Ein Sabbatjahr! Oder präziser: ein wissenschaftliches Jahr, ohne den üblichen Lehr- und Verwaltungsaufwand – ideal, um sich neuen Ideen zu stellen. Meiner Meinung nach gibt es für dieses Vorhaben nur eine Möglichkeit: einen längeren Auslandsaufenthalt. Nach drei Jahren als Dekan in Freiburg ist es auch eine Möglichkeit, meinen Nachfolger nicht zu stören. Das Wichtigste ist jedoch, die Komfortzone zu verlassen, sein Wissen und seine Gewissheiten in Frage zu stellen und voranzuschreiten. 

So konnte ich das Angebot des ­Dekans des Georgetown University Law Center in Washington D.C. nicht abschlagen, seiner Fakultät für ein Jahr als Gastprofessor beizutreten. Die Kontakte über das Center for Transnational Legal Studies, ein von neun juristischen Fakultäten weltweit mitbegründetes Zentrum, konnten so intensiviert werden. Ein Glücksfall!

Mit grosser Begeisterung konnten auch meine Frau und zwei unserer Kinder dieses Abenteuer beginnen. Sich mit dem US-Highschool-Regime zu konfrontieren, Englischkurse in so unterschiedlichen Fächern wie ­Chemie oder Physik, chinesischer oder amerikanischer Geschichte zu ­besuchen, ist natürlich keine leichte Aufgabe. Die Herausforderung verdient es, bewältigt zu werden. 

Um das eigene Recht besser ver­stehen zu können, muss man sich auch mit ausländischem Recht aus­einandersetzen. Nicht das Ergebnis ist interessant, sondern der Weg dorthin. Das gilt auch für die Bildung und Politik der USA. Besonders der gemeinsame Kurs mit dem amerikanischen Kollegen Professor Alvaro Santos über «Global governance and transnational law» war der beste Weg, um die US-Methode der Diskussionsführung auf den Punkt zu bringen. Im Mittelpunkt steht die Diskussionskultur, die es leichter macht, sich auf politische Argumente zu konzentrieren, als nur die Funktionsweise von Regeln zu analysieren. 

Der Unterschied in der Herangehensweise zeigt sich auch im Profil der Studenten, die alle ein anderes Fach studierten, bevor sie sich der Rechtswissenschaft zuwandten. ­Konfrontation von Wissen, Lebens­erfahrungen, Argumenten, um das juristische Phänomen in seiner ganzen Tragweite, seine Unzulänglichkeiten und schliesslich «seinem Leben» zu erfassen: eine Freude, die wir gerne «importieren» möchten.

Pascal Pichonnaz ist Professor für Privatrecht und ­Römisches Recht an der Universität Freiburg. Als «visiting professor» ­verbringt er zurzeit ein Forschungsjahr am «Georgetown University Law Center» in ­Washington D.C.