Die Luzerner Dissertation geht der Frage nach, ob eine beschuldigte Person ihr Rügerecht verwirkt, wenn sie Verfahrensmängel nicht sofort geltend macht. Rechtsprechung und Literatur bejahen die Verwirkungsfolge regelmässig und stützen sich ­dabei auf den Grundsatz von Treu und Glauben. Marcus Stadler legt erstmals eine umfassende Darstellung der Thematik in einer Monografie vor.

Der Autor hinterfragt, ob sich aus dem ursprünglich privatrechtlichen Grundsatz von Treu und Glauben Rügeobliegenheiten für Beschuldigte ableiten lassen. Die engagiert verfasste Arbeit kommt zum klaren Ergebnis, dass diesen Tendenzen in Rechtsprechung und Lehre eine dezidierte Absage zu erteilen ist: Sie laufen der Struktur eines liberalen Strafrechts mit Offizial­maxime grundlegend zuwider.

Marcus Stadler 

Verwirkung wegen Treu und Glauben?

Schulthess, Zürich 2022

412 Seiten, Fr. 89.–

Bewertung: Vorzügliches ­Argumentarium für ein rechtsstaatliches Strafrecht.