Anfang September wurde Chow Hang-tung in Hongkong verhaftet – zum dritten Mal. Bereits im Juni 2021 sass sie zwei Mal in Untersuchungshaft. Der Anwältin wurde vorgeworfen, mit dem Aufruf zum Gedenken an die die Niederschlagung der Proteste auf dem Tiananmen-Platz in Peking 1989 für eine «nicht genehmigte Versammlung» geworben und ­damit gegen die Verordnung über die öffentliche Ordnung verstossen zu haben. 

Geboren in Hongkong, studierte Chow Hang-tun zunächst Geophysik an der englischen University of Cambridge, später Rechtswissenschaften in Hongkong. Vor ihrer Verhaftung verteidigte die 36-Jährige Hongkonger Aktivisten, die unter dem nationalen ­Sicherheitsgesetz ins Visier genommen wurden. Sie setzte sich für Arbeitsrechte in China ein und unterstützte Menschenrechtsverteidiger. Hang-tung ist ­ausserdem stellvertretende Vorsitzende der Hong Kong Alliance in Support of Patriotic ­Democratic ­Movements of China (Hongkong-Allianz). Diese Allianz organisierte das weltweit grösste jähr­liche Gedenken an die Niederschlagung der Proteste auf dem Pekinger Tiananmen-Platz 1989. Seit 2020 ist die jährliche Tiananmen-Mahn­wache in Hongkong am 4. Juni verboten. Wie in anderen Ländern benutzen die Hongkonger Behörden die Coronapandemie als Vorwand, um das Recht auf freie Meinungs­äusserung und die Versammlungsfreiheit zu unter­drücken.

Auf die Anzeige wegen «Verletzung des Ordnungsgesetzes» folgte gegen Hang-tung eine Anklage ­gestützt auf das nationale Sicherheitsgesetz. Sie lautet auf «Subversion». Die Hongkong-Allianz löste sich am 25. September auf, um weitere Verhaftungen unter dem Sicherheitsgesetz zu verhindern, das ­China am 30. Juni über die Köpfe der Bevölkerung von Hongkong hinweg in Kraft setzte. Die Gedenkfeiern zu Tiananmen 1989 sollen aber auch in Zukunft stattfinden – zumindest wenn es nach Chow Hang-tung geht.