Schlechtes Zeugnis für das Bundesgericht
Das Bundesgericht hätte ihm fast das Weihnachtsfest verdorben. Dies sagte Frédéric Krauskopf, Assistenzprofessor an der Universität Basel, anlässlich des 10. Schadensforums am 12. Januar in Zürich (siehe auch Seite 77).
Der Grund für Krauskopfs getrübte Weihnachtsfreuden: Der Entscheid 4A_369/2009 des Bundesgerichtes vom 1. Dezember 2010 zur Verjährung im Haftpflichtrecht (Erwägung 3.3). Im Übrigen sei die höchstrichterliche Rechtsprechung bezüglich der strafrechtlichen Verjährungsfrist «kompliziert» und diejenige bezüglich der Spätschäden gar «tragisch».
Frédéric Krauskopf war nicht alleine mit seiner Kritik am Bundesgericht: Auch sein Zürcher Professorenkollege Thomas Gächter liess an der Rechtsprechung aus Lausanne kein gutes Haar. Das Urteil 8C_239/2008 des Bundesgerichts vom 17. Dezember 2009 über die Verwertung von Observationsergebnissen aus dem Ausland sei «wohl aus Schamgefühl» nicht publiziert worden, sagte er. «So kann man nur entscheiden, wenn man das Bundesgericht ist. Bei mir würde man mit einer solchen Begründung die Prüfung im Öffentlichen Recht nicht bestehen.»
Auch der Winterthurer Rechtsanwalt Massimo Aliotta kritisierte das Bundesgericht, konkret den Entscheid vom 2. Juli 2010 (5A.57/2010). Dass der Geschädigte im Haftpflichtprozess unglaubwürdige Aussagen zu seiner Invalidität gemacht habe, dürfe doch nicht als Begründung dienen, um auf ein medizinisches Gutachten zu verzichten und stattdessen auf Filme von Privatdetektiven abzustellen. dba
Zürcher Handelsgericht: Richterwahl nun demokratisch
Das Zürcher Handelsgericht hat auf die Kritik an der Wahl und Auswahl der Fachrichter reagiert (plädoyer 4/09). Das neue Zürcher Gerichtsorganisationsgesetz, das am 1. Januar 2011 in Kraft getreten ist, verlangt die öffentliche Ausschreibung der Handelsrichterstellen.
Die umstrittene Kommission für das Handelswesen, die bisher die Kandidaten aussuchte, wurde aufgehoben. Neu wird die kantonsrätliche Justizkommission Bewerbungen prüfen, die Interfraktionelle Kommission (Zusammenschluss aller Fraktionspräsidenten) Vorschläge machen und der Kantonsrat die Richter wählen.
Damit ist nun gewährleistet, dass nicht mehr wie bisher faktisch die Kommission für das Handelswesen, sondern der Kantonsrat die Richter bestimmt.
Rechtsanwalt und Kantonsrat Markus Bischoff (Alternative Liste), einer der Kritiker am bisherigen Verfahren, zeigt sich zufrieden: «Formell ist das Verfahren nun sicher demokratisch. Ob es auch materiell besser ist, werden wir in ein paar Jahren sehen.»
Im November wurden zehn Richterstellen ausgeschrieben. Laut Erich Wenzinger von der Volkswirtschaftsdirektion sind über achtzig Bewerbungen eingegangen. Die neuen
Handelsrichter sollten Anfang Mai bestimmt sein. ch
Das Tessin hat noch Geschworene
Die neue schweizerische Strafprozessordnung (StPO) kennt kein Geschworenengericht mehr. Deshalb mussten die Tessiner Stimmbürger Ende November über das neue Gerichtsorganisationsgericht abstimmen, das die Abschaffung des Geschworenengerichts enthält.
Die Tessiner Bevölkerung lehnte die Abschaffung aber mit 51,6 Prozent der Stimmen ab - zur Überraschung der Restschweiz. Deshalb musste eine Lösung gefunden werden, die den Vorgaben der StPO und gleichzeitig dem Willen der Stimmbürger entspricht. Der Grosse Rat hat deshalb Mitte Dezember ein dringliches Gesetz in Kraft gesetzt, das für ein Jahr gilt.
«Diese provisorische Lösung sieht vor, dass die Geschworenen technisch Laienrichter sind», erklärt Francesco Catenazzi vom Tessiner Justizdepartement. Dies bedeute, dass die «Geschworenen» schon bei der Eröffnung des Verfahrens eingesetzt seien und Einsicht in die Akten erhalten.
Das Justizdepartement arbeitet nun an der Botschaft zum Gesetz für die definitive Lösung. Diskussionspunkt ist laut Catenazzi nur noch, ab welchem Strafmass diese Laienrichter eingesetzt werden: Wie bis anhin bei drei Jahren, bei fünf, sieben oder zehn Jahren. ch
Anwalt der ersten Stunde: Nachbarschaftshilfe für die Glarner
Der Anwalt der ersten Stunde ist im Glarnerland meist ein Schwyzer. Zumindest zu Pikett-zeiten. Denn es gibt zu wenig Glarner Strafverteidiger, um einen Pikettdienst zu garantieren. Mit 27 Anwälten ist der Glarner Anwaltsverband der kleinste im Land. «Trotzdem musste ich am 31. Dezember 2010 um Mitternacht eine Lösung haben», sagt Christoph Hohl, leitender Staatsanwalt. Er scheute sich nicht, jenseits des Pragelpasses um Hilfe zu bitten. Die Schwyzer boten sofort Hand für eine Zusammenarbeit: Seit Anfang Jahr arbeiten die Glarner nun mit den 22 Anwälten des Schwyzer Vereins «Anwälte der ersten Stunde» zusammen. «Die Lösung überzeugt, sodass wir beschlossen haben, auf dieser Schiene weiterzufahren», sagt Hohl. Voraussichtlich werden auch bald zwei Glarnerinnen beim Pikettdienst mitmachen. «Bei der Verbandsversammlung im März hoffen wir, weitere Mitglieder dafür zu gewinnen», sagt Hansjürg Rhyner, Präsident des Glarner Anwaltverbands.
Die Urner mit ähnlich kleiner Anwaltschaft sind noch einen Schritt weniger weit. «Zurzeit läuft eine Umfrage bei unseren Anwältinnen und Anwälten, wer bei einem Pikettdienst mitmachen würde», sagt Verbandspräsident Franz-Xaver Brücker. stoc
Richtwerte für den Kanton Jura waren zu tief «Justitias Waage hängt nicht überall gleich hoch», plädoyer 6/10
plädoyer veröffentlichte in der letzten Nummer eine Übersicht über die neuen Gerichtsgebühren der Kantone. Die Tabelle basierte auf den Angaben der Gerichte. Zwei Angaben hat das zuständige jurassische Gericht nachträglich korrigiert: Bei einer Forderung mit 50 000 Franken Streitwert betragen die Kosten 4100 Franken (statt 2600 Franken), für eine Forderung mit einem Streitwert von 100 000 Franken 6600 Franken (statt 3600 Franken).