Die Verhandlungsführer des Europarates und der Europäischen Union haben sich im April auf einen Vertragsentwurf für den Beitritt der EU zur Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) geeinigt. Dieses Ziel wird seit längerer Zeit verfolgt und ist im Vertrag von Lissabon festgehalten.
Der Vertrag unterwirft die Rechtsakte der EU der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR). Damit wird der Rechtsschutz für die rund 500 Millionen EU-Bürger ausgebaut. In einer Pressemitteilung bezeichnet der Europarat die Einigung als einen «Meilenstein». Damit habe eine Lücke im europäischen System zum Schutz der Grundrechte geschlossen werden können. Droht dem EGMR nun eine neue Beschwerdeflut, nachdem er im vergangenen Jahr die Anzahl der pendenten Fälle deutlich senken konnte? Daniel Höltgen, Direktor für Kommunikation des Europarates, verneint. «Der Grundrechtsschutz in den EU-Mitgliedsstaaten und im System der Europäischen Union funktioniert bereits gut», erklärt er, «und ein allfälliger Zusatzaufwand wird durch zusätzliche EU-Ressourcen einschliesslich einer weiteren Richterstelle am Gerichtshof aufgefangen.»
Wann in Strassburg die ersten EU-Fälle zu beurteilen sind, ist derzeit noch offen. Laut Höltgen wird die Beseitigung der letzten formellen Hürden noch einige Zeit in Anspruch nehmen. Im Europarat rechnet man damit, dass der Beitritt in zwei bis drei Jahren vollzogen wird. jra
Prozess gegen Anwälte geht weiter
Im Verfahren gegen 46 kurdische Anwälte (plädoyer 5/12) fand Ende März in Istanbul eine weitere Verhandung statt. Sie begann mit einer Überraschung: Laut der englischen Anwältin Margaret Owen, die den Prozess für die Website des International Criminal Law Bureau beobachtet, verkündete der vorsitzende Richter: «Angeklagte und Verteidiger, die sich wohler fühlen, wenn sie ihre Muttersprache benutzen, dürfen kurdisch sprechen. Es stehen Übersetzer zur Verfügung.»
Damit wurde erstmals ein neues Gesetz umgesetzt, das vom türkischen Parlament im Januar verabschiedet worden war. Vorher gab der Richter jeweils zu Protokoll, wenn ein Angeklagter kurdisch sprach: «Der Angeklagte äussert sich in unverständlichen Lauten.»
In der Verhandlung vom 28. März zeigten die angeklagten Anwälte und ihre Verteidiger auf, dass sie lediglich ihre Arbeit als Anwälte gemacht hätten und nicht etwa einer illegalen Organisation angehörten, wie es die Anklage behauptet.
Die Fortsetzung der Verhandlungen ist auf den 20. Juni angesetzt worden. Weitere vier angeklagte Anwälte sind inzwischen gegen eine Kaution auf freien Fuss gesetzt, 22 Anwälte ins Gefängnis zurückgebracht worden. Sie befinden sich damit bereits seit über 500 Tagen in Untersuchungshaft. ch
Vertrauen in dänische Gerichte
Am schnellsten erledigen unter den 27 Ländern der EU die erstinstanzlichen Gerichte in Litauen, Tschechien und Österreich zivil- und handelsrechtliche Streitigkeiten. Die Verfahrensdauer liegt im Durchschnitt unter 130 Tagen. Am meisten Zeit lassen sich Italien (493 Tage), Zypern (513) und Malta (849). Das ist eines der Resultate des EU-Justizbarometers. Mit diesem neuen Instrument will die Europäische Kommission laut Justizkommissarin Viviane Reding aufzeigen, «dass eine Justiz, die gut funktioniert und vertrauenswürdig ist, einem Land auch ökonomische Vorteile bringt».
Das Justizbarometer misst die Effizienz ausserhalb des Strafrechts, also in zivil- und handelsrechtlichen Verfahren, in Grundbuch-, Vollstreckungs-, Handelsregister- sowie verwaltungsrechtlichen Verfahren. Dabei stützt es sich in erster Linie auf Daten der Europäischen Kommission für effiziente Justiz (CEPEJ) des Europarats. Einbezogen wird auch das in Befragungen erhobene Vertrauen der Bevölkerung in die Unabhängigkeit des Justizsystems. Dabei zeigt sich, dass Tempo nicht mit Qualität gleichzusezten ist. Die schnellen litauischen Richter landen beim Vertrauen nur auf Rang 23, weit hinter Malta (12) und Italien (14). Die Spitzenplätze belegen Dänemark, Schweden, die Niederlande und Deutschland. tom