Berner Kommentar: Spitze in Sachen Preis
Fachliteratur · Für den neuen Berner Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung verlangt der Stämpfli-Verlag nicht weniger als 1190 Franken. Die Kommentare von Schulthess und Helbing Lichtenhahn kosten weniger als die Hälfte.
Inhalt
Plädoyer 1/13
04.02.2013
Letzte Aktualisierung:
04.10.2013
Sandra Zrinski
Eine grössere Auflage bedeutet tiefere Kosten pro Exemplar. Das gilt bei der Herstellung von Büchern. Beim Verkauf aber gilt offenbar ein anderes Gesetz: je grösser die Nachfrage, desto höher der Preis. Das lässt sich aus der Kalkulation des neuen Berner Kommentars zur Zivilprozessordnung (ZPO)?schliessen: Die erste Auflage wird gemäss dem Verlagshaus Stämpfli in Bern in einer Auflage von 3000 Exemplaren gedruckt. Er ist mit 3542 Seiten der ausführ...
Eine grössere Auflage bedeutet tiefere Kosten pro Exemplar. Das gilt bei der Herstellung von Büchern. Beim Verkauf aber gilt offenbar ein anderes Gesetz: je grösser die Nachfrage, desto höher der Preis. Das lässt sich aus der Kalkulation des neuen Berner Kommentars zur Zivilprozessordnung (ZPO)?schliessen: Die erste Auflage wird gemäss dem Verlagshaus Stämpfli in Bern in einer Auflage von 3000 Exemplaren gedruckt. Er ist mit 3542 Seiten der ausführlichste aller ZPO-Kommentare - allerdings sind nicht alle Artikel kommentiert.
Es fehlen die Artikel 353 bis 399, also das gesamte Kapitel zur Schiedsgerichtsbarkeit. Der Verkaufspreis sprengt mit 1190 Franken alle bisherigen Grenzen. Der Preis pro Seite beträgt 35 Rappen. Zum Vergleich: Der ZPO-Kommentar von Helbing & Lichtenhahn kostet 448 Franken (2157 Seiten, 20 Rappen pro Seite). Zum gleichen Preis ist der ZPO-Kommentar von Schulthess zu haben (3082 Seiten, 15 Rappen pro Seite). Etwas günstiger ist der Kommentar aus dem Dike-Verlag mit 378 Franken (2180 Seiten, 17 Rappen pro Seite).
Wie rechtfertigt sich der hohe Preis des Berner Kommentars? Stephan Grieb, Programmleiter juristische Publikationen beim Stämpfli-Verlag: «Die Qualität unserer Autoren rechtfertigt diesen Preis.» Über diese Erklärung schütteln andere Verlage den Kopf. Die Autoren des Stämpfli-Kommentars zur ZPO erhalten denn auch nicht mehr Honorar als üblich, nämlich laut Grieb 10 bis 14 Prozent des Verkaufspreises. Und die Beurteilung der Qualität der Kommentatoren wird unter den Leserinnen und Lesern kaum einhellig sein - zu gross ist die Mitarbeiterzahl: Für Schulthess schreiben 64 Autoren, für Helbing & Lichtenhahn 46 und für Stämpfli 23.
Nicht nur die Argumentation des Stämpfli-Verlags - auch die Höhe des Preises ist bei den anderen Verlagen nicht nachvollziehbar. Rechtswissenschaftliche Verlage zahlen den Autoren in der Regel 10 Prozent des Verkaufspreises, etwa 30 Prozent des Erlöses gehen an den Buchhandel. Der Druck des Berner Kommentars zur ZPO kostet in der Schweiz und in Deutschland rund 30 Franken. Das ergaben Druckofferten, die plädoyer eingeholt hat. Bei einem Ausverkauf der Auflage von 3000 Exemplaren ergäbe dies für den Verlag einen Bruttogewinn von 1 338 000 Franken. Davon muss der Hersteller noch den Satz und die Korrekturarbeiten sowie die Verlagsadministration und die Werbung finanzieren.
Erste Auflagen bereits ausverkauft
Stephan Grieb erklärt auf Anfrage, die Druckkosten seien massiv höher, als von plädoyer berechnet. Zudem werde der Abverkauf mindestens ein Jahrzehnt dauern. «Der Verlag hat sämtliche Kosten vorzufinanzieren und die künftigen Kosten, zum Beispiel für Auslieferung, Lagerung und Versicherung zu tragen», ergänzt Grieb. Und wie im Verlagswesen üblich, seien auch bei diesem Werk Auflage und Verkaufszahlen nicht identisch. Alleine die Frei- und Rezensionsexemplare schmälerten den Absatz um einige Hundert Exemplare.
Schulthess macht keine Angaben zur Auflagenhöhe, konnte die erste Auflage seines ZPO-Kommentars aber laut Geschäftsführer Marco Gianini restlos verkaufen. Die Zweitauflage werde wegen der guten Akzeptanz und der längeren Laufzeit deshalb etwas höher sein. Helbing & Lichtenhahn druckte nach eigenen Angaben von der ersten Auflage 2000 Exemplare. Davon seien alle verkauft.