Markus Mohler, 79, ehemaliger Lehrbeauftragter für öffentliches Recht an den Universitäten ­Basel und St. Gallen, hält den Rücktritt von Bundesgerichts­präsident Ulrich Meyer jetzt für ­angebracht. Einerseits wegen der Verweigerung des rechtlichen Gehörs gegenüber den Bundesstrafrichtern vor der Endfassung eines Aufsichts­berichts durch die von Meyer geleitete Ver­waltungskommission. Noch schlimmer sei die Publikation des Berichts im Internet mit ­vollen Namen der Involvierten. Das sei eine Verletzung der Privat­sphäre.

Andererseits kritisiert Mohler gegenüber plädoyer Meyers ­Äusserungen über eine Richterin. «Magersüchtig», «quasselig» und «mit giftigem Blick» sei zwar nicht notwendigerweise sexistisch: «Man hätte sich wohl auch so über einen Mann äus­sern können.» Schlimmer sei, dass die Äusserungen «verächtlich und herabsetzend» seien, eine Verletzung der Menschenwürde. Das sei «nicht akzeptabel, schon gar nicht für Ange­hörige der öffentlichen Dienste, ins­besondere für Richter».

Meyers Amtszeit als Präsident wie als Richter läuft bis Dezember dieses Jahres. Er sagt, er ­werde im Herbst «aus Altersgründen» nicht mehr ­an­treten. Er sei ja 67, «eine ­Wiederwahl für ein einziges Jahr anzustreben, wäre wegen der ­Altersgrenze 68 wenig stilvoll».

Stefan Höfler, 45, Co-Leiter des Zentrums für Rechtsetzungs­lehre an der Universität Zürich, stellt der Gesetzesredaktion beim Bundesamt für Justiz in Bezug auf die Covid-19-Verordnung 2 ein schlechtes Zeugnis aus. Die Verordnung habe nicht nur «intransparente» Bestimmungen, sondern «gleich an mehreren Stellen Aussagen enthalten, die nicht normativ sind». Als Beleg führt Höfler über 20 Beispiele auf (AJP 6/2020). 

Auch in der neuen «Covid-19-­Verordnung besondere Lage» beging der Bundesrat laut Höfler «einen legistischen Sündenfall». So heisst es in Artikel 3: «Jede Person beachtet die Empfehlungen des Bundesamtes für Gesundheit (BAG) zu Hygiene und Verhalten in der Covid-19-­Epidemie.» Ist das eine Beschreibung, ein Wunsch, eine Empfehlung oder eine Vorschrift? Höfler tippt gegenüber plädoyer auf eine Empfehlung, die als Vorschrift daherkommt: «Die Kommunikation des ­Bundesrats lässt vermuten, dass keine Vorschrift beabsichtigt war.» Wäre die Bestimmung ­tatsächlich so gemeint, erhielte das BAG weitreichende Rechtsetzungskompetenzen, was «verfassungsrechtlich nicht ganz ­unproblematisch wäre». Höflers Merksatz zu­handen der Gesetzesredaktion: «Empfehlungen, Aufforderungen, Begründungen und andere ­Deklarationen gehören nicht in einen Erlasstext!»

Nils Melzer, 50, Uno-Sonderberichterstatter über Folter, erinnerte Ende Mai den Bundesrat in einem Brief an die Verpflichtungen der Schweiz in Menschenrechtsfragen. Anlass war der ­Entwurf für das neue ­Gesetz «Polizeiliche Massnahmen zur Bekämpfung von Terrorismus» (PMT). Es gibt der Bundes­polizei neue Vollmachten gegen angebliche «terroristische ­Gefährder» ab 12 Jahren wie ­Melde- und Gesprächsteilnahme­pflich­ten, Rayon- und Ausreiseverbote. Ab dem 15. Altersjahr droht gar Hausarrest (plä­doyer 2/2020). Solche Massnahmen für Leute, bei denen nicht einmal ein Verdacht auf eine straf­bare Handlung besteht, verstossen laut Melzer gegen die Euro­päische Menschenrechtskonvention und die Uno-Kinderrechtskonvention.

Bundesrätin Karin Keller-­Sutter bestritt dies im Juni im Nationalrat. Melzer kritisiert auf Anfrage von plädoyer: «Eine verantwortungsvolle Regierung wurstelt solche staatspolitischen Fundamentalfragen nicht in Windeseile durchs Parlament.» Die Schlussabstimmung ist für die Herbstsession vorgesehen. Melzer warnt: Kommt es jemals zu Terroranschlägen in der Schweiz, könnten schnell Regierungskritiker als «Gefährder» ­interniert werden: Dies einzig aufgrund von Geheimdienst­informationen, «die kaum ein Richter wird hinterfragen wollen oder können».