Kaspar Schiller, 69, Rechts­anwalt in Winterthur, Ex-Präsident des Schweizerischen Anwalts­verbands, spricht der Branche Mut zu. Sein ehemaliger Kollege Peter Kurer, zuletzt als UBS-­Präsident in den Schlagzeilen, hatte in ­einem NZZ-Essay die These vertreten, der Berufsstand der Anwälte sei dem Untergang ­geweiht, weil der technische Fortschritt ihr Wissensmonopol obsolet machen würde. Kurer prophezeite auch gleich das Ende des Rechtsstaats. In einer globalen Welt würden «Soft Laws» die Oberhand über justiziable Rechtsregeln gewinnen. «In dieser Welt löst sich das Recht wie ein Zucker in der Teetasse langsam auf und wird ersetzt durch globale Standards, Parteiprogramme, populistische Impulse, endlose regulatorische Regeln und langfädige Dokumente.» 

Schiller ist da optimistischer. In seiner mit Anwaltskollege Heinrich Hempel verfassten ­Widerrede bezeichnete er es als «irritierend», dass Kurer «das Ende des Rechtsstaats als geschichtliches Fait accompli hinzunehmen scheint». Auch im Zeitalter von Wikipedia seien die Leute auf anwaltlichen Beistand angewiesen. Die Informationstechnologie und immer detailliertere Gesetze hätten nicht zu einer Abnahme, sondern zu einer Zunahme von Anwälten, Richtern und weiteren juristischen Fachleuten geführt.  

Peter Marti, 64, Präsident der I. Strafkammer des Zürcher Obergerichts, führte Anfang Juni wohl zum ersten Mal in seiner Karriere ein Gerichtsverfahren vor mehr als 150 Gästen durch. Grund des Andrangs: Das Gericht veranstaltete einen Tag der offenen Tür und kündigte per Inserat Kurzreferate, Musikeinlagen, eine «Foto-Show mit Portraits», einen Grillstand und eine Kaffeebar an.

Das Interesse war gross: Vom Säugling bis zum Senior kamen rund 1500 Personen aller Alters­klassen, um zu erfahren, wie ein Obergericht funktioniert. Publikumsrenner waren inszenierte Prozesse, die aufgrund des Andrangs in einen anderen Saal übertragen wurden. Marti als Vorsitzender in einer der ­Verhandlungen urteilte mit zwei weiteren Richtern über eine ­türkische Drogenkurierin, die von einer nicht vorbestraften Gerichtsschreiberin in einer ­reifen schauspielerischen ­Leistung gegeben wurde. Die ­anderen Akteure ­taten, was sie immer tun: Der Staatsanwalt spielte den Staatsanwalt, ein ­Anwalt verteidigte und eine Dolmetscherin übersetzte. Für Marti muss die Verhandlung ein Genuss gewesen sein. Weder Verteidiger noch Staatsanwalt durften länger als zehn Minuten plädieren. 

Sébastien Fanti, 45, Rechtsanwalt in Sitten und Walliser ­Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragter, sieht schwarz, wenn nicht rasch ein Gesetz für Roboter erlassen wird. «Es ist wichtig, die Rechte und Pflichten der Roboter zu ­kennen», sagte Fanti der Zeitung «Le matin». Roboter sollten künftig eine Identitätskarte, ­einen ­Namen und eine Privathaftpflichtversicherung erhalten.

Der Mitbegründer von Lexing, einem internationalen Anwaltsnetzwerk im Bereich des Hochtechnologierechts, sieht das Recht an der Schwelle einer neuen Ära. «Bis jetzt gelten für Roboter noch die gleichen Regeln wie für Sachen», kri­tisiert er gegenüber plädoyer. Ohne einschlägiges Gesetzbuch gerate die Schweiz im Bereich der ­Robotik international ins Hintertreffen. 

Und wie erklärt man Robotern das auf sie anzuwendende Gesetz? «Das ist tatsächlich ein grosses Problem», räumt Fanti ein. Die Roboter könnten jedoch die Regeln erlernen: «Man kann die Regeln, die sie kennen müssen, programmieren.» Der Rechtsanwalt ist sich sicher, dass Roboter in Zukunft immer mehr Arbeiten übernehmen werden – auch von Juristen und Notaren. Privat hat er die ­Leistungsfähigkeit solcher ­Wesen schon getestet: Laut «Blick» lebte er monatelang mit einem Roboter zusammen.