Ludwig A. Minelli, 84, kreuzt noch immer gern die Klingen, wenn der Menschenrechtsgerichtshof in Strassburg angefeindet wird.  In einem Leserbrief an den «Zürcher Unterländer» kritisierte der streitbare Anwalt einen Leserbrief mit dem Titel «Abenteuerliche Argumenta­tion» von Alt-Nationalrat Hans Fehr (SVP). «Hans Fehr behauptet, das Bundesgericht könne die Einhaltung der Verfassung und der Grundrechte gewährleisten. Er weiss, dass dies unwahr ist.» Fehr verschweige den Befehl der Verfassung an das Bundes­gericht, selbst verfassungswid­rige Gesetze vor der Verfassung zu schützen (Artikel 190 BV). «Nur dank der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) hat das Bundesgericht die Möglichkeit, wenigstens die verfassungsmässigen Rechte der Bürger zu schützen.» 

Die Bundesrichter seien zudem weniger unabhängig als ihre Strassburger Kollegen, weil sie alle sechs Jahre wiedergewählt werden wollen, so Minelli. Richter am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte hingegen würden auf neun Jahre gewählt und können nicht wiedergewählt werden. Minelli wirft der SVP vor, mit der Selbstbestimmungsinitiative nur ihre Macht stärken zu wollen. Minelli: «Die SVP will nicht die Herrschaft des Rechts, sie will die Herrschaft der Macht.» 

Helen Keller, 53, Schweizer Richterin am Europäischen ­Gerichtshof für Menschenrechte, tauschte Anfang Mai das Strassburger Büro mit dem Schauspielhaus Zürich. Mit dem Schriftsteller Lukas Bärfuss diskutierte sie vor zahlreichem Publikum über die Verteidigung der Menschenrechte, die ­Unabhängigkeit der Justiz und die ­direkte Demokratie. Laut Keller herrscht in Europa ein einheitliches Verständnis der Menschenrechte. Ihr ungarischer Richterkollege beispielsweise verstehe darunter das Gleiche wie der portugiesische. ­Meinungsverschiedenheiten gebe es jedoch auf globaler Ebene – «beispielsweise in Asien». 

Von Bärfuss auf die ­«Selbst­bestimmungsinitiative» ­angesprochen, sagte die ­Völkerrechtlerin dezidiert: «Die Menschenrechte sind für Minderheiten geschaffen ­worden.» Folglich sei es gefährlich, den Entscheid über die Menschenrechte in die Hand ­einer politischen Mehrheit zu geben. Zudem ist für Keller die Beurteilung des Einzelfalls durch unabhängige Richter sehr wichtig. Denn auch im Herzen Europas würden die Menschenrechte immer wieder auf die Probe gestellt. 

Norbert Brunner, 63, Präsident des Kantonsgerichts Grau­bünden, und Dina Weil, 36, Richterin am Kantonsgericht Schaffhausen, haben etwas ­gemeinsam: keine Lust auf ­Öffentlichkeit. Weil verweigerte einem Gerichtsreporter Ende April Informationen über den Gegenstand eines Zivilprozesses und verwies ihn aufs Internet: Dort stand: «Hauptverhandlung, Forderung». Für das schriftliche Urteil gilt die Praxis, dass jeweils ab dem 15. eines Monats eine Liste der im Vormonat versandten Entscheide für 30 Tage zur Einsicht aufliegt.  Der Journalist reist nun jeden Monat nach Schaffhausen, um nachzusehen, ob das Urteil schon gefällt wurde. 

Norbert Brunner ­hatte sich geweigert, einer Journalistin zwei Urteile betreffend der Skeleton-­Bahn St. Moritz zugänglich zu machen. Begründung: Sie seien noch nicht rechtskräftig. Das Bundesgericht belehrte ihn eines Besseren. Für diese Einsichtsverweigerung erhielt das Kantonsgericht Graubünden von Investigativ.ch die Nomination für den «Goldenen Bremsklotz 2017». Mit ­diesem Preis «ehrt» der Journalisten-­Verein die «grössten Informationsverhinderer». Brunner bewies Humor und brachte mit einem 30-zeiligen Gedicht die Sache auf den Punkt. Auszug: «Ein Exempel wird nun statuiert, damit, wer bockig, bald pariert.»