Niklaus Ruckstuhl, 60, Rechtsanwalt, Kantonsrichter in Liestal BL und Titularprofessor für Strafprozessrecht an der Uni ­Basel, ist vom Bundes­gericht enttäuscht. Die Erste öffentlich-­rechtliche Abteilung entschied, dass die Polizei DNS-Profile nicht nur bei der Ermittlung nach Delikten, ­s­ondern auch präventiv erstellen darf. Die ­Erstellung eines DNS-­Profils müsse es erlauben, Täter zu identifizieren, die den Straf­verfolgungsbehörden noch ­unbekannt seien. «Dabei kann es sich um vergangene oder künftige Delikte handeln.» Das Erstellen eines DNS-Profils könne nämlich auch präventiv wirken (1B_17/2019 vom 24. April 2019). 

Die Kammer verwies im Urteil auf die angeblich überwiegende Lehrmeinung, unter anderem auch auf Kommentator Ruckstuhl. Dieser ist mit dieser Einordnung gar nicht einverstanden. Der Basel­bieter erwägt, dem Präsidenten der Abteilung zu schreiben und ihn zu bitten, «mich in der in der amtlichen Sammlung zu ­publizierenden Fassung des ­Entscheids am richtigen Ort zu zitieren: «nämlich bei den Kritikern der herrschenden ­Lehre und der bundesgericht­lichen Auffassung.» 

Ruckstuhl wird den Entscheid Anfang 2020 in der Fachzeitschrift Forum poenale kommentieren, um dort die Sache klarzustellen.

Otmar Kurath, 54, Rechts­anwalt in Weinfelden TG, nahm die Beweissicherung aus Sicht der Gerichte etwas gar ernst. Als Verteidiger eines Beschuldigten fotografierte er in einer per Video übertragenen Befragung des Opfers mit seinem Fotoapparat den Bildschirm. Er wollte so den Beweis sichern, dass auf der Videoübertragung nur das Opfer, nicht aber der befragende Polizist sichtbar war. Kurath: «Der auf dem Bildschirm ­unsichtbare Polizist hätte das Opfer unbemerkt beeinflussen können – etwa bei der Vorlage der Fotos zur Identifikation des Täters.» Das Teilnahmerecht des Beschuldigten sei ­damit unzulässig eingeschränkt worden. Es sei seine Pflicht als Verteidiger gewesen, diesen Vorgang zu dokumentieren. 

Die Staatsanwaltschaft sah es anders: Kurath musste ihr die Speicherkarte mit den Auf­nahmen aushändigen. Dagegen gelangte Kurath erfolglos ans Thurgauer Obergericht. Das Bundesgericht trat mit Urteil 1B_16/2019 vom 16. April auf seine Beschwerde nicht ein. Der Sachverhalt, den der Verteidiger mit den Fotos beweisen wollte, sei nicht mehr strittig. Kurath ist enttäuscht. Er erhoffte einen Entscheid zur Frage, ob die Staatsanwaltschaft der Vertei­digung ein Werkzeug wegnehmen darf, das parteiöffent­liche Vorgänge zuverlässig dokumentiert. 

Konrad Jeker, 55, Rechts­anwalt in Solothurn, hat kein Verständnis für die Forderung nach ­einer Revision des Sexualstrafrechts. Zusammen mit 31 anderen auf Strafrecht spezialisierten Anwälten widersprach er im «Tages-Anzeiger» vom 22. Juni 2019 ­einem Aufruf von 22 Strafrechts­professoren, denen die Zeitung zuvor ein Forum für ihr Anliegen gegeben hatte. 

Die Professoren forderten, Geschlechtsverkehr ohne Einwilligung sei als Vergewaltigung zu bestrafen. Nach heutigem Recht ist jemand nur strafbar, wenn er eine andere Person zum Beischlaf nötigt, ­bedroht oder Gewalt anwendet. Die Pro­fessoren sind der Ansicht, ihre ­Forderung lasse das Prinzip
der Unschuldsvermutung un­angetastet und führe zu keiner Umkehr der Beweislast.

Dem widersprechen Jeker und seine prozesserfahrenen ­Berufskollegen vehement: ­Behaupte ­jemand, mit dem Beischlaf nicht einverstanden ­gewesen zu sein, müsste der ­Beschuldigte erklären, weshalb er das «Nein» nicht wahr­genommen oder respektiert habe. Ohne plausible Erklärung ­würde er auch dann verurteilt, wenn er zu Unrecht bezichtigt worden sei. 

Jeker kritisiert auch generell den heutigen «Aktivismus im Bereich des Strafrechts». Es gehe dort vielen Leuten nur noch ­darum, Symbole zu setzen.