Am Ende meines Studiums entschied ich mich aus einer gewissen Torschlusspanik für ein Erasmus-Semester. Ich bewarb mich an der juristischen Fakultät der Université de Nantes in Frankreich. Für all jene, die noch nie von dieser Stadt gehört haben: Es handelt sich um die ehemalige Hauptstadt der Bretagne. Sie liegt an der Loire-­Mündung. Nantes war früher eine Industriestadt. Daraus wurde eine hippe Kulturstadt mit vielen Grün­flächen, nahe am Atlantik.

Die juristische Fakultät liegt an ­einem der zahlreichen Flüsse der Stadt und ist umgeben von einer wunderschönen Sumpflandschaft. 

Ich besuche die Vorlesung «Droit ­social international et européen». Jetzt ­begreife ich immer besser, wie die ­Sozialpolitik der EU unter der Formel «flexicurity» versucht, ­einen wettbewerbsstarken Arbeitsmarkt mit grundlegenden Schutz­normen für ­Arbeiter zu verbinden und die Beschäftigungs- und Arbeits­bedingungen auf europäischer Ebene zu harmonisieren. 

Besonders spannend ist die Vor­lesung «Droit social de la mobilité ­internationale et européenne». Dort erhalte ich einen Einblick in das ­internationale Arbeitsrecht und in die Regelungen zur Personenfrei­zügigkeit. Die Dozenten erläutern uns die Zusammenhänge, etwa wie die Globalisierung der Wirtschaft und die Migration die Arbeitsmarktsituation international veränderte und mit welchen konkreten Herausforderungen die einzelnen Staaten konfrontiert sind.

Der eher trockene Unterrichtsstil bietet wenig Platz für einen vertieften Austausch zwischen Dozenten und Studenten. Eine interessante Abwechslung zum Unterricht liefern die zahlreichen Vorträge von Referenten, die einer EU-Kommission oder in der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) aktiv sind. Lebhafte Diskussionen sind nach den Vorträgen fast Pflicht.

Neben den zahlreichen Referaten überraschte mich die Université de Nantes mit einem breiten Angebot an – meist kostenlosen – Veranstaltungen. Durch Surf-, Koch- und Fotografiekurse wie auch durch zahlreiche ­Konzertabende im universitätseigenen Konzert- und Clublokal auf dem Campus kam ich sehr einfach in Kontakt mit französischen Studentinnen und Studenten und konnte ­meine Sprachkenntnisse nicht nur auf juristischer Ebene, ­sondern auch im Alltag erweitern. 

Lea Schnyder, 25, Masterstudentin der Rechtswissenschaften an der Universität Bern, studiert bis Mai 2019 im Rahmen eines ­Mobilitätssemesters an der Université de Nantes.