Jerusalem: eine Stadt, drei ­Weltreligionen. Grund genug, das Studium der Rechts­wissenschaften für ein Jahr in Israel ­weiterzuführen. Die Stadt ist ein Hauptstreitpunkt des Nahost­konflikts: Sowohl die Israelis als auch die ­P­alästinenser erheben Anspruch auf die Stadt. So verwundert es nicht, dass an der Hebrew University of ­Jerusalem viele Vorlesungen über eben diesen Konflikt gehalten werden. Die Professoren sind zwar alle Israelis, ­bemühen sich aber um eine objektive Abhandlung des Konflikts. Daneben werden auch Vorlesungen angeboten wie «Terrorism, Counter-Terrorism and Human Rights». 

Der Schwerpunkt der Rechts­fakultät liegt im Völkerrecht, es gibt aber auch einzelne privatrechtliche Vorlesungen. Im Workshop «Public Law and Human Rights» werden wöchentlich Arbeiten von Professoren aus aller Welt besprochen, die nach Jerusalem reisen, um sie mit den ­Studenten zu besprechen. Am ­Workshop können nur wenige teilnehmen, um einen grösstmöglichen ­interaktiven ­Austausch mit den ­Studenten zu ­gewähren. 

Wenn man sich an der Universität eingehend mit dem Nahostkonflikt auseinandersetzt, muss man auch die andere Seite besuchen. Ramallah, Sitz der palästinensischen Autonomiebehörde, liegt nur 15 Kilometer von Jerusalem entfernt. Trotzdem ist die Welt jenseits der Mauer ganz anders. Alles ist günstiger und chaotischer, dafür mit sehr viel arabischem Charme. Meine israelischen Mitbewohner ­waren noch nie dort, sie haben Angst vor gewalttätigen Übergriffen. 

Eine Lösung des Konflikts ist in ­naher Zukunft kaum möglich. Vor ­allem die Israelis haben sich mit dem Status quo arrangiert. Dieser wird auch im Familienrecht zementiert: Palästinenser sind Menschen zweiter Klasse. Nach israelischem Familienrecht können Israelis keine Nicht­juden heiraten. Eine im Ausland geschlossene Ehe wird zwar anerkannt, die Araberin oder der Araber erhält aber kein Bleiberecht in Israel. Die Folge: Das Ehepaar muss in die Westbank oder nach Gaza ziehen oder getrennt leben. Da fragt man sich: Wenn nicht mal die Liebe ­zwischen Palästinensern und Israelis erlaubt ist, wie sollte dann der ­Konflikt jemals gelöst werden? 

Vito Fässler, 25, studiert Rechtswissenschaften an der Universität Zürich. Seinen Auslandaufenthalt absolviert er im Rahmen des Masterstudiums. Nach dem Studium will er eine Stelle im Bereich Völkerrecht suchen.