Mathis Kläntschi, 59, Statt­halter des Bezirks Zürich und Mitglied der Grünen Partei, steht nicht im Verdacht, mit ­seiner Parteikollegin, Stadträtin Karin Rykart, zu kungeln: ­Abermals pfiff er die Polizei­vorsteherin bei ihrem Ansinnen zurück, den von Abtreibungsgegnern organisierten «Marsch fürs Läbe» zu verbieten. 

Aus Angst vor Ausschreitungen an einer Gegendemo hatte Rykart den Umzug schon 2019 verbieten wollen. Sie unterlag aber vor dem ­Zürcher Verwaltungsgericht, das den Entscheid von Kläntschi stützte. Das Grundrecht der Versammlungsfreiheit sei zu schützen, auch wenn mit einer Gegendemon­stration gedroht werde, so das Hauptargument. 2019 kam es  zu den befürchteten Ausschreitungen. 

Dieses Jahr wiederholte sich die Geschichte: Rykart wollte aus dem Marsch erneut eine Platzkundgebung machen – doch Statthalter Kläntschi hiess die Beschwerde der ­Ab­treibungsgegner gut. Der ­Stadtrat könne zwar über ­Ausgangs- und Zielpunkt der Marschroute entscheiden, doch müsse er dabei «der ­beabsichtigten Appellwirkung» ­Rechnung tragen. Öffentliche Kundgebungen dürften «nicht durch gegnerische Kreise gestört oder verhindert» werden. Rykart hat diesmal auf einen Weiterzug verzichtet.

Remo Cavegn, 49, Präsident des Bündner Kantonsgerichts, muss aufräumen. Er übernahm das Präsidium Anfang Jahr von seinem Parteikollegen Norbert Brunner (CVP) mit einem ­Pendenzenberg von 400 Fällen. Dieser geht auf die Einführung der Schweizerischen Zivilprozess­­ordnung im Jahre 2011 zurück. Seither müssen die Kantons­richter alle Urteile schriftlich ­begründen – das macht Arbeit. 2017 schuf das Parlament eine weitere Richterstelle. Doch kurz danach verunfallte eine Richterin beim Skifahren und fiel lange aus. Anfang 2019 lähmte ein Streit zwischen dem damaligen Präsidenten Brunner und einem Richter den Gerichtsbetrieb (plädoyer 3/2020). Der Richterkollege war seit Mai 2019 krankgemeldet. Er kehrte bis zu seinem Abgang Ende 2020 nicht mehr an das Kantonsgericht zurück.

Viele der 400 hängigen Fälle ­stapeln sich in der ersten und zweiten Zivilkammer. Vor allem Familienstreitigkeiten seien liegen geblieben, sagt Cavegn zu plädoyer. Nun erhält der ­Gerichtspräsident massive ­Verstärkung. Die sechs Vollzeitrichterstellen werden für zwei Jahre um 200 Stellenprozente aufgestockt. Das hat seinen Preis: rund 256 400 Franken pro Richter im Jahr. Das kostet den Kanton rund eine Million – oder 2500 Franken pro pendenten Fall.

Niccolò Raselli, 77, ehemaliger Bundesrichter, macht nach der Pensionierung seinen früheren Kollegen Arbeit. Im Mai beantragte er in einer Abstimmungsbeschwerde an das Bundesgericht, der Urnengang über das Bundesgesetz über polizeiliche Massnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus sei wegen behördlichen Falschinformationen zu verschieben. Wörtlich heisst es in der Eingabe: «In Bezug auf die präventiven Interventionsmöglichkeiten der Strafverfolgungsbehörden enthält die ­Abstimmungsbotschaft Falsch­informationen und unterdrückt damit ausschlaggebende Entscheidungsgrundlagen.» Der Bundesrat habe seine Pflicht zur sachlichen, objektiven und korrekten Information verletzt. Der Alt-Bundesrichter beantragte zugleich eine Änderung der ­Praxis, wonach eine solche Beschwerde zuerst an die zuständige kantonale Instanz zu richten ist. Denn in diesem Fall sei die Falsch­information nicht einer kantonalen Behörde, ­sondern Bundesbehörden anzulasten. 

Die Bundeskanzlei beantragte «Nichteintreten, eventualiter Abweisen», Raselli erhielt Gelegenheit zur Stellungnahme. Der 77-Jährige zu plädoyer: Immerhin anerkenne die Bundeskanzlei, dass der Rechtsweg in Fällen wie diesem «nicht zufrieden­stellend für die Rechtsuchenden und unnötig belastend für die Kantonsregierungen» sei.