Wer in China für die Rechte anderer eintritt, riskiert die Inhaftierung. So erging es Yu Wensheng, einem bekannten Menschenrechtsanwalt aus Peking. Der 53-Jährige vertrat zahlreiche Mandanten in öffentlichkeitswirksamen Fällen, darunter den Menschenrechtsanwalt Wang Quanzhang. Im Januar 2018 holte die Polizei Yu Wensheng ab. Wenige Tage davor hatte ihm die chinesische Justizbehörde die Anwaltslizenz entzogen und seinen Antrag auf Eröffnung einer ­Anwaltskanzlei abgelehnt. Grund: Er habe den chinesischen Rechtsstaat angegriffen. 

Yu Wensheng harrte 18 Monate in Einzelhaft aus, bis er endlich seinen Anwalt sehen durfte. Bei diesem Treffen berichtete der Inhaftierte von Folter, Nahrungsentzug und schwierigen Haftbedingungen. Sein Gesundheitszustand ist heute besorgniserregend. 

Seine Frau Xu Yan kämpfte in den vergangenen zwei Jahren unermüdlich für die Freilassung ihres Mannes. Sie unternahm zahlreiche Versuche, ihren Mann zu besuchen. Ihre 25 Besuchsanträge blieben alle ­erfolglos, genauso ihre 60 Versuche, sich mit Regierungsbeamten zu treffen. Seit Januar 2018 reichte Xu etwa 300 Anträge bei verschiedenen Regierungsstellen ein. Sie erhielt keine einzige Antwort. Mittlerweile steht Xu unter ständiger Beobachtung und wird von den Behörden schikaniert. Sie wurde vor­geladen, verhört und mit einem Reiseverbot belegt. 

Am 17. Juni wurde Yu Wensheng zu vier Jahren ­Gefängnis und einem dreijährigen Entzug seiner politischen Rechte verurteilt. Seine Frau kämpft weiter für seine Freilassung. 

Yu Wensheng ist ein gewaltloser politischer Gefangener, der sich nur deshalb in Haft befindet, weil er von seinem Recht auf Meinungsfreiheit Gebrauch ­gemacht hat. Er ist nicht nur zu Unrecht inhaftiert, er wird in der Haft auch unmenschlich behandelt. Aus diesen Gründen setzt sich Amnesty International für seine Freilassung ein.