Christoph Spiess, 61, Richter am Zürcher Obergericht, wurde jüngst etwas unverhofft zum ­Social-Media-Sternchen. Auf dem Tiktok-Kanal seiner Frau trat er in Kurzvideos auf – tanzend, auf den Hintern klapsend, von seiner Partnerin scherzhaft mit einem Wallholz traktiert. Der «Tages-Anzeiger» griff die skurrile Geschichte im grossen Stil auf. Grund dafür war auch die Tatsache, dass Spiess offenbar vom Obergerichtspräsidenten ins Büro zitiert worden war, weil dieser sich Sorgen um das Ansehen des Oberrichters machte.

Doch Spiess tat die Aufregung als «absurd» ab und machte klar, dass er die Videos nicht löschen werde. Handhabe, ihn zum ­Einlenken zu bewegen, gibt es für das Obergericht nicht: Als ­Magistratsperson ist Spiess nicht dem kantonalen Personalrecht unterstellt. Aufsichtsrechtlich eingreifen könnte höchstens die Justizkommission des Kantonsrats, was diese allein aufgrund einiger Tanzeinlagen in einem Internetmedium jedoch kaum tun dürfte. Ohnehin wird es ­solche Auf­nahmen künftig wohl nicht mehr geben. Wie Spiess gegenüber plädoyer ausführt, sieht er zwar weiterhin nichts Anstössiges in seinen Video­auftritten. Er stellt aber klar, dass weitere Tiktok-Einlagen nicht zu erwarten sind. «Man muss ja kein Öl ins Feuer giessen», sagt Spiess. 

Daniel Hürlimann, 35, Rechtsanwalt und Lektor an der Universität Freiburg, stört sich an der geringen Bedeutung, die der Bund der elektronischen ­Publikation der Urteile ent­gegenbringt. Im Entwurf des Bundesrats für ein Bundesgesetz für die elektronische Kommunikation in der Justiz findet sich nämlich keine Bestimmung zur elektronischen Publikation von Urteilen. Hürlimann fordert deshalb: «Die Urteilspublikation gehört ins E-Justice-Gesetz». In einem Beitrag der «Richter­zeitung», den er zusammen mit Sébastien Fanti, Christian Laux, Adrian Rufener und Claudia Schreiber verfasste, stellt er klar: Rechtskonformes Verhalten ist nur möglich, wenn das Recht bekannt ist. Aus diesem Grund bestehe eine staatliche Pflicht zur Publikation. Zudem würden sich viele Rechtsfragen nur unter Berücksichtigung der Rechtsprechung beantworten lassen.

Laut Hürlimann sollte das E-Justice-Gesetz deshalb einerseits die Vereinheitlichung von Formaten und Metadaten regeln sowie andererseits eine Verpflichtung der Gerichte zur Publikation aller zweit­instanzlichen und (mindestens) einer Auswahl von erstinstanz­lichen Urteilen. 

Gabriel Püntener, 59, Berner Fürsprecher, hat mit der Eid­genossenschaft eine Rechnung offen: Das Bundesgericht erteilte dem Bund im Betreibungsverfahren gegen ihn Rechts­öffnung (5A_84/2020 vom 13. Januar 2021). Das bedeutet: Püntener muss 25 500 Franken Gerichtsgebühren zahlen, weil er in diversen Verfahren die Spruchkörperbildung der Asylabteilungen am Bundes­verwaltungsgericht (BVGer) ­kritisierte. Nach Ansicht des auf Asylrecht spezialisierten Berner Anwalts hätte in die automatische Verteilung der Fälle eingegriffen werden müssen, um eine ein­seitige politische Zusammensetzung der Richterbank zu verhindern. Das Bundesverwaltungs­­gericht wies aber alle Revisionsgesuche ab. Es warf ihm vor, er ziele «mutwillig und rechtsmissbräuchlich» auf eine Blockierung des Rechtsmittelverfahrens ab, indem er fort­während neue, unhaltbare Ausstandsgründe vorbringe. Es stellte Püntener pro Revisionsgesuch 1500 Franken in Rechnung.

Zu plädoyer sagte der Anwalt, er führe zu seinen Fällen eine Statistik über die Richter, die ­jeweils den Spruchkörper bildeten. 2019 waren es 134 Fälle. Dabei seien 43 Prozent der Entscheide in politisch einseitiger Zusammensetzung gefällt worden. 2020 dominierte eine Mehrheit von SVP-Richtern in 70 bis 80 Prozent seiner Fälle.