Verfassungsrecht
Kantonale Aufsicht über die Staatsschutztätigkeit (Markus Müller / Christoph Jenni), ZBl 2012, S. 2 ff.
Der Beitrag zeigt, dass die Aufsicht heute lückenhaft geregelt ist. Als Lösung schlagen die Autoren die vollständige Übernahme der Aufsichtstätigkeit durch den Bund oder die Verstärkung des kantonalen Aufsichtsdispositivs vor. So könnte ein separates, verwaltungsinternes Kontrollorgan geschaffen und allenfalls zusätzlich eine mit der eidgenössischen Geschäftsprüfungsdelegation vergleichbare ständige Oberaufsichtsdelegation eingerichtet werden.
Verwaltungsrecht
Umwelt-, Bau- und Planungsrecht
Zum Vollzug des Umweltrechts im Kanton Graubünden - Bericht aus der Praxis
(Veronika Huber-Wälchli), URP 8/2011, 1. Teil, S. 819 ff.
Die im Amt für Natur und Umwelt Graubünden tätige Autorin stellt den Vollzug des Umweltrechts in diesem Kanton dar. Der Vollzug des Umweltrechts erfolgt teilweise durch den Kanton, teilweise aber auch durch die Gemeinden. Spezielle Vollzugslösungen gibt es im Kanton Graubünden namentlich bei der Ausscheidung von generellen Grundwasser- und Quellschutzzonen, der Bewertung von Beeinträchtigungen schutzwürdiger Biotope mittels einer Punktetabelle oder beim Transportkostenausgleich für Siedlungsabfälle.
Medien- und Kommunikationsrecht
Medienfreiheit im Internet kleingeschrieben. Kritische Überlegungen zur Aufsichtskompetenz des Bakom im Bereich des übrigen publizistischen Angebots der SRG (Christoph Beat Graber / Andrea Kerekes), sic! 1/2012, S. 12 ff.
Laut Bundesverwaltungsgericht stehen die Onlineportale der SRG unter der inhaltlichen Aufsicht des Bundesamts für Kommunikation Bakom (A-6603/2010). Der Artikel kritisiert, dass es dafür an einer gesetzlichen Grundlage mangle. Zudem verstosse die verwaltungsabhängige Aufsicht gegen die in der Bundesverfassung und EMRK verankerte Medienfreiheit. Die Inhaltskontrolle müsse von einer unabhängigen Instanz wahrgenommen werden, was bei der künftigen Gesetzgebung zu berücksichtigen sei. Das bestehende RTVG ist nicht auf das Umfeld des Internets zugeschnitten.
Steuerrecht
Einflüsse von EMRK und Verfassungsrecht auf das schweizerische Steuerstrafrecht (Andreas Donatsch / Irene Arnold), Steuerrevue 2012, S. 33 ff. und 82 ff.
Die Autoren halten fest, dass die Doppelverfolgung von Steuerdelikten (ne bis in idem) und die Pflicht zur Selbstbelastung (nemo tenetur) «mit einiger Wahrscheinlichkeit» zu einer Verurteilung der Schweiz in Strassburg führen könnte.
Die steuerliche Behandlung des Einkaufes und des Kapitalbezugs von Vorsorgeleistungen (Roman Blöchlinger), Steuerrevue 2012, S. 92 ff.
Interessanter Aufsatz zu allen möglichen Formen des Einkaufs in die 2. und 3. Säule und des Kapitalbezugs daraus. Der Autor untersucht verschiedene Konstellationen im Hinblick auf den möglichen Vorwurf der «Steuerumgehung».
Übriges Verwaltungsrecht
Organtransplantation zwischen Integritätsschutz und Drittinteressen (Birgit Christensen / Margot Michel), jusletter vom 30. Januar 2012
Die Autorinnen prüfen den Vorentwurf für die Teilrevision des Transplantationsgesetzes hinsichtlich der Frage, welche Auswirkungen die Neuerungen in Bezug auf die Rechtsposition der potenziellen Organspender haben.
Sozialversicherungsrecht
Soziale Sicherheit zwischen Verrechtlichung und Fortentwicklung - Die Rechtsprechung des EGMR zum Leistungsabbau im Sozialversicherungsrecht (Matthias Kradolfer), ZBl 2012, S. 53 ff.
Der Beitrag befasst sich mit der relativ jungen EGMR-Praxis zu diesem Bereich und analysiert Auswirkungen auf die Schweiz. Geprüft werden die Konsequenzen einer Ratifizierung des ersten Zusatzprotokolls zur EMRK durch die Schweiz.
AHV, IV, EL und ALV
Vermeidung von Altersarmut mit Ergänzungsleistungen (Rudolf Tuor), SZS 56/2012, S. 3-27
Die Ergänzungsleistungen vermögen nicht mehr in allen Bereichen den aktuellen Bedürfnissen im Alter gerecht zu werden. Insbesondere bei den anrechenbaren Mietzinsen und Pflegekosten gibt es Anpassungsbedarf.
La coordination entre assurance-invalidité et assurance-chômage, un mythe? (Jean-Louis Duc)
SZS 56/2012, S. 28-43
Übersicht über das nicht immer einfache Zusammenspiel von Arbeitslosen- und Invalidenversicherung, insbesondere des für beide Versicherungen wichtigen Begriffs des Arbeitsmarkts.
KVG und UVG
Der «Datenschutz» im KVG und die fragwürdige «WZW-Überprüfung» im SwissDRG-System (Sonja Andrea Fünfkirchen), jusletter vom 30. Januar 2012
Nach Auffassung der Autorin stellt die Wirtschaftlichkeitsüberprüfung eines der Kernprobleme im KVG dar. Dabei vertritt sie die Hypothese, dass die Überprüfung anhand der analytischen Methode im Fallpauschalen-System SwissDRG weder sinnvoll noch zweckmässig ist. Ferner sollte die Verhältnismässigkeit in Bezug auf die systematisch gekoppelte Übermittlung von Rechnungsdaten und medizinischen Daten kritisch hinterfragt werden. Ziemlich komplex, aber interessant.
Strafrecht
Besonderer Teil
Die Strafbarkeit von «Phishing» nach StGB (Daniel Stucki), jusletter vom 9. Januar 2012
Strafbarkeit des sogenannten «Phishing», bei dem das Opfer per E-Mail aufgefordert wird, Zugangsdaten zu Onlinebanking-Portalen, Kreditkartendaten oder dergleichen preiszugeben.
Privatrecht
Familienrecht
Informations-, Anhörungs- und Auskunftsrecht des nicht sorgeberechtigten Elternteils (Thomas Geiser), FamPra 1/2012, S. 1 ff.
Der Beitrag - Abdruck eines Vortrags - zeigt auf, welche Folgen das Auskunftsrecht des nicht sorgeberechtigten Elternteils für Schulen, Lehrbetriebe, Ärzte, Spitäler, Angestellte, Au-pairs, Banken, Treuhänder und Vermögensverwalter hat. Er vermittelt einen Überblick über die Rechte beider Elternteile. Obwohl dem nicht sorgeberechtigten Elternteil umfassende Informations-, Anhörungs- und Auskunftsrechte zustehen, wird die Durchsetzung in der Praxis schwierig sein, soweit der sorgeberechtigte Elternteil und das Kind Adressaten dieser Rechte sind.
Zur Abänderung von Kinderalimenten (Daniel Summermatter), FamPra 1/2012, S. 38 ff.
Der Autor, Gerichtspräsident im Kanton Bern, bespricht - anhand der jüngsten Rechtsprechung des
Bundesgerichts zu einigen zentralen Aspekten der Abänderung von Kinderalimenten - die angekündigten Weichenstellungen in der höchstrichterlichen Rechtsprechung. Aufgezeigt werden wichtige prozessuale Fragen, namentlich mit Bezug auf die Anwendung der ZPO sowie der Untersuchungs- und Offizialmaxime.
Inter- und Transdisziplinarität in der Familienwissenschaft aus der Perspektive des Familienrechts (Michelle Cottier), FamPra 1/2012, S. 65 ff.
Der Beitrag aus der Festschrift für Ingeborg Schwenzer thematisiert Neuerungen im Bereich des Unterhaltsrechts, der eingetragenen Lebenspartnerschaft sowie der nichtehelichen Lebensgemeinschaft im deutschen Familienrecht.
Die familienbezogene Rechtsprechung der sozialrechtlichen Abteilungen des Bundesgerichts im Jahre 2010 (Susanne Leuzinger-Naef), FamPra 1/2012, S. 92 ff.
Auch im Berichtsjahr lag ein Schwergewicht der bundesgerichtlichen Rechtsprechung auf der Schnittstelle von Familien- und Sozialrecht im Vorsorgeausgleich. In der Rechtsprechung spiegeln sich zudem die Gesetzesänderungen im Jahre 2010: Mutterschaftsentschädigung, gesamtschweizerische Kinderzulagen, neu geregelte Begünstigung von Lebenspartnerschaften in der beruflichen Vorsorge. Auf Konkubinate entfällt eine ganze Reihe von Entscheiden, die deren geringe rechtliche Bindung im Falle von Bedürftigkeit aufzeigen.
«Angeordnete Beratung» - ein neues Instrument zur Beilegung von strittigen Kinderbelangen vor Gericht (Karin Banholzer / Regula Diehl / Andreas Heierli / Anne Klein / Jonas Schweighauser),
FamPra 1/2012, S. 111 ff.
Seit rund drei Jahren existiert in Basel der interdisziplinäre Arbeitskreis «Netzwerk Kinder» mit allen Professionen, die in schwierigen familiären Konflikten mit kindesrechtlichen Fragen zu tun haben. Das Netzwerk hat nun ein neues Instrument entwickelt, die sogenannte angeordnete Beratung, ein auf Basler Institutionen zugeschnittenes standardisiertes Verfahren zur Konfliktdeeskalation. Der Beitrag stellt das neue Interventionsinstrument vor.
Haftpflichtrecht
Auswirkungen des Produktsicherheitsgesetzes auf das Privatrecht (Theodor Bühler), SJZ 2012, S. 45 ff.
Unter dem Produktsicherheitsgesetz müssen Hersteller im Schweizer Markt und in der EU nach denselben Sicherheitsstandards produzieren. Auf diese Weise lässt sich das Risiko einer Produkthaftung im In- und Ausland minimieren. Der Autor analysiert Bedeutung und Tragweite wichtiger Begriffe des Gesetzes und zeigt besondere Herstellerpflichten auf, namentlich die Produktbeobachtungspflicht und die Haftpflicht für gefährliche Produkte.
Kauf- und Mietrecht
Verdacht als Mangel (Arnold F. Rusch), AJP 2012, S. 44 ff.
Der Beitrag befasst sich mit der Einordnung des Verdachts in den Sachmängelbegriff, wobei der Unterscheidung zwischen dem Verdacht eines Mangels und dem Verdacht als Mangel wesentliche Bedeutung zukommt.
Das mietrechtliche Schlichtungsverfahren in der Zivilprozessordnung (Richard Püntener), mp 4/2011, S. 243 ff.
Der Beitrag nimmt eine erste Beurteilung vor und weist auf Baustellen und Stolpersteine hin. Der Autor beleuchtet Probleme wie die Säumnisregelung, die Einschränkung der Untersuchungsmaxime, den Wegfall des Schlichtungsversuchs bei der Aberkennungsklage oder die Kostenfrage und wagt abschiessend einen kritischen Diskurs mit den Lehrmeinungen. Ein Must für im Mietrecht Tätige.
Arbeitsvertragsrecht
Internet- und E-Mail-Überwachung am Arbeitsplatz (Giordano Costa), jusletter vom 9. Januar 2012
Guter Überblick über den aktuellen Rechtsstand. Danach dient die personenbezogene Auswertung der Logfiles nicht der Feststellung eines Missbrauchs oder der Begründung eines konkreten Missbrauchverdachts, sondern der Identifikation des verantwortlichen Arbeitnehmers. Dabei darf das Arbeitnehmerverhalten retrospektiv über eine längere Zeitspanne offengelegt werden. Spionageprogramme oder ständige namentliche Auswertungen sind hingegen nicht zulässig.
La responsabilité civile de l'employeur, y compris en ce qui concerne les actes de ses organes et auxiliares (Rémy Wyler), ARV 4/2011, S. 249-259
Persönlichkeitsverletzungen am Arbeitsplatz werden in aller Regel von Hilfspersonen oder Organen des Arbeitgebers begangen. Inwiefern haftet der Arbeitgeber (in der Regel eine juristische Person) für deren Handlungen?
Recht auf entlöhnte Stillpausen - quo vadis? (Jakob Ueberschlag) ARV 4/2011, S. 260-262
Die vom Arbeitsgesetz vorgeschriebenen Stillpausen müssen de lege lata nicht entlöhnt werden. Das Parlament will dies ändern. Kritik am geplanten Vorgehen und Vorschlag für eine gesetzliche Regelung im OR.
Werkvertrags- und Auftragsrecht
Das Werkvertragsrecht in den Entscheiden des Bundesgerichts in den Jahren 2008-2011 (Roland Hürlimann / Thomas Siegenthaler), jusletter vom 6. Februar 2012
Guter Überblick über die neuste bundesgerichtliche Rechtsprechung zum Werkvertragsrecht.
Die KBOB-Vorlagen für GU- und TU-Verträge (Eduard Tüscher), Baurecht 2011, S. 268 ff.
Die Vertragsvorlagen der KBOB werden von der öffentlichen Hand systematisch ohne grössere Abweichungen eingesetzt. Die Absicht der KBOB war, soweit erforderlich von der SIA-Norm 118 abzuweichen, um bestellerfreundliche Vertragsvorlagen zu erstellen. Der Autor erläutert die wesentlichen Bestimmungen der GU-/TU-Musterverträge.
Notariats- und Grundbuchrecht
Rechtsprechung und ausgewählte Rechtsfragen 2011 (Roland Pfäffli), Der Bernische Notar 4/2011, S. 185 ff.
Aktuelle Fälle und Entwicklung in allen Rechtsbereichen, die für einen praktizierenden Notar von Bedeutung sind (vor allem Notariatsrecht, Sachen- und Erbrecht, Grundbuchrecht, Gesellschaftsrecht, Handelsregisterpraxis). Interessant sind die Zusatzbemerkungen, die sich allerdings häufig auf den Kanton Bern beziehen.
Handels- und Wirtschaftsrecht
Wettbewerbs- und Kartellrecht
Die UWG-Revision vom 17. Juni 2011 im Überblick (Ahmet Kut / Demian Stauber), jusletter vom 20. Februar 2012
Präsentation der Neuerungen der am 1. April 2012 beziehungsweise (Art. 8 UWG) per 1. Juli 2012 in Kraft tretenden UWG-Revision.
Banken- und Börsenrecht
Finanzprodukte - Auftrag oder Kauf? (Mirjam Eggen) SZW 2011, Nr. 6, S. 625 ff.
Welche Rechtsnormen sind auf die Beziehung zwischen Kunden und Finanzdienstleistern und auf die in solchen Vereinbarungen Bezug nehmenden Finanzprodukte anwendbar? Nicht ganz erstaunlich kommt die Autorin zum Schluss, dass die zivilrechtliche Einordnung der Rechtsverhältnisse beim Vertrieb von Finanzprodukten nur gestützt auf die Sachverhalte im Einzelfall vorgenommen werden kann. Die zivilrechtliche Praxis zu den Pflichten von Finanzdienstleistern hat sich aber während der vergangenen Jahre nicht ausreichend entwickelt, um sich von einer Einzelfallbetrachtung zu berechenbaren Regeln zu verdichten. Sie spricht sich deshalb für die Ausdehnung und Ergänzung der aufsichtsrechtlichen Verhaltensvorschriften aus. Die neu zu erlassenden Vorschriften hätten aber gemäss Autorin Eingriffe in das Zivilrecht nur in begründeten Fällen vorzunehmen.
Verfahrens- und Vollstreckungsrecht
Strafprozessrecht
Sicherheitsgesellschaft und psychiatrische Begutachtungspraxis in Strafverfahren (Stephan Bernard), jusletter vom 13. Februar 2012
Der Verfasser erhebt grundlegende Einwände gegen die heutige psychiatrische Begutachtungspraxis, wobei namentlich drei Aspekte angesprochen werden: Der übermässige Einfluss eines «Experten» auf die Urteilsfindung, die faktisch eingeschränkten Kontrollmöglichkeiten der Verteidigung sowie die mangelhaften gesetzlichen Grundlagen.
Schnittstellenfragen der Schweizerischen Strafprozessordnung (Daniel Kettiger), jusletter vom 13. Februar 2012
Der Autor erläutert strukturelle Mängel der neuen Gesetzgebung, die sich bei der Umsetzung in den Kantonen und in ersten Anwendungsfällen gezeigt haben, und zeigt Optimierungsmöglichkeiten auf.
Kosten kosten - Geld und Nerven, Anmerkungen zu den Vorschriften der StPO betreffend Verfahrenskosten (Jürg Bähler / Christof Riedo), jusletter vom 13. Februar 2012
Der praxisnahe Beitrag zeigt auf, dass die Vorschriften über die Verfahrenskosten in der neuen StPO teilweise nicht genügend klar sind. Die Autoren versuchen, auf einige Fragen eine Antwort zu finden.
Zivilprozessrecht
Zur Schiedsfähigkeit familienrechtlicher Angelegenheiten (Maurice Courvoisier), FamPra 1/2012, S. 20 ff.
Inwiefern Schiedsverfahren in familienrechtlichen Angelegenheiten nutzbar gemacht werden können oder sollen, war in der Schweiz bisher kein Thema. Anders im (englischsprachigen) Ausland, insbesondere in den USA. Dort gilt ein Familienschiedsverfahren als wünschbare Alternative. Der Autor resümiert, dass Statusfragen (noch) zum staatlichen Rechtsprechungsmonopol gehören, vermögensrechtliche Ansprüche zwischen Ehegatten und eingetragenen Partnerinnen und Partnern hingegen durchaus schiedsfähig seien. Den Kinderunterhalt ortet er «auf der Kippe».