Verfassungsrecht
Grundrechte
Individuelle Selbstbestimmung und staatliche Fürsorge (Markus Müller), ZSR 2012 I, S. 63 ff.
Der empfehlenswerte Beitrag befasst sich mit dem Dilemma des Staates zwischen freiheitsfeindlichem Paternalismus und - falls etwas «passiert» - Staatsversagen. Der Autor spricht sich auf der Basis einer interdisziplinären Betrachtung gegen eine mythische Überhöhung der Selbstbestimmung aus.
Übriges Verfassungsrecht
Zum Anwendungsbereich des bundesrätlichen Notrechts (Andreas Lienhard), ZBl 2012, S. 111.
Kritische Analyse des bundesrätlichen, auf Artikel 185 BV gestützten Vorgehens im Fall UBS. Überzeugende Argumente für eine restriktivere Anwendung des Notrechts.
Verwaltungsrecht
Ausländer- und Asylrecht
Unbegleitete Minderjährige im schweizerischen Asylverfahren (Nora Lischetti), ASYL 2012/1, S. 3-12.
Pro Jahr stellen mehrere Hundert unbegleitete Minderjährige ein Asylgesuch in der Schweiz. Die Autorin weist darauf hin, dass das schweizerische Asylverfahren in mancherlei Hinsicht nicht kindsgerecht ausgestaltet ist. Die hohe Zahl negativer Entscheide bei dieser besonders verletzlichen
Gruppe zeigt aber auch, dass der enge Flüchtlingsbegriff den von Kindern geltend gemachten Fluchtgründen zu wenig Rechnung trägt.
Medien- und Kommunikationsrecht
Das Dilemma der Journalisten (Dominique Strebel), medialex 1/12, S. 1 f.
Das Bundesgericht hat die Messlatte für das korrekte Melden von Missständen am Arbeitsplatz hoch gesteckt und klar gemacht: Medienschaffende dürfen nicht die erste Anlaufstelle von Whistleblowern sein. Deshalb haben einzelne Verlage Internetplattformen eingerichtet, auf denen sich Betroffene anonym melden können. Ansonsten sind die Medienschaffenden gehalten, Whistleblower an Anwälte zu verweisen, die dann die Informationen an die Medien weitergeben. Der Autor erachtet die Anlaufstelle der Bundesverwaltung für das Anzeigen interner Missstände als vorbildlich. Für die Privatwirtschaft verlangt er die förderliche Behandlung der Gesetzesvorlagen, die Betroffenen erlauben, an externe Einrichtungen zu gelangen, wenn es innerhalb eines Betriebes keine Anlaufstelle gibt.
Strafrecht
Allgemeiner Teil
Die Rückerstattung von Potentatengeldern (Flavia Bianchi / Stefan Heimgartner), AJP 2012, S. 353 ff.
Die Zielsetzung des Bundesgesetzes über die Rückerstattung unrechtmässig erworbener Vermögen
politisch exponierter Personen (RuVG) wird begrüsst, doch es verfügt über erhebliche rechtsstaatliche Defizite.
Privatrecht
Familienrecht
Ausgleich ausserordentlicher Leistungen zwischen den Eheleuten (Elisabeth Schönbucher Adjani), AJP 2012, S. 309 ff.
An drei Beispielen erläutert die Autorin Möglichkeiten und Probleme des Leistungsausgleichs und formuliert für Praktiker hilfreiche Merksätze.
Wissenschaftlich fundierte Abklärungen im Kindesschutz: Überblick über den internationalen Entwicklungsstand und ein Ausblick in die Schweiz (Daniel Lätsch), KE 2012, S. 1 ff.
Der Autor, ein Psychologe, stellt nach einem allgemeinen Überblick drei Abklärungsinstrumente näher vor und erörtert Vor- und Nachteile systematisierter Abklärung im Kindesschutz.
Scheidungsunterhalt: Berechnungs- und Bemessungsmethoden (Heinz Hausheer),
ZSR 2012 I, S. 3 ff.
Die Auffassungen des Verfassers, der sich fast ausschliesslich selber zitiert, sind hinlänglich bekannt. Hilfreich sind die Hinweise auf die neuere Rechtsprechung.
Sachenrecht
Der neue Register-Schuldbrief und sein Einsatz (David Dürr), SJZ 2012, S. 133 ff.
Das Augenmerk liegt auf den praktisch relevanten Einsatzformen der Sicherungsübereignung und der Verpfändung. Der Register-Schuldbrief wird dabei mit dem weiterhin bestehenden Papier-Schuldbrief verglichen und die Gegenüberstellung durch Grafiken veranschaulicht.
Handelsregister und Grundbuch: Besonderheiten und Gemeinsamkeiten (Roland Pfäffli), Der Bernische Notar 1/2012, S. 253 ff.
Der Artikel vergleicht Handelsregister und Grundbuch aus notarieller Sicht und geht näher auf die Prokura im Hinblick auf die Unterzeichnung einer Grundbuchanmeldung ein.
Obligationenrecht
Allgemeiner Teil
Revision der Verjährungsbestimmungen (diverse Autoren), HAVE 2012, S. 70 ff.
Das HAVE-Forum befasst sich mit dem Vorentwurf zur Totalrevision des Verjährungsrechts, wobei wie üblich verschiedene Aspekte aus unterschiedlicher Sicht diskutiert werden.
Kauf- und Mietrecht
Ausserordentliche Kündigungen ausserhalb des mietrechtlichen Katalogs (Irène Spirig),
mp 2/2012, S. 1 ff.
Basierend auf einem Referat am Mietrechtstag befasst sich der Aufsatz kritisch mit der bundesgerichtlichen Abgrenzung der ausserordentlichen Kündigungstatbestände. Die Autorin untersucht, ob Gesetzeslücken vorliegen oder ob die allgemeinen Regeln des Obligationenrechts über die vorzeitige Kündigung ergänzend zur Anwendung kommen.
Der indexierte Mietzins (Beat Rohrer), MRA 1/12, S. 1 ff.
Gesetz und Verordnung regeln bei indexierten Mietverträgen nicht alle Dispute. Einige praxisrelevante Fragen hat die Rechtsprechung geklärt, ein Teil wurde in der Lehre kontrovers diskutiert. Der Autor liefert einen Überblick über den Stand der Diskussion zu einzelnen Anpassungskriterien wie formelle Anforderungen, Herabsetzungsanspruch des Mieters bei rückläufiger Indexentwicklung u.Ä.
Arbeitsvertragsrecht
Berechnung der Kündigungsfristen im Arbeitsvertragsrecht (Thomas Geiser),
Recht 2012, S. 1.
Der Autor weist nach, dass die juristische Auslegungslehre nicht immer ganz logisch ist. Für ein und dasselbe Problem wird einmal von vorne nach hinten und einmal von hinten nach vorne gerechnet. Im Einzelfall kann es sich lohnen, Geisers Kritik genauer zu studieren und entsprechend zu argumentieren. Vielleicht ändert das Bundesgericht ja seine Praxis - bewusst oder unbewusst.
Checklisten für die Auswirkungen von Stellenwechsel und Entlassung auf die einzelnen Sozialversicherungszweige (Ueli Kieser), Recht 2012, S. 10 ff.
Praktische Zusammenstellung, auf dass man nichts vergisst.
Haftpflichtrecht
Vorprozessuale Anwaltskosten - es führt kein Weg an der Substanziierung vorbei (Markus Borle),
HAVE 2012, S. 3 ff.
Vor dem Hintergrund des Bundesgerichtsurteils 4A_127/2011 erläutert der Autor die Anforderungen an die Substanziierung aus Sicht der Versicherungen. Er empfiehlt, die Kostenübernahme von gewissen Aufwendungen vorgängig mit der Haftpflichtversicherung abzusprechen und allenfalls Kostengutsprache zu erwirken.
Anwendbarkeit der Überwindbarkeitsrechtsprechung im Haftpflichtrecht (Bruno Schatzmann), HAVE 2012, S. 12.
Wie erwartet fordern die Privatversicherer die Übernahme der neueren Bundesgerichtspraxis zur sozialversicherungsrechtlichen Behandlung von HWS-Traumata ins private Haftpflichtrecht. Der Beitrag zeigt ihre Argumente.
Der Persönlichkeitsschutz im Arbeitsverhältnis im Lichte von Auskunftspflichten des Sozialhilferechts am Beispiel des Kantons Bern (Daniel Kettiger), jusletter vom 2. April 2012
Eine Änderung des bernischen Sozialhilfegesetzes verpflichtet Arbeitgeber von Sozialhilfebezügern zur Information gegenüber Sozialbehörden und anderen Organisationen. Der Aufsatz zeigt auf, dass diese Verpflichtung bundesrechtswidrig ist und deshalb nicht angewendet werden darf.
Handels- und Wirtschaftsrecht
Gesellschaftsrecht
Das Gesellschaftsrecht 2011 (Walter A. Stoffel), SZW 2012 Nr. 1, S. 45 ff.
Gewohnt kompetenter Überblick über die gesellschaftsrechtlichen Entscheidungen in Bund und Kantonen des Jahres 2011. Fundgrube für Gesellschaftsrechtler.
Verfahrens- und Vollstreckungsrecht
Öffentliches Verfahrens- und Prozessrecht
Beschleunigungspotentiale im öffentlichen Verfahrensrecht (Benjamin Schindler), AJP 2012, S. 13 ff.
Der Autor postuliert eine Reform der allgemeinen Verfahrensgesetze. Er spricht sich für mehr Mündlichkeit und die generelle Möglichkeit aus, besonders dringliche Geschäfte in einem beschleunigten Verfahren zu behandeln, und befürwortet eine standardisierte Offenlegung der zu erwartenden Verfahrensdauer. Interessante Ideen, die Fragen aufwerfen dürften.
Strafprozessrecht
Strafprozessuale «Bank-Editionen»: Die Rechtlosigkeit des Kontoinhabers und der beschuldigten Person (Bernhard Isenring / Martin A. Kessler), AJP 2012, S. 322 ff.
Angesichts von Rechtsschutzdefiziten postulieren die Autoren, dass von Strafbehörden verfügte Editionen von Bankunterlagen als Zwangsmassnahmen qualifiziert werden und die Legitimation zur Siegelung editierter Bankunterlagen auch dem Kontoinhaber zuerkannt wird.
Akteneinsicht von Versicherungen im Strafverfahren - Wer gewährt sie, welches sind die gesetzlichen Grundlagen und können Gebühren dafür erhoben werden? (Nadine Zurkinden) AJP 2012, S. 333 ff.
Überblick über die verschiedenen Rechtsgrundlagen der Akteneinsicht von Versicherungen und das Verhältnis zueinander.
Zur Zulässigkeit von Antennensuchläufen (Thomas Hansjakob), jusletter vom 5.3.2012
Der Verfasser kritisiert die Auffassung des Bundesgerichts, wonach Antennensuchläufe als Rasterfahndungen zu qualifizieren sind, die zur Aufklärung von Verbrechen nur zulässig seien, wenn von vornherein klar sei, dass lediglich einige wenige konkrete Zielpersonen identifiziert werden könnten.
Zivilprozessrecht
Vollstreckung im Niemandsland: Beschwerdefähige Entscheide zwischen Entscheideröffnung und Zustellung der schriftlichen Begründung (Daniel Staehelin / Eva Bachofner), jusletter vom 16.4.2012
Gemäss ZPO können Entscheide, gegen die nur ein Rechtsmittel ohne gesetzliche Suspensivwirkung zur Verfügung steht, ohne Begründung eröffnet werden. Die Autoren prüfen, ob solche Entscheide bereits vollstreckbar sind und wie die Vollstreckbarkeit allenfalls aufschiebbar ist.