LL.M.? – das ist doch einfach ein teurer Englischkurs für Anwälte.» Dieser Meinung begegnet man gelegentlich in der Schweiz. Klar ist: Ein LL.M.-Jahr ist kostspielig – gerade wenn man es in den USA absolviert. Jeder muss selbst abwägen, ob sich diese Investition lohnt. Mir persönlich hat der LL.M. an der New York University (NYU) auf jeden Fall viel gebracht.

Die Vorzüge eines Studienauf­enthaltes im New Yorker Greenwich Village mit Berufskollegen aus aller Welt liegen auf der Hand. Ein LL.M. ist jedoch weit mehr als multikulturelle Events, Roadtrips und Fussball­spiele, wie das etwa auf Facebook kolportiert wird. Auch fachlich ist ein LL.M. wertvoll und eine echte Herausforderung. 

Im Traditional-LL.M.-Programm der NYU geniesst man in der Fächerwahl grosse Freiheiten. Die Studenten können so individuell die Schwerpunkte ihrer Weiterbildung legen. Grundlagenfächer wie Corporations und Civil Procedure gaben mir einen vertieften Einblick in die Eigenheiten des US-Rechts. Daneben besuchte ich Simulationskurse in Leadership und Verhandlungsführung sowie eine ­Vorlesung in Sportrecht. Weiter nutzte ich die Gelegenheit, meine betriebswirtschaftlichen Kenntnisse mit ­Kursen in Finanzierung/Buchhaltung und Unternehmertum an der NYU Stern School of Business zu erweitern. 

Darüber hinaus bietet die NYU als renommierte und gut vernetzte Universität fast täglich Veranstaltungen mit führenden Juristen und anderen Praktikern an – während meiner Zeit zum Beispiel mit den Richtern am US Supreme Court John Roberts, ­Elena Kagan und Sonia Sotomayor oder dem New Yorker Staatsanwalt und Bankenschreck Preet Bharara. 

Die durchschnittliche Arbeits­belastung während des Semesters ist ­vergleichsweise gross und das ­akade­mische Niveau hoch. Vorlesungspräsenz wird vorausgesetzt, und die sokratische Methode mit dem ­berüchtigten cold calling im Unterricht motiviert dazu, das umfang­reiche ­Lesepensum auch tatsächlich zu bewältigen. Der Austausch mit der ­Professorenschaft sowie mit den ­amerikanischen und internationalen ­Mitstudenten schärft überdies den vergleichenden Blick auf das Schweizer Rechtssystem. Diese internationale Perspektive erweitert den juristischen Horizont nachhaltig.

Fazit: Mehr als ein teurer Englischkurs ist ein LL.M. allemal. 

Remo Decurtins, 30, absolvierte nach rund zweijähriger Anwalts­tätigkeit in einer grossen Zürcher Kanzlei im Jahr 2015/2016 einen LL.M. an der New York University (NYU). Zurzeit arbeitet er für ein Jahr in ­einer Kanzlei in New York.