Seit dem Putschversuch am 15. Juli 2016 gehen die türkischen Behörden hart gegen kritische Stimmen vor: Mehr als 50 000 Menschen sind verhaftet worden, gegen 150 000 Personen wird ermittelt, rund 100 000 wurden aus dem öffentlichen Dienst entlassen. 

Betroffen sind auch unabhängige Anwältinnen und Anwälte: So ­wurde am 6. Juni 2017 der Menschenrechtsanwalt und Präsident der türkischen Sektion von Amnesty International, Taner Kiliç, verhaftet – ­zusammen mit 17 weiteren Mitgliedern der Anwaltskammer von ­Izmir. Insgesamt wurden in Izmir gegen 22 Anwälte Haftbefehle erlassen, dies unter dem ­immer weiter um sich greifenden Pauschalvorwurf, der «Terror­organisation Fetullah Gülen (Fetö)» anzugehören. Die Bewegung des Predigers Gülen wird von der türkischen Regierung für den Putschversuch vom Juli verantwortlich gemacht. In der zweiten ­Septemberwoche wurden zudem in Istanbul und ­Ankara 18 Anwälte der Anwaltsorganisation CHD verhaftet. CJD ist Mitglied der Europäischen Vereinigung von Juristinnen und Juristen für Demokratie und Menschenrechte in der Welt (EJDM).

Ein Hauptvorwurf, mit dem die Behörden die ­Verhaftung Kiliçs begründen, ist eine App zur Verschlüsselung von Textnachrichten, die auf seinem Smartphone gefunden wurde. Laut den Behörden wird die App von Mitgliedern der «Fetö» benutzt. Kiliç bestreitet, sie verwendet zu haben, betont aber, dass auch dies kein Straftatbestand wäre. 

Die Tatsache, dass Taner Kiliç die Gülen-Bewegung seit Jahren kritisierte, legt nahe, dass der eigentliche Grund für seine Verhaftung darin liegt, dass er im Rahmen seiner anwaltlichen Arbeit wiederholt auch die Menschenrechtsverletzungen der Regierung angeprangert hat. ­Kiliçs Festnahme stiess international auf ­Unverständnis und wurde unter anderem vom US-Aussenministerium, der EU oder dem Menschenrechtsbeauftragten der deutschen Bundesregierung verurteilt.