem Migrationsamt, ein Rechtsverhältnis, dessen Grundlage im öffentlichen Recht liegt. Das Bundesamt für Migration (BFM) definiert die Integrationsvereinbarung als eine Vereinbarung, deren Abschluss seitens der ausländischen Person auf Freiwilligkeit beruht.5 Integra-tionsvereinbarungen setzen folglich das Einverständnis der ausländischen Person voraus und kommen nur konsensual zustande. Diese Merkmale und letztlich auch der Begriff «Vereinbarung» deuten darauf hin, dass es sich bei der Integrations-vereinbarung um einen sogenannten verwaltungsrechtlichen Vertrag handeln könnte.
Das wesentliche Merkmal, das den verwaltungsrechtlichen Vertrag von der Verfügung unterscheidet, ist die übereinstimmende gegenseitige Willenserklärung der beteiligten Parteien. Dieser Konsens ist Ausdruck ihrer Verhandlungsautonomie. Der Inhalt eines verwaltungsrechtlichen Vertrages wird also ausgehandelt, die Parteien stehen sich dabei als gleichberechtigte Partner gegenüber.6
Ob die Integrationsvereinbarung als verwaltungsrechtlicher Vertrag qualifiziert werden kann, hängt insbesondere von der Frage ab, in welchem Mass die ausländische Person den Inhalt der Vereinbarung mitbestimmen kann. Geprüft werden muss mit anderen Worten, ob der ausländischen Person tatsächlich die gleiche Kompetenz zur Inhaltsbestimmung zukommt wie dem Migrationsamt oder ob es nicht vielmehr allein das Migrationsamt ist, das den Vereinbarungsinhalt bestimmt und sich die Mitwirkung der betroffenen Person auf das blosse Unterzeichnen der Vereinbarung reduziert.7 Hierzu soll im Folgenden das basel-städtische Verfahren bis zum Abschluss einer Integrationsvereinbarung aufgezeigt werden.
Im Kanton Basel-Stadt wird der Abschluss einer Integrationsvereinbarung erst dann in Betracht gezogen, wenn alle anderen Möglichkeiten der individuellen Integra-tionsförderung ohne Erfolg ausgeschöpft wurden.8 Stellt also eine Behörde bei einer ausländischen Person Integrationsdefizite fest, wird die betroffene Person zunächst auf bestehende Förderangebote aufmerksam gemacht. Erfolgt darauf keine Reaktion und bleiben auch die der Behörde allenfalls zustehenden rechtlichen Verpflichtungsmöglichkeiten ergebnislos, erfolgt gestützt auf § 2 Abs. 4 IntVO-BS9 eine Meldung an das Migrationsamt mit dem Hinweis, den Abschluss einer Integra-tionsvereinbarung zu prüfen.
Seit Beginn des Pilotprojekts bis Anfang April 2009 wurden dem Migrationsamt insgesamt rund 130 Personen gemeldet. Mehr als die Hälfte der Meldungen stammt von der Kantonspolizei Basel-Stadt, die übrigen vom Migrationsamt selbst, von der Sozialhilfe, von Schulen, vom Amt für Wirtschaft und Arbeit sowie von der Bürgergemeinde Basel.
Im Anschluss an die Meldung prüft das Migrationsamt die Sachlage. Erscheint der Abschluss einer Integrationsvereinbarung im konkreten Fall sinnvoll, wird die betroffene Person zu einem Abklärungsgespräch eingeladen, das von «Integration Basel» geführt wird.10 Das Migrationsamt füllt die Integrationsvereinbarung, welche aus einem vorformulierten Text mit ausfüllbaren Lücken besteht,11 bereits vor dem Gespräch aus. Diese Eintragungen sind aber nur provisorisch und als Vorschlag zu verstehen.
Während des Gesprächs informiert «Integration Basel» über die neuen gesetzlichen Grundlagen, thematisiert die Integrationsdefizite der betroffenen Person und die Möglichkeit des Abschlusses einer Integrationsvereinbarung. «Integration Basel» schlägt vor, welche Massnahmen mit welchen Zielen innerhalb welcher Frist umgesetzt werden sollen, und macht ausdrücklich darauf aufmerksam, dass der Abschluss einer Vereinbarung freiwillig ist. Hingewiesen wird gleichzeitig aber auch darauf, dass der Grad der Integration bei ausländerrechtlichen Entscheiden mitberücksichtigt wird.12
Die betroffene Person kann sich anschliessend zum Vorschlag äussern und ihre Situation und Lebensumstände einbringen. So wird geprüft, ob die vom Migrationsamt vorgeschlagenen Ziele, Massnahmen und Fristen im konkreten Fall verhältnismässig sind. Schliesslich legt «Integration Basel» den Inhalt definitiv fest und unterbreitet die Vereinbarung der ausländischen Person zur Durchsicht. Ist sie mit dem Inhalt einverstanden, wird die Vereinbarung unterzeichnet.
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Integrationsvereinbarung erst zustande kommt, wenn über ihren Inhalt ein Konsens besteht. Wie gross aber der Einfluss der ausländischen Person ist, ob ihr mit anderen Worten die gleiche Kompetenz zur Inhaltsbestimmung zukommt wie dem Migrationsamt und sie diesem gegenüber gleichberechtigt ist, lässt sich an dieser Stelle nicht allgemein beantworten.
Diese Frage hängt mit dem verwaltungsrechtlichen Vertrag als solchem zusammen, stellt sich folglich nicht nur in Zusammenhang mit der Integrationsvereinbarung. In der Lehre wird darauf hingewiesen, dass der Behörde gegenüber einer Privatperson immer ein Machtvorsprung zukommt, selbst dann, wenn sie sich als Parteien eines verwaltungsrechtlichen Vertrags gegenüberstehen. Trotz dieser Problematik ist der verwaltungsrechtliche Vertrag in der Praxis weit verbreitet. Als eine Form der Kooperation zwischen Staat und Privaten soll er die Akzeptanz staatlicher Regelungen erhöhen und damit deren Durchsetzungschancen verbessern. Die Wahl der Vertragsform erfolgt also auch aus psychologischen Überlegungen.13
Psychologische Überlegungen spielen auch bei der Integrationsvereinbarung eine Rolle, denn sie soll in erster Linie als motivierendes Instrument eingesetzt werden.14 Motivation wiederum lässt sich erfahrungsgemäss einfacher mittels Kooperation erzeugen als durch eine hoheitliche einseitige Anordnung.
Interessanterweise betrachtet das BFM die Integrationsvereinbarung nicht als verwaltungsrechtlichen Vertrag, sondern als Konkretisierung und Vollzugsmodalität der mit der ausländerrechtlichen Bewilligung verfügten Bedingung des Kursbesuchs.15 Das BFM unterscheidet also zwei Schritte in Art. 54 Abs. 1 AuG: Erstens die Verknüpfung der ausländerrechtlichen Bewilligung mit der Bedingung des Kursbesuchs, zweitens den Abschluss der Integrationsvereinbarung. Sie soll der ausländischen Person aufzeigen, wie sie die Bedingung erfüllen kann.
Stimmt man einer solchen Auslegung zu, gilt es Folgendes zu bedenken: Verknüpft die zuständige Behörde eine Bewilligung mit der Bedingung des Kursbesuchs, geschieht dies unabhängig davon, ob die betroffene Person mit dem Kursbesuch einverstanden ist oder nicht. Wird anschliessend in einem zweiten Schritt eine Integrationsvereinbarung abgeschlossen, stellt sich die Frage, inwiefern überhaupt noch von einem freiwilligen Abschluss die Rede sein kann. Denn weigert sich die ausländische Person, eine Vereinbarung einzugehen, bleibt sie aufgrund der verfügten Bedingung trotzdem zum Kursbesuch verpflichtet. Der Begriff «Integrationsvereinbarung» erscheint in diesem Zusammenhang also irreführend, da faktisch ein Zwang zum Abschluss der Integrationsvereinbarung besteht.16 Der Kanton Basel-Stadt hat im Übrigen bis jetzt noch keine Aufenthalts- oder Kurzaufenthaltsbewilligung vorgängig, das heisst vor Abschluss der Integrationsvereinbarung, mit der Bedingung oder Auflage des Kursbesuchs verbunden.
Um welche verwaltungsrechtliche Handlungsform es sich bei der Integrationsvereinbarung handelt, lässt sich also nicht eindeutig festlegen. Die Antwort hängt letztlich von der konkreten Anwendung durch die Kantone ab.
Beteiligte Parteien
Um beurteilen zu können, zwischen wem eine Integrationsvereinbarung zustande kommen kann, müssen zwei Fragen voneinander unterschieden werden. Wer kann der Bedingung unterworfen werden, einen Sprach- oder Integrationskurs zu besuchen? Und mit wem kann eine Vereinbarung abgeschlossen werden?
Niederlassungsbewilligungen sind gemäss Art. 34 Abs. 1 AuG bedingungsfeindlich, können also nicht mit der Bedingung des Kursbesuchs verbunden werden. Zu beachten gilt es ferner, dass nicht alle Ausländer mit einer Aufenthalts- oder Kurzaufenthaltsbewilligung der Bedingung des Kursbesuchs unterworfen werden können: Räumt eine Bestimmung aus Gesetz, Verfassung oder Völkerrecht einen Anspruch auf Anwesenheit in der Schweiz ein und erfüllt die betroffene ausländische Person alle Voraussetzungen dieser Bestimmung, muss ihr die Bewilligung erteilt oder verlängert werden.17 Es ist nicht möglich, den Besuch eines Sprach oder Integrationskurses zur Bedingung zu machen. Anspruch auf Anwesenheit in der Schweiz haben unter anderen EU- und Efta-Bürger.
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass alle Nicht-EU- und Nicht-Efta-Bürger, also alle sogenannten Drittstaatsangehörige, der Bedingung des Kursbesuchs unterworfen werden können, sofern sie über eine Aufenthalts- oder Kurzaufenthaltsbewilligung verfügen und keinen Anspruch auf Anwesenheit in der Schweiz geltend machen können. Mit dieser Personengruppe kann auch eine Integrationsvereinbarung abgeschlossen werden.
Es stellt sich nun die Frage, ob nicht auch mit Niedergelassenen sowie EU- und Efta-Bürgern eine Integrationsvereinbarung abgeschlossen werden kann, und zwar ohne dass deren Anwesenheitsbewilligung mit der Bedingung des Kursbesuchs verbunden wird. Im Rahmen des basel-städtischen Pilotprojekts wurden bis Anfang April 2009 10 der insgesamt 41 abgeschlossenen Vereinbarungen mit Niedergelassenen eingegangen. Eine Bedingung im Sinne von Art. 54 Abs. 1 AuG oder eine Auflage gestützt auf § 5 Abs. 2 IntG-BS wurde keine erlassen. Rechtlich gesehen kann mit EU- und Efta-Bürgern eine Integrationsvereinbarung abgeschlos-
sen werden. Da aber eine Nichteinhaltung in der Regel ohne Rechtsfolgen bleibt, kommt es in der Praxis wohl kaum dazu.
Im Rahmen des basel-städtischen Pilotprojekts sind bis Anfang April 2009 keine Vereinbarungen mit Angehörigen der EU- und Efta-Staaten eingegangen worden. Es haben sich also ausschliesslich Menschen aus Drittstaaten an einer Integrations-vereinbarung beteiligt.
Das basel-städtische Pilotprojekt richtet seinen Fokus auf bereits anwesende Drittstaatsangehörige mit einer Aufenthaltsbewilligung, die trotz ihres mehrjährigen Aufenthalts in der Schweiz Integrationsdefizite aufweisen.18 27 von den insgesamt 41 abgeschlossenen Vereinbarungen, also knapp zwei Drittel, wurden mit dieser Personengruppe eingegangen.19 Davon wiederum lebt mehr als die Hälfte bereits seit über zehn Jahren in der Schweiz.
Schwierig zu beantworten ist die Frage, was unter «Integrationsdefizit» zu verstehen ist. Zum einen gibt es keine allgemein anerkannte Definition des Begriffs «Integration».20 Des Weiteren ist unklar, wie ein Defizit beschaffen beziehungswei-
se wie tief der Integrationsgrad einer Person sein muss, damit eine Integrationsvereinbarung in Betracht gezogen wird. Nach Ansicht des BFM sollte es sich um «offensichtliche Integrationsdefizite» handeln. Diese weisen namentlich Personen auf, die aufgrund ihres bisherigen Verhaltens die Nichtverlängerung ihrer Aufenthaltsbewilligung riskieren.21
Die Integrationsvereinbarung des Kantons Basel-Stadt führt unter der Rubrik «Grund der Vereinbarung» verschiedene der Integrationsdefizite auf. «Fehlende oder ungenügende Deutschkenntnisse» bilden bei 22 von den 27 Dritt-staatsangehörigen mit einer Aufenthaltsbewilligung, also bei rund 80 Prozent, den Grund für den Abschluss der Vereinbarung. Weitere Integrationsdefizite sind «Sozialhilfebezug» (18), «Analphabetismus oder fehlende Kenntnisse der lateinischen Schrift» (8), «Schulden» (6) sowie «Vernachlässigung der Erziehungs-pflichten» und «Straffälligkeit» (jeweils eine Person).22
Inhalte
Die Integrationsdefizite eines Ausländers sind ausschlaggebend für den Inhalt einer Integrationsvereinbarung. Sowohl Art. 54 Abs. 1 AuG als auch § 5 Abs. 2 IntG-BS regeln, dass in einer Integrationsvereinbarung die Verpflichtung zum Kursbesuch, also zum Sprach- oder Integrationskurs, festgehalten werden kann.
Im Rahmen des basel-städtischen Pilotprojekts wurden folgende Massnahmen vereinbart:23 Deutschkurs (29 Drittstaatsangehörige), Alphabetisierungskurs (7), Integrationskurs (8) sowie weitere Massnahmen (insgesamt 26) wie Stellensuche (16), Budget- und Schuldenberatung (3), Erhöhung des Arbeitspensums (2), Ge-
spräch bei der Rückkehrberatung24 (2), Kontaktaufnahme mit der Religionskoor-dinatorin des Kantons Basel-Stadt25 (2), Familien- und Erziehungsberatung (2), Berufsberatung (1) und Rückzahlung bezogener Sozialhilfe (1).
Auffallend ist, dass nicht nur Sprach- und Integrationskurse vereinbart wurden. Weitergehende Massnahmen lassen sich jedoch weder auf Art. 54 Abs. 1 AuG noch auf § 5 Abs. 2 IntG-BS abstützen.26 Einer Integrationsvereinbarung mit solchen Massnahmen als Inhalt fehlt damit die gesetzliche Grundlage.
Die Frage der gesetzlichen Grundlage stellt sich insbesondere im Zusammenhang mit der Überprüfung der Integrationsvereinbarung auf ihre Grundrechtskonformität. Wie jedes staatliche Handeln muss die Integrationsvereinbarung rechtmässig sein, darf also weder gegen Verfassung noch Gesetz verstossen.27 Zu prüfen ist insbesondere, ob die in der Vereinbarung festgehaltenen Massnahmen mit der verfassungsrechtlich geschützten persönlichen Freiheit vereinbar sind.28 Die Integrationsvereinbarung, die einen Ausländer zu einem bestimmten Tun verpflichtet, kann je nach Intensität der vereinbarten Massnahme durchaus als Eingriff in die persönliche Freiheit qualifiziert werden. Gerechtfertigt ist dieser Eingriff aber nur, wenn er sich unter anderem auf eine gesetzliche Grundlage abstützen lässt.29
Rechtsfolgen
Zu klären gilt es schliesslich die Frage, welche Rechtsfolgen die Erfüllung oder Nichterfüllung einer Integrationsvereinbarung haben kann.
Als erfüllt gilt sie, wenn die vereinbarten Ziele und Massnahmen fristgerecht eingehalten wurden. In Basel-Stadt genügt als Nachweis die Bestätigung eines mit ernsthaftem Engagement absolvierten Kurses.30 Das Bestehen einer Prüfung wird nicht verlangt.
Das BFM versteht die Integrationsvereinbarung primär als Instrument der Motivation zur Integration. Die Integrationsvereinbarung soll also auch Anreize schaffen. Dementsprechend weist die basel-städtische Vereinbarung darauf hin, dass sich die Erfüllung positiv auf Bewilligungsentscheide auswirken kann, etwa die vorzeitige Erteilung der Niederlassungsbewilligung.31
Erfüllt die ausländische Person die vereinbarten Ziele und Massnahmen nicht fristgerecht, setzt das Migrationsamt eine Nachfrist. Erfolgt daraufhin wieder keine Reaktion, gilt die Integrationsvereinbarung als nicht erfüllt. Die basel-städtische Integrationsvereinbarung äussert sich zu den Rechtsfolgen der Nichterfüllung wie folgt: «Werden die in dieser Vereinbarung festgelegten Massnahmen hingegen nicht erfüllt, kann dies negative Folgen auf die Bewilligungsentscheide haben und dazu führen, dass die Aufenthaltsbewilligung nicht verlängert wird.»
«Kann» macht deutlich, dass es sich um einen sogenannten Ermessensentscheid handelt.32 Ermessensentscheide räumen der Behörde einen Entscheidungsspielraum ein und ermöglichen ihr dadurch, die konkreten Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen.33 Das bedeutet aber nicht, dass die Behörde nach Belieben entscheiden darf. Denn Ermessen muss stets pflichtgemäss, das heisst verfassungs- und gesetzeskonform, ausgeübt werden.34
Konkretisiert wird die Ermessensausübung in Zusammenhang mit ausländerrechtlichen Entscheiden in Art. 96 Abs. 1 AuG. Danach haben die zuständigen Behörden die öffentlichen Interessen, die persönlichen Verhältnisse und den Grad der Integration der Ausländer zu berücksichtigen.
Eine nicht erfüllte Integrationsvereinbarung wird also beim Entscheid über die Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung berücksichtigt. Genauso aber werden auch die öffentlichen Interessen und persönlichen Verhältnisse der ausländischen Person, beispielsweise die Anwesenheitsdauer in der Schweiz, die persönlichen und verwandtschaftlichen Bindungen zur Schweiz und die Lebenssituation im Herkunftsland, mitberücksichtigt.35
Die nichterfüllte Integrationsvereinbarung ist einer unter verschiedenen Aspekten, die in die Entscheidfindung einbezogen werden. Daraus wiederum ergibt sich, dass die nichterfüllte Vereinbarung als alleiniger Grund nicht ausreicht, um die Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung zu verweigern.
Ausblick
Als Letztes bleibt die wohl spannendste Frage: Wie wirkt sich die Integrationsvereinbarung auf die Integration der betroffenen Ausländer aus? Eine Antwort kann zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht gegeben werden. Abzuwarten gilt es nicht nur die laufenden Fristen in den bereits abgeschlossenen Integrationsvereinbarungen, sondern auch die in Auftrag gegebene Evaluation des Pilotprojekts.
Die Wirksamkeit der Integrationsvereinbarung als Mittel zur Förderung der chancengleichen Teilhabe aller darf jedoch nicht überschätzt werden. Zum einen, weil Integrationsvereinbarungen mit dem grössten Teil der in der Schweiz lebenden ausländischen Bevölkerung, den EU-Bürgern, wohl kaum abgeschlossen werden. Schliesslich darf auch nicht vergessen werden, dass Integration ein langwieriger Prozess ist, der erfahrungsgemäss mehrere Generationen in Anspruch nimmt. Von Menschen mit Integrationsdefiziten zu erwarten, diesen Prozess innerhalb der vereinbarten Frist zu durchlaufen oder nachzuholen, ist unrealistisch. Der Abschluss einer Integrationsvereinbarung kann also nur als Teil, als einzelner Schritt in diesem Prozess betrachtet werden.
1 Der Text basiert auf einem Referat der Autorin an einer Veranstaltung der Forschungsgemeinschaft «Mensch im Recht» vom 1. April 2009 in Basel.
2 Art. 4 Abs. 2 AuG und Art. 2 Abs. 1 VIntA (SR 142.205).
3 Art. 54, Abs. 1 AuG (SR 142.20).
4 § 5 Abs. 2 des basel-städtischen Gesetzes über die Integration der Migrationsbevölkerung (IntG-BS) vom 18. April 2007, SG 122.500.
5 Weisung IV des BFM zur Integration, Ziff. 2.1.5, abrufbar unter www.bfm.admin.ch/bfm/de/home/themen/rechtsgrundlagen/weisungen_und_kreisschreiben.html, zuletzt besucht im April 2009.
6 Zum verwaltungsrechtlichen Vertrag siehe Ulrich Häfelin / Georg Müller / Felix Uhlmann, AllgemeinesVerwaltungsrecht, 5. Auflage, Zürich 2006, Rz. 1052ff., insbes. Rz. 1053 und 1067, sowie Pierre Tschannen / Ulrich Zimmerli, Allgemeines Verwaltungsrecht, 2. Auflage, Bern 2005, § 33-35, insbes. § 33 N 4.
7 Siehe auch Alberto Achermann, Integrationsverpflichtungen, in: Alberto Achermann / Martina Caroni / Astrid Epiney / Walter Kälin / Minh Son Nguyen / Peter Uebersax (Hrsg.), Jahrbuch für Migrationsrecht 2006/2007, Bern 2007, S. 107ff.,insbes. 123f. und 137.
8 Siehe «Integration Basel»-Projekt-beschreibung: Pilotprojekt zur Ein-führung der Integrationsvereinbarung im Kanton Basel-Stadt. In Partnerschaft mit den Kantonen: BL, SO, ZH und dem BFM, Februar 2008, S. 8, abrufbar unter www.welcome-to-basel.bs.ch/integrationsvereinbarungen_projektbeschreibung.pdf, zuletzt besucht im April 2009.
9 Basel-städtische Verordnung zum Gesetz über die Integration der Migrationsbevölkerung (IntVO-BS) vom 18. Dezember 2007, SG 122.510.
10 Mit Ende des Pilotprojektes, gemäss Projektbeschreibung Basel-Stadt im Dezember 2009, soll die Anwendung der Integrationsvereinbarung in denalleinigen Zuständigkeitsbereich des Migrationsamtes fallen.
11 Musterformular der basel-städtischen Integrationsvereinbarung, Projekt-beschreibung Basel-Stadt, a.a.O., S. 32ff.
12 Siehe Art. 96 Abs. 1 AuG.
13 Tschannen / Zimmerli, a.a.O., § 28N 15 und § 33 N 28 sowie Häfelin / Müller / Uhlmann, a.a.O., Rz. 1066.
14 Empfehlungen des BFM zur Anwendung von Integrationsvereinbarungen vom Dezember 2007, Ziff. 2, abrufbar unter www.bfm.admin.ch/bfm/de/home/themen/rechtsgrundlagen/weisungen_und_kreisschreiben/integration.html, zuletzt besucht im April 2009; siehe auch Projekt-beschreibung Basel-Stadt, a.a.O., S. 4.
15 Mario Gattiker, Integration im neuen Ausländergesetz – eine Zwischenbilanz, in: Alberto Achermann / MartinaCaroni / Astrid Epiney / Walter Kälin / Minh Son Nguyen/ Peter Uebersax (Hrsg.), Jahrbuch für Migrationsrecht 2007/2008, Bern 2008, S. 91.
16 Siehe auch Martin Philipp Wyss, § 26 Ausländische Personen und Integration, in: Peter Uebersax / Beat Rudin / Thomas Hugi Yar / Thomas Geiser (Hrsg.), Ausländerrecht: Eine umfassende Darstellung der Rechtsstellung von Ausländerinnen und Ausländern in der Schweiz von A(syl) bis Z(ivilrecht), 2. Auflage, Basel 2008, Rz. 26.28.
17 Zu den sogenannten Anspruchs-bewilligungen siehe Uebersax Peter,§ 7 Einreise und Anwesenheit, in: Uebersax/Rudin/Hugi Yar/Geiser, a.a.O., Rz. 7.111ff.
18 Projektbeschreibung Basel-Stadt,a.a.O., S. 5.
19 Von den restlichen Integrations-vereinbarungen wurden drei mit vorläufig Aufgenommenen, eine mit einem Kurzaufenthalter und, wie bereits erwähnt, zehn mit Niedergelassenen abgeschlossen. Näher eingegangen wird im Folgenden nur auf jene Integrationsvereinbarungen, die mit Drittstaatsangehörigen mit einer Aufenthaltsbewilligung abgeschlossen wurden.
20 Walter Schmid, Zugehörigkeit und Differenz: Integriert ist, wer sich akzeptiert fühlt, terra cognita Nr. 9 2006, S. 14ff.
21 Empfehlungen des BFM, a.a.O., Ziff. 3; Siehe auch Projektbeschreibung Basel-Stadt, a.a.O., S. 6, wonach die Integrationsvereinbarung primär für Personen zur Anwendung kommt, die in mehreren Bereichen erhebliche Integrationsdefizite aufweisen.
22 Zu beachten gilt, dass praktisch alle betroffenen Personen gleichzeitig über mehrere Integrationsdefizite verfügen.
23 Zu beachten gilt, dass gleichzeitig mehrere Massnahmen vereinbart werden können. Die folgenden, in Klammern genannten Zahlen umfassen neben den mit Jahresaufenthaltern vereinbarten Massnahmen auch jene Massnahmen, die mit Niedergelassenen, vorläufig Aufgenommenen und dem Kurzaufenthalter vereinbart wurden.
24 Ein Gespräch bei der Rückkehr-beratung wurde mit seit längerem erwerbslosen Angehörigen von Drittstaaten vereinbart, die Sozialhilfe in hohem Masse bezogen haben und weiterhin beziehen. Die Rückkehr-beratung erfolgt durch die Sozialhilfe der Stadt Basel und unterstützt sozialhilfeabhängige Ausländer des Kantons bei der freiwilligen Rückkehr in ihre Heimatländer, beispielsweise mittels Beratung über Planung und Organisation der Ausreise oder materiellen Rückkehrhilfen. Da die Rückkehr-beratung nicht die Integration in der Schweiz, sondern bestenfalls dieReintegration im Heimatland fördert, stellt sich die Frage, ob eine solche Massnahme in der Integrations-vereinbarung überhaupt vereinbart werden soll.
25 Diese Massnahme wurde mit Drittstaatsangehörigen vereinbart, die eine religiöse Betreuungstätigkeit im Sinne von Art. 7 VIntA ausüben.
26 Siehe auch Achermann , a.a.O., S. 121f., und Gattiker, a.a.O., S. 93.
27 Siehe Art. 5 Abs. 1 BV, SR 101.
28 Siehe auch Doris Bianchi, Die Integration der ausländischen Bevölkerung: Der Integrationsprozess im Lichte des schweizerischenVerfassungsrechts, Bern 2003, S. 46, und Achermann, a.a.O., S. 130ff.
29 Siehe Art. 36 BV.
30 Siehe § 5 Abs. 2 IntG-BS in Verbindung mit § 7 Abs. 2 IntVO-BS.
31 Zur vorzeitigen Erteilung der Niederlassungsbewilligung siehe Art. 34 Abs. 4 AuG in Verbindung mit Art. 62 VZAE (SR 142.201).
32 Beachtet werden muss, dass der Entscheid über die Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung nicht imErmessen der Behörde liegt, wenn die ausländische Person einen Anspruch auf Anwesenheit in der Schweiz hat. Zu den Ermessens- und Anspruchs-bewilligungen siehe Peter Uebersax, § 7 Einreise und Anwesenheit, a.a.O., Rz. 7.101ff. und 7.111ff.
33 Siehe Häfelin/Müller/Uhlmann, a. a. O., Rz. 428b.
34 Siehe Tschannen/Zimmerli, a.a.O., § 26 N 11.
35 Marc Spescha, Art. 96 AuG N 4, in: Marc Spescha / Hanspeter Thür / Andreas Zünd / Peter Bolzli (Hrsg.), Migrationsrecht, Kommentar, Zürich 2008.