Staatsrecht
Parteilose statt geloste Richterinnen und Richter.
Zur Legitimation der Richterinnen und Richter in der Schweiz aus politikwissenschaftlicher Sicht. Adrian Vatter, «Justice – Justiz – Giustizia» 1/2021
Der Autor analysiert in seinem Beitrag das geltende Verfahren und die heutige Praxis der Richterbestellung in der Schweiz aus einer politikwissenschaftlichen Perspektive und macht Vorschläge zu einer Anpassung des heutigen Systems. Unter anderem eine Ausschüttung jährlicher «Richterbeiträge» durch den Bund an die Parteien anstelle der bisherigen Mandatssteuern analog der Fraktionsbeiträge.
Verwaltungsrecht
Allgemeines Verwaltungsrecht
Rechtsweggarantie und Rechtsverhältnislehre:
Eine Analyse der neueren Rechtsprechung zu Art. 29a BV, Art. 5, Art. 25 und Art. 25a VwVG. René Wiederkehr und Philipp Egli, Recht 1/2021, S. 40 ff.
Gute und wichtige Analyse zu Rechtsschutzfragen insbesondere bei Realakten und Feststellungsverfügungen. Die beiden Autoren kommen zum Schluss, dass das wichtigste Kriterium für einen durch die Rechtsweggarantie geschützten Anspruch ein «Rechtsverhältnis» ist und das «Rechtsschutzinteresse» daneben als zweitrangig einzustufen ist.
Baurecht
Erdwärmesonden an der Schnittstelle von Privatrecht und öffentlichem Recht. Leonie Dörig, Baurecht 2/2021, S. 57 ff.
Die Autorin untersucht, woraus sich das Recht ergibt, mittels Erdwärmesonden die thermische Energie des Untergrunds zu nutzen. Mit guten Argumenten kommt sie zum Schluss, dass sich dieses Recht aus dem im ZGB verankerten Nutzungsrecht des Grundeigentümers ableiten lässt. Damit verbunden ist ein massgeblicher Einfluss auf die Ausdehnung des Grundeigentums in die Tiefe. Zudem sind allfällige Nutzungskonflikte in diesem Fall nach Privatrecht zu beurteilen. Für die unterhalb dieser Grenze liegende Erdwärme liegt das Nutzungsrecht demgegenüber beim Kanton. Er kann für die Nutzung der Erdwärme durch Private eine Rechtsverleihung voraussetzen.
Die Verantwortlichkeit aus Altlasten und Boden-/Gebäudeverunreinigungen beim Baurecht. Markus Stadlin, Der Bernische Notar 1/2021, S. 34 ff.
Hinweise zur Problematik der Altlasten bei einem Baurecht.
Steuerrecht
Sondernummer: 50 Jahre Frauenstimmrecht. Diverse Autorinnen, StR 3/2021
Ausschliesslich Autorinnen widmen sich unter anderem der «frauenbenachteiligenden Familienbesteuerung», dem Weg der «Gleichberechtigung in der beruflichen Vorsorge», dem «veralteten Familienprinzip» bei den Erbschaftssteuern und der «Pink Tax», das heisst diskriminierenden Bestimmungen im Zollrecht und bei der MwSt. Der steuerrechtliche Fortschritt geht von den Frauen aus, war doch die am Ende porträtierte erste ordentliche Jus-Professorin in der Schweiz auch eine Steuerrechtlerin.
Übriges Verwaltungsrecht
PMT – Grundlagen und Kritik. Anna Coninx, Unser Recht vom 9.4.2021
Am 13. Juni 2021 stimmt die Schweiz über eine neue Terrorismusgesetzgebung ab, nachdem gegen das neue Bundesgesetz über polizeiliche Massnahmen zur Bekämpfung von Terrorismus (PMT) erfolgreich das Referendum ergriffen wurde. Die Autorin zeigt in ihrem Beitrag auf, dass unter anderem keines unserer Nachbarländer über eine so weitreichende Möglichkeit eines polizeirechtlichen Freiheitsentzugs jenseits eines Strafverfahrens verfügt. Selbst das Vereinigte Königreich, das im Nachgang an die Terroranschläge vom 11. September 2001 ähnliche Befugnisse geschaffen hatte, sei mittlerweile zurückgekrebst und erlaubt nur noch eine weniger weitgehende Form des Hausarrestes.
PMT-Gesetz: Wichtige Bestimmungen sind weder verfassungs- noch EMRK-konform. Markus Mohler, Sui generis 2021, S. 135 ff.
In seinem letzten Text zum Thema hatte sich der Autor mit der Frage der verfassungsmässigen Bundeskompetenz zum Erlass des Gesetzes über polizeiliche Massnahmen zur Bekämpfung von Terrorismus (PMT) auseinandergesetzt und diese negativ beantwortet (plädoyer 2/2021). In diesem Beitrag legt er nun dar, dass die Umschreibung «terroristische Aktivität» und damit «terroristischer Gefährder» nach Art. 23e BWIS in Bezug auf die Normbestimmtheit weder der Bundesverfassung noch der EMRK und anderen völkerrechtlichen Definitionen entspricht. Unter anderem arbeitet er einen Zirkelschluss des Gesetzes heraus: Wer nämlich in dessen Sinne als «Gefährder» gilt, wird durch den Gehalt von «terroristisch» bestimmt. Dazu wiederum wird im Gesetz ausgeführt, der «Begriff der terroristischen Gefährder lege den Kreis derjenigen Personen fest, die Adressaten der präventiv-polizeilichen Massnahmen» seien.
Berücksichtigung der Berufskosten bei Covid-19-bedingtem Homeoffice. Kevin Müller, StR 4/2021, S. 297 ff.
Guter Überblick über die unterschiedlichen Praxen der Kantone.
Staatliche Konkurrenzierung Privater mit spitalungebundenen ambulanten Leistungen. Ralph Trümpler und Iris Herzog-Zwitter, AJP 4/2021, S. 466 ff.
Der Staat trägt hinsichtlich der ambulanten Gesundheitsversorgung grundsätzlich keine Gewährleistungsverantwortung, heisst es im Beitrag. Gleichzeitig stellen die Autoren fest, dass sich in diesem Bereich öffentlich-rechtliche Spitäler mit spitalungebundenen Angeboten ausbreiten. Dies entspreche nicht der traditionellen Ordnung von privatem und staatlichem Nebeneinander. Spezifische verfassungsrechtliche Voraussetzungen müssten deshalb beachtet werden: Insbesondere seien das Legalitäts- und Spezialitätsprinzip und die Anforderungen des öffentlichen Interesses und der Verhältnismässigkeit vor Aufnahme einer spitalungebundenen ambulanten Leistungserbringung zu prüfen.
Datenschutzzweckwidrige Auskunftsbegehren im Arbeitsverhältnis. Irène Suter-Sieber, Christoph Stutz und Chiara Wirz, AJP 5/2021, S. 593–605
Die Autoren gehen in ihrem Beitrag mit Blick auf das geltende und das revidierte Datenschutzgesetz folgender Frage nach: Unter welchen Voraussetzungen kann ein im Nachgang einer Kündigung erhobenes Datenauskunftsbegehren eines Angestellten gegenüber seiner Arbeitgeberin rechtsmissbräuchlich sein?
Sozialversicherungsrecht
«So konkret wie möglich». Invaliditätsgrad in der IV, Fiktionen und die Herausforderungen der «Weiterentwicklung der Invalidenversicherung».
Michael E. Meier, Philipp Egli, Martina Filippo und Thomas Gächter, SZS 2/2021, S. 55 ff.
Die Höhe einer Rente der Invalidenversicherung (IV) richtet sich unter anderem nach der Einschätzung, welchen Erwerb der Versicherte mit seiner gesundheitlichen Einschränkung noch erzielen könnte. Nach Artikel 16 ATSG soll der dem Invaliden insofern zugemutete Erwerb so konkret wie möglich erhoben werden. Die Praxis bedient sich indessen allgemeiner Zahlen aus einer Lohnerhebung des Bundesamts für Statistik (sogenannte LSE-Tabelle). Dem einzelnen Fall – etwa Versicherten in fortgeschrittenem Alter – wird dann allenfalls Rechnung getragen, indem der Tabellenwert nach unten korrigiert wird. Die vier Autoren weisen auf die vielfachen Verzerrungen durch das (unhinterfragte) Abstellen auf die LSE-Tabellenwerte hin und zeigen gute Vorschläge für ein differenzierteres Vorgehen auf.
«Pflästerlipolitik» in der IV. Anstösse zur Revision der Invalidenversicherung aus Sicht eines Praktikers. Martin Hablützel, Jusletter vom 10.5.2021
Der Autor wirft einen kritischen Blick auf die vom Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) entworfene Revision der Verordnung über die Invalidenversicherung (IVV). Diese zementiere die heutige Praxis, welche einen Grossteil der invaliden Personen weder einzugliedern vermöge, noch finanzielle Unterstützung gewähre. Ein Abstellen auf äusserst hypothetische Tätigkeiten, fiktive Arbeitsmarktbedingungen sowie auf irrelevante Statistiken führe zum faktischen Ausschluss eines Grossteils der Betroffenen aus der Invalidenversicherung.
Strafrecht
Unternehmensspenden – ein Fall für den Staatsanwalt?
Damian K. Graf, SJZ 7/2021, S. 327 ff.
Der Beitrag untersucht, ob sich Verwaltungsräte der ungetreuen Geschäftsbesorgung (Art. 158 StGB) strafbar machen, wenn sie aus dem Gesellschaftsvermögen Spenden für karitative, soziale, kulturelle oder politische Zwecke tätigen. Eine Auseinandersetzung mit den gesellschaftsrechtlichen Vorgaben erhellt, dass das strafrechtliche Risiko zwar nicht zu überschätzen ist, der Handlungsspielraum des Verwaltungsrats gleichwohl nicht unbeschränkt ist.
Geldwäschereirisiken im Kunsthandel. Martin Kern, SJZ 8/2021, S. 375 ff.
Das Schweizer Dispositiv zur Geldwäschereiabwehr betrifft alle Personen, die mit Vermögenswerten direkt oder indirekt in Berührung kommen. Branchen wie der Kunstmarkt sind besonders anfällig, für Geldwäscherei missbraucht zu werden. Der Beitrag will aufzeigen, welche Anfälligkeiten der Kunstmarkt für Geldwäscherei aufweist.
Privatrecht
Personenrecht
Rechtfertigende Einwilligung bei mehrpersonenbetreffenden Persönlichkeitsverletzungen. Nicolas Haffter, Recht 1/2021, S. 1 ff.
Kann eine Person in eine Persönlichkeitsverletzung einwilligen, die nicht nur sie, sondern auch eine andere betrifft, zum Beispiel wenn die Presse eine Beziehung offenlegt? Der Autor begründet, weshalb dies seines Erachtens nicht geht.
Familienrecht
Familienrechtlicher Unterhalt in der neusten Rechtsprechung. Die aktuelle Rechtsprechung des Bundesgerichts zur Unterhaltsberechnung und deren Bedeutung für die Praxis. Regina E. Aebi-Müller. Jusletter vom 3.5.2021
Der Beitrag gibt eine Übersicht über die Neuerungen und fasst die nunmehr schweizweit geltenden Regeln zum ehelichen und nachehelichen Unterhalt sowie zum Kindesunterhalt zusammen.
Die Grundeigentumsverhältnisse im Konkubinat. Simon Blum, Der Bernische Notar 1/2021, S. 48 ff.
Aktuelle Ausführungen zur rechtlichen Erfassung des Konkubinats in Zusammenhang mit Grundeigentum.
Erbrecht
Der Kapitalwert der Nutzniessung und seine Bedeutung im Erbrecht. Felix Horat, Successio 1/21, S. 4–20
Der Autor zeigt in seinem Beitrag auf, was im Hinblick auf die Nachlassabwicklung zu beachten ist, wenn im Rahmen der Nachlassplanung – noch zu Lebzeiten oder von Todes wegen – unentgeltliche Nutzniessungen errichtet werden oder deren Errichtung angeordnet wird. Auch bestünden gewisse Unsicherheiten über die erbrechtlichen Auswirkungen einer solchen Gestaltung, namentlich bezüglich des Werts einer zugewandten Nutzniessung oder des damit belasteten Vermögenswerts.
Sachenrecht
Das Baurecht im Zivilgesetzbuch. Daniela Byland, Der Bernische Notar, S. 1 ff.
Überblick über das zivilrechtliche Baurecht mit aktuellen Hinweisen.
Arbeitsrecht
Arbeiten im Jobsharing. Die gemeinsame Erfüllung der Arbeitspflicht im privatrechtlichen Arbeitsverhältnis. Chiara Imelda Wirz, SJZ 5/2021, S. 215 ff.
Die Vorteile des Arbeitsmodells Jobsharing wecken hohe Erwartungen. Insbesondere gilt dies für die Möglichkeit, die eigene Arbeitszeit mitzugestalten, und die damit einhergehende Flexibilität sowie die Aussicht, mit einem Teilzeitarbeitspensum die «Karriereleiter zu erklimmen». Die Autorin untersucht, was es im Detail bedeutet, wenn die Arbeitsleistung einer Arbeitsstelle unter zwei oder mehr Personen aufgeteilt wird, und wie sich dies bei der Erfüllung der Arbeitspflicht äussert.
Untersuchungen mit und ohne behördliche oder gerichtliche Anordnung. Grenzen zwischen Informationsbeschaffung und Privatsphäre.
Roland Müller und Alexander Schuchter. Jusletter vom 12.4.2021
Bei der Untersuchung eines Verdachts auf gesetz- oder regelwidriges Verhalten eines Arbeitnehmers stellt sich die Frage, wie sich die Arbeitgeberin verhalten muss. Die beiden Autoren zeigen in ihrem Beitrag auf, wo sich die gesetzlichen Grenzen zwischen Informationsbeschaffung und Privatsphäre des Arbeitnehmers befinden und unter welchen Bedingungen diese durchbrochen werden dürfen.
Beschaffung von Beweisen und deren Verwertung im arbeitsrechtlichen Prozess. Matthias Meier und Simon Hampl. ARV, S. 1–14
Mit der fortschreitenden Digitalisierung des Arbeitsverhältnisses haben die Fälle zugenommen, in denen Beweisbeschaffungen rechtswidrig erfolgten. Entsprechende Beweismittel sind jedoch laut Art. 152 Abs. 2 ZPO im Prozess grundsätzlich nicht verwertbar. Die Autoren zeigen die Möglichkeiten und Grenzen der Beweisbeschaffung durch Arbeitgeber und Arbeitnehmer auf und weisen darauf hin, dass ein sorgfältiges Vorgehen im Hinblick auf den Ausgang des späteren arbeitsrechtlichen Verfahrens von entscheidender Bedeutung sein kann.
Verfahrens- und Vollstreckungsrecht
Strafprozessrecht
Querulatorische und rechtsmissbräuchliche Eingaben. Überlegungen zur Praxis des Bundesgerichts. Marco Weiss, AJP 5/2021, S. 640-644
Der Autor beobachtet, dass in den letzten Jahren das Bundesgericht in vereinzelten Fällen hinsichtlich querulatorischer und rechtsmissbräuchlicher Laienbeschwerden einen Modus Operandi entwickelt habe. In der Praxis falle auf, dass das höchste Gericht der Schweiz querulatorische und rechtsmissbräuchliche Beschwerden und Revisionsgesuche nicht an die Hand nimmt und in gewissen Fällen darauf hinweise, «dass weitere unzulässige Beschwerden oder Revisionsgesuche in derselben Sache kommentarlos im Dossier abgelegt werden». Das Bundesgericht begründete diese Praxis in einem aktuellen Entscheid mit seiner gerichtlichen Fürsorgepflicht.