Dieses Jahr sind gleich zwei Jahrbuchreihen im Sozial-versicherungsrecht erschienen. Die Titel unterscheiden sich kaum - inhaltlich sind sie jedoch sehr verschieden.
Das Jahrbuch von Kieser / Lend-fers richtet sich an praktizierende Sozialversicherungsrechtler. Es präsentiert den Stoff in kompakter Form und erleichtert den Zugang zum neusten Stand der Gesetzgebung, Rechtsprechung und Lehre. Auf 35 Seiten werden die Neuerungen im Alters- und Hinterlassenenversicherungsgesetz, Krankenversicherungsgesetz und Bundesgesetz über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge erläutert sowie die IV-Revision 6a vorgestellt.
Anschliessend besprechen die Autoren rund 140 Bundesgerichtsentscheide, die in Fünferbesetzung gefällt wurden, und einige wichtige Entscheide in Dreierbesetzung. Hilfreich sind die kritischen Kommentare der Autoren zur bisherigen Rechtsprechung und den Änderungen. Schliesslich folgen zehn Aufsätze zu praxisbezogenen Fragen, zum Beispiel über den Tarifvertrag im KVG, den Tabellenlohnabzug, Fragen der Neuropsychologie oder über Familienzulagen für Selbständigerwerbende. Diese prägnante Zusammenstellung gibt einen umfassenden Einblick in die Rechtsfortbildung im sich schnell wandelnden Gebiet.
Das Jahrbuch von Perret / Bollier befasst sich hingegen nicht mit der Rechtsprechung oder Lehre. Der Aufbau erinnert an die ebenfalls jährlich erscheinende Akte Sozialversicherung des Keiser-Verlags. Im Unterschied zur «Akte» sucht man die nützlichen Praxisbeispiele und Berechnungen im Jahrbuch jedoch vergebens. Aus der Lektüre weiss der Leser nicht, was im aktuellen Jahr neu ist oder wo alles beim Alten bleibt. Abgedruckt sind nur Zahlen und Fakten, die auf den Internetseiten und Merkblättern der Sozialversicherungsanstalten ausführlicher abrufbar sind. Der Nutzen dieses Jahrbuchs ist für Sozialversicherungsrechtler daher gering. Vor allem wird es nach spätestens zwei Jahren, wenn die Renten betragsmässig wieder angepasst werden, überholt sein.
Hinter den fast gleich lautenden Titel verstecken sich somit zwei ganz verschiedene Werke. Kieser / Lendfers zeigen die Rechtsentwicklung auf, Perret / Bollier die aktuellen Zahlen und Fakten.
Ueli Kieser, Miriam Lendfers (Hrsg.)
Jahrbuch zum Sozialversicherungsrecht 2012
Dike, Zürich/St. Gallen 2012,
261 Seiten, Fr. 58.-
Roland R. Perret, Gertrud E. Bollier
Jahrbuch der Sozialversicherungen 2012
hrm4you, Luzern 2012,
128 Seiten, Fr. 52.-
Kurt Berger
Kulturrecht
Andrea F. G. Raschèr, Mischa Senn (Hrsg.)
Kulturrecht - Kulturmarkt
Dike, Zürich 2012, 480 Seiten,
Fr. 62.-
49 Kapitel von 37 Autoren - die thematische Bandbreite ist enorm. Sie vermag die geweckten Erwartungen in vielen Beiträgen jedoch nicht zu erfüllen.
Einige Rosinen lassen sich immerhin finden: «Recht der angewandten Kunst» von Andreas Ritter, «Fotografierecht» von Gitti Hug, «Gamemarkt» von Peter E. Wild, «Musikmarkt» von Michael Bühler und Philipp Schnyder von Wartensee sowie «Steuern und Zoll» von Harun Can und Jean-Frédéric Maraia - alles kompakte, praxisbezogene Abhandlungen mit Fallbeispielen und weiterführenden Fussnoten. So wünscht man sich alle Beiträge.
Die häufigen Verweise auf «Kultur Kunst Recht» von Mosimann / Renold / Raschèr sind eine Empfehlung für diese Publikation. Der höhere Preis lohnt sich.
Bewertung: Kulturmenschen kommen nicht auf die Rechnung, Juristen nur teilweise. Anschaffung nicht zwingend. bg
Prozessrecht
Walter Fellmann, Stephan Weber (Hrsg.)
Haftpflichtprozess 2012, Rechtsmittel nach neuer ZPO und BGG; Beiträge zur Tagung vom 11. Mai 2012 in Luzern
Schulthess, Zürich 2012,
196 Seiten, Fr. 69.-
Die neue ZPO kommt im Rechtsmittelverfahren auch bei Urteilen zur Anwendung, die nach altem Recht ergangen sind. Die Beiträge geben Anwälten Tipps aus der Praxis. Peter Reetz stellt 19 neue Urteile zur Berufung und zu den Anforderungen an deren Begründung vor. Bundesrichter Nicolas von Werdt umreisst die Anforderungen an eine Beschwerde in Zivilsachen und gibt Hinweise zur Rügepflicht und Sachverhaltsfeststellung.
Sehr interessant ist der Beitrag von Bundesgerichtsschreiber Daniel Schwander über die Sachverhaltsrüge vor Bundesgericht mit Hinweisen auf die höchstrichterliche Praxis. Markus Schmid bringt die Sicht des Anwaltes ein, der mit der verkürzten Frist zur Begründung der Berufung neue Hindernisse überwinden muss.
Bewertung: Gute und auf die Praxis ausgerichtete Beiträge, lesenswert und zum Nachschlagen geeignet. kpf
Obligationenrecht
Heinrich Honsell, Nedim Peter Vogt, Rolf Watter (Hrsg.)
Basler Kommentar, Obligationenrecht II, Art. 530-964 OR, Art. 1-6 SchlT AG,
Art. 1-11 ÜBest GmbH
Helbing Lichtenhahn, Basel 2012, 2474 Seiten, Fr. 558.-
Im Vergleich zur Vorauflage aus dem Jahre 2008 hat sich der Umfang des Kommentars aus dem Hause Helbing Lichtenhahn um etwa 400 Seiten reduziert. Grund ist die Auslagerung des Wertpapierrechts in eine bald erscheinende eigenständige Kommentierung.
Leicht umfangreicher präsentieren sich die Ausführungen zum revidierten Recht über die Gesellschaften mit beschränkter Haftung. Auf rund 15 Seiten werden auch die Übergangsbestimmungen erläutert. Die Entwicklungen des GmbH-Rechts während seiner gut vierjährigen Geltung werden nun erstmals in einem umfassenden Kommentar zugänglich. Ausgeweitet wurden die Hinweise auf das neue Aktien- und Rechnungslegungsrecht, das in zwei bis drei Jahren in Kraft tritt.
Bewertung: Aufgrund der eingehenden Überarbeitung der Rechtsgebiete lohnt sich die Anschaffung der Neuauflage. kub
Persönlichkeitsrecht
Michael Schweizer
Recht am Wort: Schutz des eigenen Wortes im System von Art. 28 ZGB
Stämpfli, Bern 2012, 228 Seiten,
Fr. 64.80
Dem Recht am eigenen Wort kommt bei Auftritten in elektronischen Medien grosse Bedeutung zu. Der Autor, der im Rechtsdienst der Generaldirektion der SRG tätig ist, setzt sich in seiner Dissertation eingehend mit der Lehre und Praxis des allgemeinen Persönlichkeitsschutzes auseinander.
Er hält den Zeigefinger auf Schwachstellen, die in Gerichtsurteilen immer wieder auftauchen. So weist er beispielsweise auf das Ungenügen der Sphärentheorie des Bundesgerichts hin. Im Zusammenhang mit dem Recht am Wort behandelt er die Einwilligung als Umstand, der das Vorliegen einer Persönlichkeitsverletzung schon von Anfang an ausschliesst, und nicht als Grund, der einen Eingriff in die Persönlichkeit rechtfertigt.
Bewertung: Fundierte Arbeit. Gerichte und Wissenschaft werden diese Publikation nicht übersehen können. reb
Sozialversicherungsrecht
Gustavo Scartazzini,
Marc Hürzeler
Bundessozialversicherungsrecht
Helbing Lichtenhahn, Basel 2012, 839 Seiten, Fr. 178.-
Die überarbeitete Neuauflage des von Alfred Maurer begründeten Werks weist den bewährten Aufbau auf: Nach dem ersten Teil mit den Grundlagen des Sozialversicherungsrechts werden die einzelnen Sozialversicherungen dargestellt, wobei entsprechend ihrer Bedeutung das Hauptgewicht auf AHV, IV, KV und ALV liegt. Der dritte Teil befasst sich mit dem Verfahren sowie dem Koordinationsrecht.
Die Neuauflage berücksichtigt die IVG-Revision 6a und die Strukturreform in der beruflichen Vorsorge. Die Bundesgerichtspraxis ist bis Ende 2011 verarbeitet. Das Buch ist übersichtlich, das Stichwortverzeichnis erlaubt eine rasche Orientierung. Die Sprache ist gut verständlich, wobei bei der angestrebten Lesbarkeit für Nichtjuristen ein Fragezeichen erlaubt ist.
Bewertung: Ausgezeichnetes Grundlagenwerk, Spezialliteratur im jeweiligen Versicherungszweig kann es aber nicht ersetzen. df
Zivilprozess
Annette Dolge,
Dominik Infanger
Schlichtungsverfahren nach Schweizerischer Zivilprozessordnung
Schulthess, Zürich 2012,
278 Seiten, Fr. 95.-
Die Autoren haben einen gut lesbaren und umfassenden Überblick zum Schlichtungsverfahren verfasst. Ihr Buch diskutiert nicht nur praxisrelevante Fragen - über weite Strecken sogar sehr tiefgründig -, sondern enthält auch Kontrollfragen. Ausserdem enthält es 18 Mustervorlagen für Friedensrichter, von der Klagebewilligung über Urteilsvorschläge bis hin zu Entscheidungsvorlagen. Damit gehört dieses Buch in jede Bibliothek einer staatlichen Schlichtungsbehörde.
Für freiberufliche Mediatoren und Anwälte ist es weniger relevant. Sie dürften in der Regel ihren Alltag mit den üblichen Standardlehrmitteln und -kommentaren bewältigen können. Sollten sie indes bei einer Einzelfrage einmal nicht weiterkommen, sei auch ihnen das Werk zur Konsultation nahegelegt.
Bewertung: Die Anschaffung ist vor allem für die Bibliothek grosser Anwaltskanzleien empfehlenswert. sb
Arzthaftpflicht
Peter Jäger, Angela Schweiter
Rechtsprechung des Bundesgerichts zum Arzthaftpflicht- und Arztstrafrecht
Schulthess, Zürich 2012,
358 Seiten, Fr. 108.-
Das 1999 erstmals erschienene Werk hat seinen Umfang in der nun dritten Auflage fast verdoppelt. Neben den veröffentlichten sind auch ältere, unveröffentlichte Urteile abgedruckt, stets unter allen relevanten Aspekten (etwa Sorgfaltspflichtverletzung und Aufklärung) ausgewertet und dargestellt. Die Entscheide sind bis August 2011 erfasst.
Seit der letzten Auflage sind fast drei Dutzend neue Entscheide hinzugekommen. Ein Drittel davon sind Urteile in französischer Sprache, die nur zum Teil übersetzt in der Zeitschrift «Praxis» erschienen. Das ist wertvoll, denn auch Spezialisten finden die französischen Urteile häufig nicht, obwohl sie gerade im Haftpflichtrecht wichtige Entscheidungen enthalten. Wichtige Urteile werden ausführlich dargestellt.
Bewertung: Ein wertvolles Buch für Arzthaftpflichtspezialisten und Juristen, die es gerne werden wollen. kpf
Management
Benno Heussen
Anwaltsunternehmen führen
C.H. Beck/Helbing Lichtenhahn, München/Basel 2011,
359 Seiten, Fr. 50.90
Das Werk vermittelt in anschaulicher Weise Grundlagen für die Führung von Anwaltsunternehmen. Es richtet sich nicht nur an geschäftsführende Partner, sondern an sämtliche Mitarbeiter in Anwaltskanzleien.
Die Herausforderung für Anwälte, Managementprobleme zu erkennen und mit ihnen umzugehen, wird kurzweilig dargestellt. Der Autor arbeitet mit Beispielen, Charts, Skizzen und Übersichten. Zudem stellt er konkrete Fragen, die es der Leserschaft erleichtern, Problemfelder zu erkennen und kritisch zu analysieren. Das Werk gibt Denkanstösse für ein innovatives und unternehmerisches Führen einer Kanzlei. Es zeigt Knackpunkte auf, die in jeder Kanzlei auftreten können, und stellt umsetzbare Lösungsansätze vor, beispielsweise bei der Gewinnverteilung.
Bewertung: Wertvoll für Kanzleien mit mehreren Partnern, kann aber auch Einzelanwälten von Nutzen sein. vh