Die Aufseher suchen ihre Rolle
Ein Team aus Anwälten, Richtern und Fachpersonen beaufsichtigt die Bundesanwaltschaft seit Anfang Jahr. Doch die genauen Kompetenzen und die konkrete Tätigkeit des Gremiums sind noch unklar.
Inhalt
Plädoyer 2/11
04.04.2011
Letzte Aktualisierung:
04.10.2013
Vera Beutler
Bis Ende 2010 teilten sich zwei Gremien die Aufsicht über die Bundesanwaltschaft: das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement (EJPD) warf ein Auge auf die administrative Tätigkeit, für die fachliche Aufsicht war die Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts zuständig. Seit dem 1. Januar ist eine siebenköpfige Aufsichtsbehörde für beides zuständig.
Die Vereinigte Bundesversammlung wählte Hansjörg Seiler (Richter in der II. &oum...
Bis Ende 2010 teilten sich zwei Gremien die Aufsicht über die Bundesanwaltschaft: das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement (EJPD) warf ein Auge auf die administrative Tätigkeit, für die fachliche Aufsicht war die Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts zuständig. Seit dem 1. Januar ist eine siebenköpfige Aufsichtsbehörde für beides zuständig.
Die Vereinigte Bundesversammlung wählte Hansjörg Seiler (Richter in der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung des Bundesgerichts, SVP), Giorgio Bomio (Richter am Bundesstrafgericht, SP), Thomas Fingerhuth (Anwalt in Zürich), Carla Wassmer (Anwältin in Schwyz, Sympathisantin der CVP), Thierry Béguin (ehemaliger Staatsrat des Kantons Neuenburg, FDP), Niklaus Oberholzer (Richter am Kantonsgericht St. Gallen, SP) und David Zollinger (Geschäftsleitungsmitglied Bank Wegelin & Co., Zürich, ehemaliger Staatsanwalt in Zürich, SVP).
Reto Wehrli, Nationalrat (CVP, Schwyz) und Präsident der Gerichtskommission der Bundesversammlung bedauerte gegenüber plädoyer, dass sich kaum praktizierende Anwälte und Anwältinnen für das Amt interessiert hätten. Einzige Frau im Gremium ist Carla Wassmer. Die Untervertretung der Frauen sei schlicht «blamabel», so Wehrli. Es hätten sich nur wenige Frauen beworben. Auch seitens des Bundesgerichts ist nur ein einziger Kandidat angetreten.
Das Strafbehördenorganisationsgesetz umschreibt die Aufgaben des neuen Gremiums knapp: In Artikel 29 StBOG ist die Rede von «generellen Weisungen», welche die Behörde der Bundesanwaltschaft erteilen kann. Und Artikel 30 hält fest, dass die Aufsicht «Auskünfte und zusätzliche Berichte» sowie «Einsicht in die Verfahrensakten» der Bundesanwaltschaft verlangen kann, «soweit dies für die Erfüllung ihres Auftrags nötig ist.»
Uneinigkeit über die Weisungsbefugnisse
Für die Präsidentin der nationalrätlichen Rechtskommission Anita Thanei (SP, Zürich) reicht diese Umschreibung des Pflichtenhefts: «In Artikel 29 bis 30 StBOG ist alles sehr ausführlich geregelt.» Anders sieht das Aufsichts-Präsident Seiler: «Die Aufgaben sind im Gesetz nicht ausdrücklich verankert.» Er vergleicht den Charakter der Tätigkeit seines Gremiums mit der Oberaufsicht der Bundesversammlung über Träger von Aufgaben des Bundes, wie sie im Parlamentsgesetz festgeschrieben ist. Danach hat die Aufsicht nach den Kriterien der «Rechtmässigkeit, der Ordnungsmässigkeit, der Zweckmässigkeit, der Wirksamkeit und der Wirtschaftlichkeit» ausgeübt zu werden. Dabei gelte es, nicht in die Kompetenzen der Bundesanwaltschaft oder der Rechtsmittelbehörden einzugreifen.
Für die Erfüllung ihrer Aufgaben steht der Aufsichtsbehörde ein ständiges Sekretariat zur Verfügung. Im Budget 2011 sind für den Personalaufwand 513 000 Franken und für den Sach- und Betriebsaufwand 342 000 Franken budgetiert. Die Mitglieder - mit Ausnahme des Bundesrichters beziehungsweise des Bundesstrafrichters - haben Anspruch auf ein Taggeld von 1000 bis 1300 Franken pro Sitzung. Bundesrichter Seiler erhält eine Präsidialzulage von 12 000 Franken pro Jahr.
Sitzungen sind etwa im Monatsturnus vorgesehen. Bis Redaktionsschluss fanden zwei statt. Bei der ersten ging es laut Seiler darum, «sich kennen zu lernen». Bei der zweiten seien laufende Geschäfte wie das Budget diskutiert sowie Schwerpunktthemen behandelt worden. Detaillierter will Seiler derzeit nicht Auskunft geben: «Angesichts der möglichen politischen Auswirkungen unserer Aufsichtserkenntnisse haben wir beschlossen, die Frage der Information der Öffentlichkeit vorgängig mit den Geschäftsprüfungskommissionen zu diskutieren.»