Verfassungsrecht
Grundrechte
Einmal ist kein Mal – Strafen in Portionen. Martin Wyss, ZBl 2017, S. 469 f.
Mit der vorbehaltlosen Ratifikation des 7. Zusatzprotokolls zur EMRK hat die Norm ne bis in idem Aufnahme in den schweizerischen Grundrechtskatalog gefunden. Diese Norm wirft jedoch mehr Schwierigkeiten auf, als man zunächst meinen würde. In einem Strassburger Fall, der die Schweiz betraf, ging es um eine Geschwindigkeitsübertretung. Der Beschwerdeführer wurde für die gleiche Handlung sowohl mit einer Geldbusse von 600 Franken als auch mit einem einmonatigen Führerausweisentzug bestraft. Die Dritte Kammer gelangte dennoch zur Ansicht, dass die Schweiz Artikel 4 des 7. Zusatzprotokolls nicht verletzte. Denn die Sanktion verfolge ja andere Zwecke.
Übriges Verfassungsrecht
Die unmittelbare Anwendbarkeit von Verfassungsnormen. Mathias Kaufmann, Jusletter vom 16.10.2017.
Die Frage nach der unmittelbaren Anwendbarkeit von Rechtssätzen stellt sich nicht nur im Völkerrecht, sondern auch im Verfassungsrecht – und dies in letzter Zeit vermehrt. Der Autor weist darauf hin, dass es weitgehend unklar sei, was unter unmittelbarer Anwendbarkeit genau zu verstehen sei, wie man den «Realisierungsmodus» von Verfassungsnormen identifiziere und welche Konsequenzen sich aus dem jeweiligen Befund ergäben. Vor dem Hintergrund fünf jüngerer Leitentscheide des Bundesgerichts gibt der Autor ausführlich Antwort auf diese Fragen.
Verwaltungsrecht
Allgemeines Verwaltungsrecht
Die Kontrolle des Verwaltungshandelns.
Felix Uhlmann, ZBl 2017, S. 471 ff.
Der Beitrag geht auf verschiedene Formen der Verwaltungskontrolle ein. Diese wurden in den letzten Jahren tendenziell erweitert. Der Autor fordert, dass die Verwaltungskontrolle nicht blind ausgebaut wird, sondern nach dem blinden Fleck derselbigen gesucht wird. Der Ausbau der Verwaltungskontrolle bringe nicht nur eine Vermehrung der Kontrollierenden, sondern auch ihrer Prüfungsmassstäbe mit sich. Ein eigentliches Verwaltungskontrollrecht müsse der Frage nachgehen, was gutes Verwaltungsverhandeln sei und wie diese Erwartungen zweckmässig durchgesetzt werden könnten.
U löht öich nüt la gfaue. Nie, nie, nie! Markus Müller, ZBl 2017, S. 527 f.
In seinem Beitrag befasst sich der Autor mit dem Verwaltungsrechtsschutz. Er ist der Ansicht, das schutzbedürftige Individuum gebe es nach wie vor, zu ihm geselle sich aber ein zunehmend schutzbedürftiges Gemeinwesen. Zwischen dem Bürger und Staat sei daher Waffengleichheit herzustellen, wofür das geltende Prozessrecht die Grundlage liefere. Dieses knüpfe das Beschwerderecht ganz generell an die Betroffenheit der beschwerdeführenden Partei. Danach sei legitimiert, wer die Schutzwürdigkeit seiner Betroffenheit in ihren drei Teilgehalten darzulegen vermöge – unabhängig davon, ob es sich dabei um eine Privatperson oder eine öffentlich-rechtliche Körperschaft handle.
Ausländer- und Asylrecht
Identifizieren, Schützen, Unterstützen: Neue Rechtsprechung des EGMR zum Opferschutz bei Menschenhandel. Nula Frei, Asyl 3/17, S. 15–22.
Der Beitrag beleuchtet die Identifizierungs-, Schutz- und Unterstützungspflichten von Staaten gegenüber Opfern von Menschenhandel nach Art. 4 EMRK und dem Übereinkommen des Europarats zur Bekämpfung des Menschenhandels (EMK). Drei neuere Urteile aus Strassburg werden hierzu ausführlich besprochen: L.E. c. Griechenland (Januar 2016), J. u.a. c. Österreich (Januar 2017) und Chowdhury c. Griechenland (März 2017). Es wird kritisch aufgezeigt, inwieweit der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in seinen Urteilen den Vorgaben des EMK folgt beziehungsweise diese als im Verbot der Sklaverei, Leibeigenschaft und Zwangsarbeit nach Art. 4 EMRK enthalten erkennt.
Die Relevanz von Krankheit oder Behinderung für die Flüchtlingseigenschaft und für das Refoulement-Verbot gemäss Art. 3 EMRK.
Fanny de Weck und Stephanie Motz, Asyl 3/17, S. 9–14.
Dieser Beitrag bespricht sowohl die EGMR-Rechtsprechung in Fällen von Personen mit Behinderung oder schwerer Krankheit als auch die flüchtlingsrechtliche Rechtsprechung angelsächsischer Staaten in solchen Fällen. In Strassburg wurde die Rechtsprechung in medizinischen Fällen unter dem Refoulement-Verbot nach Art. 3 EMRK in dem neusten Grundsatzurteil in der Rechtssache Paposhvili gegen Belgien (Dezember 2016) neu ausgewertet. Nach fast zwanzig Jahren einer sehr restriktiven Praxis in diesem Bereich hat der EGMR den Massstab nun etwas gesenkt, der Refoulement-Schutz bleibt jedoch auf aussergewöhnliche Fälle beschränkt.
Dem gegenübergestellt wird die flüchtlingsrechtliche Rechtsprechung Kanadas, Neuseelands, Australiens, Irlands und der USA. Dort werden schwere Krankheit oder Behinderung als Verfolgungsmotive anerkannt. Die Rechtsprechung hat aufgrund von Diskriminierung oder mangelnder Gesundheitsversorgung in Einzelfällen auch die verlangte Intensität der Verfolgung festgestellt. Der Beitrag zeigt mögliche Auswirkungen auf die schweizerische Rechtsprechung auf.
Umwelt-, Bau- und Planungsrecht
Vier Beiträge zur Umsetzung der Aarhus-Konvention. Diverse Autoren, URP 5/2017, S. 459 ff.
Der erste Aufsatz mit dem Titel «Adaptation des législations cantonales sur la transparence à la Convention d’Aarhus – L’exemple de Fribourg» befasst sich unter anderem mit der Umsetzung der Konventionsvorgaben im Kanton Freiburg, beim Bund und den dabei feststellbaren Unterschieden.
Der zweite Artikel «Convention d’Aarhus: la ‹jurisprudence› du Comité d’examen du respect des dispositions» diskutiert die Entscheide des «Aarhus Convention Compliance Committee» (ACCC), welche eine «quasi-richterliche» Grundlage für die Auslegung der Aarhus-Konvention darstellen.
Im dritten Artikel untersucht Daniela Turnherr Gerichtsentscheidungen auf Bundesebene im Zusammenhang mit der Aarhus-Konvention «Die Aarhus-Konvention in der Rechtsprechung des Bundesgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts – Eine Spurensuche». Der letzte Artikel – «Die Umsetzung der Aarhus-Konvention in der Europäischen Union: Doppelter Schutzstandard oder zweierlei Mass?» – befasst sich mit der Umsetzung der Konvention in der EU.
Steuerrecht
Der systematisch korrekte und faire Eigenmietwert.
Nico Thommen, Steuerrevue 2017, S. 640 ff.
Falls sich die Politik auf die Rahmenbedingungen einigen kann, könnte der Eigenmietwert nächstens abgeschafft werden. Der Autor befürwortet diese Abschaffung, schlägt jedoch zusätzlich eine einleuchtende, schweizweit einheitliche Berechnungsweise vor, falls die Abschaffung doch nicht klappen sollte.
Sozialversicherungsrecht
Der Begriff der Therapieresistenz bei unipolaren depressiven Störungen aus medizinischer und aus rechtlicher Sicht. Eine Standortbestimmung im Nachgang zu BGE 9C_13/2016.
Roman Schleifer et al., Have 3/17, S. 266–274.
Elf Autoren befassen sich in ihrem Beitrag, der mit interessanten und übersichtlichen Grafiken gespickt ist, mit der bundesgerichtlichen Rechtsprechung zur allfälligen invalidisierenden Wirkung bestimmter depressiver Störungen. Für das Bundesgericht steht dabei im Zentrum, ob die betreffende Einschränkung therapieresistent ist. Das Bundesgericht legt dar, dass es sich um seltene Konstellationen handle, in denen bei Depressionen leichter oder mittelgradiger Natur eine Therapieresistenz bestehe. Im Beitrag wird aus medizinischer Sicht eine Definition der chronischen depressiven Störung und der therapieresistenten Depression gegeben.
AHV, IV, EL und ALV
Digitalisierung und Sozialversicherung. Einige Gedanken zum Umgang mit neuen Technologien in der Arbeitswelt. Gabriele Riemer-Kafka und Viviana Studer, SZS 61/2017, S. 354–384.
Digitale Plattformen ermöglichen ganz neue Formen der Erwerbsarbeit. Für deren sozialversicherungsrechtliche Behandlung ist es von grosser Bedeutung, ob diese als selbständige oder unselbständige Erwerbsformen zu qualifizieren sind. Am Beispiel von Uber wird dies aufgezeigt. Eventuell sollte in Zukunft nicht mehr zwischen selbständiger und unselbständiger Erwerbsarbeit unterschieden werden.
L’organisation de l’assurance-chômage en Suisse.
Pierre-Yves Carnal, SZS 61/2017, S. 385–425.
Die Arbeitslosenversicherung ist durch ein – nicht immer reibungsloses – Zusammenspiel vieler verschiedener Institutionen gekennzeichnet. In einer Gesamtschau wird aufgezeigt, welche Aufgaben die verschiedenen Akteure wie Arbeitslosenkassen, RAV und kantonale Arbeitsämter haben und wie diese zu koordinieren sind.
KVG und UVG
Observationen durch Haftpflichtversicherer: rechtmässig oder nicht? Folgen des EGMR-Urteils vom 18.10.2016 (Vukota-Bojic vs. Switzerland). Catherine Marianne Waldenmeyer, Have 3/17, S. 284–293.
Laut Autorin herrscht seit dem EGMR-Urteil Vukota-Bojic c. Switzerland in der schweizerischen Haftpflichtversicherungslandschaft Unsicherheit über die rechtliche Einordnung und den zulässigen Umfang einer Observation. Der Beitrag fasst die wichtigsten Punkte des Urteils zusammen, vermittelt einen Überblick über die geltende Rechtslage im öffentlichen Recht sowie im Privat- und Strafrecht und befasst sich mit Auswirkungen auf die Haftpflichtversicherer. Im Fokus steht die Beantwortung der folgenden Fragen: Unterliegen die Haftpflichtversicherer einer direkten Grundrechtsbindung? Stellt die Observation in der Öffentlichkeit einen Eingriff in den Privatbereich dar? Weitet das EGMR-Urteil die Definition der Privatsphäre aus?
Privatrecht
Einleitungsartikel und Personenrecht
Judizieren contra legem.
Ernst A. Kramer,
Recht 2017, S. 180 ff.
Interessanter publizierter Vortrag des emeritierten Professors: Contra legem argumentiert nur, wer contra rationem legis argumentiert. Die Auslegung eines Gesetzes erfolgt in erster Linie nach dem Sinn der Norm, der auch nicht immer einfach zu erkennen ist.
Familienrecht
Ehegattenunterhalt und nachehelicher Unterhalt im internationalen Kontext.
Janine Sprenger, AJP 9/2017, S. 1062–1074.
Der Beitrag gibt eine Übersicht über das internationale Unterhaltsrecht und zeigt Veränderungen auf, die aus Schweizer Sicht mit einer Ratifikation des Haager Unterhaltsprotokolls (HUB) von 2007 einhergehen würden. Die Rechtsanwältin liefert Argumente für eine Ratifikation: «Die Anknüpfung beim anwendbaren Recht an den gewöhnlichen Aufenthalt würde zu einer Gleichbehandlung aller Unterhaltsberechtigten führen, die im selben Staat leben, unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit.»
Sachenrecht
Der Eigentumsübergang an Fahrnis. Hansjörg Peter, BlSchK 4/2017, S. 137 ff.
Der Autor widerlegt wortgewaltig die vom Bundesgericht in BGE 142 III 746 gemachte Aussage, die Errichtung eines dinglichen Rechts an Fahrnis umfasse einen dinglichen Vertrag. Ein solcher existiere im schweizerischen Recht nicht, denn das Verfügungsgeschäft sei einseitig.
Obligationenrecht
Der SBV-Formularvertrag für Arbeitsgemeinschaften.
Roland Hürlimann, Baurecht 2017, S. 205 ff.
Bauunternehmer schliessen sich für die Realisierung grösserer Bauvorhaben häufig zu Arbeitsgemeinschaften zusammen. Für die Regelung ihrer Verhältnisse verwenden sie dabei oft den Formularvertrag des Schweizerischen Baumeisterverbands. Dieser Formularvertrag wird seit über zwanzig Jahren publiziert und vom SBV regelmässig nachgeführt. Der Autor geht anhand der achten Auflage auf Besonderheiten von Arbeitsgemeinschaften ein.
Werkvertrags- und Auftragsrecht
Schleichwege zur werkvertraglichen Sachgewähr. Arnold F. Rusch, Baurecht 2017, S. 289 ff.
Bei der Durchsetzung der werkvertraglichen Sachgewähr zeigen sich mehrere Hürden: die Kosten, die Beweislast, die Verjährung und die Verwirkung bei verpasster Rüge. Als mögliche Alternativen zeigt der Autor die Aussichten, die sich aus dem Grundlagenirrtum, dem Weiterfresserschaden, dem Verdacht als Mangel sowie der öffentlich-rechtlichen Baukontrolle ergeben, und prüft deren Tauglichkeit zur Durchsetzung der Mängelrechte.
Notariatsrecht
Teilung und Vereinigung von Grundstücken. Adrian Mühlematter, Der Bernische Notar 3/2017, S. 81 ff.
Zweiter Teil einer dreiteiligen Abhandlung zur notariellen Vorgehensweise bei der Teilung und Vereinigung von Grundstücken. Der Autor behandelt im zweiten Teil die Grundsätze der Bereinigung von subjektiv-dinglichen Verknüpfungen, Anmerkungen, Dienstbarkeiten, Vormerkungen, Pfandrechten sowie die Darstellung in der Urkunde.
Datenschutzrecht
Risikomanagement und Datenschutz.
Markus Brönnimann, Digma 3/2017, S. 148 ff.
Der Autor verlangt, dass auch öffentliche Organe «angemessene Massnahmen» gegen Datenschutzrisiken zu ergreifen haben, denn Risikomanagement gehöre auch in die staatliche Verwaltung. In seinem Beitrag setzt er sich mit der Frage auseinander, welche Besonderheiten bei Datenschutzrisiken zu beachten sind. Werden Personendaten bearbeitet, seien die Datenschutzrisiken in die Analyse einzubeziehen. «Voraussetzung für ein wirksames Risikomanagement ist die Klärung der Verantwortlichkeit. Ausserdem braucht es Vorgaben der obersten Leitung. Instrumente des präventiven Datenschutzes sind die in den kantonalen Datenschutzgesetzen vorgesehene Vorabkontrolle und die neu einzuführende Datenschutz-Folgenabschätzung.»
Übriges Vertragsrecht
Schenkung und Verantwortung.
Arnold F. Rusch, AJP 10/2017, S. 1188–1193.
Bei der Schenkung existiert laut Beitrag mit Art. 248 OR eine Regelung, die mehr Fragen aufwirft als Antworten liefert. «Die gesetzliche Regelung der schenkungsrechtlichen Verantwortlichkeit ist äusserst lückenhaft und interpretationsbedürftig.» So zeigt der Autor auf, wie man Gewähr und Haftung auseinanderhält und bei welchen Schadenspositionen die Haftungsmilderungen greifen.
Handels- und Wirtschaftsrecht
Gesellschaftsrecht
Sacheinlage- und Sachübernahmevertrag.
Markus Bösiger, SZW 4/2017, S. 398–408.
Die Ausgabe 4/2017 der SZW widmet sich den Schnittstellen zwischen Vertragsrecht und Gesellschaftsrecht. Bösiger wirft dabei ein Auge auf den in der Praxis durchaus relevanten Sacheinlage- und Sachübernahmevertrag. Er streicht zu Recht hervor, dass sich die Parteien bei dessen Abschluss nicht nur auf die Frage, ob überhaupt eine Sacheinlage vorliegt – und damit die Vorschriften des Gesellschaftsrechtes einzuhalten sind –, konzentrieren sollten, sondern auch auf die Ausgestaltung des Sacheinlagevertrags selbst. Dabei sollten sie insbesondere die Regelungen der Rechtsfolgen bei Rechtsmängeln und Sachmängeln nicht vernachlässigen.
Fusions- Spaltungs- und Vermögensverwaltungsverträge aus Sicht der Gesellschaft und Gesellschafter.
Fabiana Theus Simoni, SZW 4/2017, S. 409–424.
Das Fusionsgesetz kennt unter anderem den Fusionsvertrag, den Spaltungsvertrag und den Vermögensübertragungsvertrag. Die beiden erstgenannten Verträge kommen nur mit Mitwirkung zweiter Ebenen zustande, nämlich der beteiligten Gesellschaften einerseits und der beteiligten Gesellschafter andererseits. Die Autorin ordnet die Verträge zwischen Vertragsrecht und Gesellschaftsrecht ein und zeigt mögliche Vertragsprobleme und Handlungsmöglichkeiten auf. Bei Vertragsmängeln stehen regelmässig nicht bloss den beteiligten Gesellschaften selbst, sondern auch deren Gesellschaftern Rechtsbehelfe zur Verfügung. Diese fussen teils auf OR, teils aber auch auf Fusionsgesetz. Auch das Handelsregisteramt nimmt als Akteur teil. So unterscheiden sich die Möglichkeiten und Zuständigkeiten der Willensmängelanfechtung eines Umstrukturierungsvertrages je nach Zeitpunkt der Geltendmachung.
Immaterialgüterrecht
Die urheberrechtliche Individualität – eine methodische Annäherung. Mischa Senn, Sic! 10/2017, S. 521 ff.
Im Urheberrecht kommt der Individualität zentrale Bedeutung zu. Sie ist Voraussetzung dafür, dass ein Werk überhaupt einen Urheberrechtsschutz erreicht. Im Beitrag zeigt der Autor auf, welche Bedeutung die Individualität hat. Er macht sich dafür stark, dass das Schutzniveau auf einer angemessenen Höhe anzusetzen ist, da die für die Individualität notwendige Überdurchschnittlichkeit nur bei zwei Prozent aller Erzeugnisse erreicht werde. Senn meint abschliessend, die Individualität sei nach dem wie sonst im Immaterialgüterrecht geltenden Grundsatz der objektivierten Beurteilung eines Rechtsbegriffs vorzunehmen, indem der für die jeweilige Werkkategorie massgebende Personenkreis heranzuziehen sei.
Verfahrens- und Vollstreckungsrecht
Neues aus der Praxis der Aufsichtskommission über die Anwältinnen und Anwälte des Kantons Zürich.
Alexander Brunner und Alexandra Dal Molin-Kränzlin, SJZ 2017, S. 477 ff.
Die Autoren geben einen umfassenden Überblick über die reichhaltige Praxis der Aufsichtskommission der letzten Jahre. Sie zeigen die Weiterentwicklung des anwaltlichen Berufsrechts durch die Rechtsprechung auf. Die Entscheidvielfalt reicht von den klassischen anwaltsrechtlichen Themen wie Interessenkonflikte und Berufsgeheimnis, Herausgabepflichten und Rechenschaftsablegung über spezifische Fragen zu Zulassung und Registrierung und zu besonderen Aspekten der Anwaltskörperschaften.
Zivilprozessrecht
Vom (zweifelhaften) Nutzen von Strafverfahren für die Durchsetzung von Zivilansprüchen.
Lorenz Droese, Recht 2017, S. 187 ff.
Der Autor wendet sich gegen ein systematisches Einreichen von Strafanzeigen, um sich damit zivilprozessuale Beweisabnahmen zu erleichtern. Strafanzeigen machen nach seiner Auffassung nur bei guten, klar zu benennenden Gründen Sinn.
Zur Bedeutung und zum Inhalt von Prozesschancenanalysen, Philipp Haberbeck, Jusletter vom 25.9.2017.
Der Beitrag des Autors und Rechtsanwalts zeigt konkretisierend auf, wie entscheidend es ist, dass der Prozessanwalt vor Einleitung eines Verfahrens für seinen Mandanten eine detaillierte Prozesschancenanalyse erstellt, welche als Manifestation anwaltlicher Unabhängigkeit und Sorgfalt im Bereich der Prozessführung zu betrachten ist. Die zentrale Bedeutung von Prozesschancenanalysen im Bereich des Zivilprozessrechts rühre daher, dass mit einer solchen Einschätzung im Ergebnis regelmässig darüber entschieden werde, ob ein Prozess überhaupt angestrengt (oder fortgesetzt) werde.
Völkerrecht
Übriges Völkerrecht
Völkerrechtliche Schranken internationaler nachrichtendienstlicher Aktivitäten.
Rainer J. Schweizer, AJP 9/2017, S. 1089–1106.
Der Autor setzt sich in seinem Beitrag kritisch mit einem heiklen Aufgabenbereich des Nachrichtendienstes auseinander: Der präventiven Aufklärungsarbeit sowie weiteren Tätigkeiten der Nachrichtendienste im Ausland. Diese geheimen Informationsbeschaffungen würden mit den Vorgaben des Völkerrechts kollidieren und beispielsweise das Recht auf Schutz des Privatlebens verletzen. Deshalb sei es zentral, «dass die nationalen Kontrollgremien für die Nachrichtendienste auch deren ausländische und internationale Aktivitäten sowie die der ausländischen Dienste in der Schweiz möglichst eng überwachen». Ob das wirklich gelinge, sei «zweifelhaft».
Rechtstheorie, Rechtsphilosophie, Rechtsgeschichte
Die wirtschaftliche Betrachtungsweise im Recht. Peter Nobel, SJZ 2017, S. 457 ff.
Das Verhältnis von Recht und Ökonomie ist von Veränderungen geprägt. Der Autor zeigt die Entwicklung der Bewegung «Law and Economics» auf, die nicht nur Einfluss auf das Steuerrecht, sondern auch auf andere Rechtsgebiete hat. Als Bestandteil der teleologischen Auslegungsmethode kann die wirtschaftliche Betrachtungsweise nicht nur zulässig, sondern sogar geboten sein. Ein Patentrezept liefert sie jedoch nicht; sie ist im Einzelfall bei der Auslegung einzubeziehen und zu prüfen.