Verfassungsrecht
Politische Rechte
Die Vereinbarkeit von kantonalen Volksinitiativen mit höherrangigem Recht. Ramona Pedretti, ZBl 2017, S. 299 ff.
Initiativbegehren sollten «in dubio pro populo» nach Möglichkeit dem Volk vorgelegt werden, soweit sie mit dem übergeordneten Recht vereinbar scheinen, postuliert die Autorin. Die Entscheidkriterien bei der Überprüfung der Rechtmässigkeit seien nach Massgabe des nach der Volksabstimmung erhältlichen Rechtsschutzes zu bestimmen.
Zum Wandel des säkularen Staates. Peter Karlen, ZBl 2017, S. 353 f.
Können sich muslimische Schüler vom Schwimmunterricht an öffentlichen Schulen dispensieren lassen? Darf in staatlichen Schulen ein Kruzifix hängen? Der Autor plädiert dafür, dass der säkulare Staat darauf achtet, die Religionskritik nicht aus falsch verstandener Rücksichtnahme allzu sehr einzuschränken.
Die Rechtsprechung des Bundesgerichts zu den politischen Rechten auf Bundesebene. Andreas Glaser, ZBl 2017, S. 415 ff.
Wenn es um die Ungültigerklärung von Volksinitiativen und um die Abstimmungserläuterungen des Bundesrats geht, wird ein massiver Rechtsschutzmangel beklagt. Einer Justizialisierung der Abstimmungsbeschwerde auf Bundesebene ist laut Autor jedoch mit Skepsis zu begegnen.
Verwaltungsrecht
Umwelt-, Bau- und Planungsrecht
Ermittlungspflicht für Gebäudeschadstoffe und Entsorgungskonzept für Bauabfälle gemäss Art. 16 VVEA. Jürg Hertz, URP 3/2017, S. 265 ff.
Der Autor plädiert für eine verhältnismässige, nachvollziehbare und plausible Umsetzung von Art. 16 VVEA. Dort ist festgehalten, unter welchen Voraussetzungen der Baubewilligungsbehörde Angaben über die Zusammensetzung, den Umfang und die vorgesehene Entsorgung der Abfälle (Entsorgungskonzept) einzureichen sind.
Ideelle Verbandsbeschwerde im Zulassungsverfahren für Pflanzenschutzmittel? – Ein Beitrag zum Begriff der Bundesaufgabe nach Art. 2 NHG. Goran Seferovic, URP 4/2017, S. 410 ff.
Der Entscheid über die Zulassung eines Pflanzenschutzmittels ist laut Autor eine Verfügung in Erfüllung einer Bundesaufgabe. Somit können ideelle Organisationen gemäss NHG legitimiert sein, diese Verfügung per Verbandsbeschwerde anzufechten. Dem stimme auch das Bundesverwaltungsgericht zu, allerdings mit unzutreffender Begründung.
Steuerrecht
Altersvorsorge 2020 – Änderungen berufliche Vorsorge. Peter Lang, Steuerrevue 2017, S. 428 ff.
Der Steuerexperte der Swiss Life macht im detaillierteren Aufsatz auf die steuerlichen Auswirkungen der Revision aufmerksam. Genauso wie inhaltlich sind auch steuerlich viele Fragen offen.
eBook – myBook oder yourBook? Eine Analyse der allgemeinen Geschäftsbedingungen für den Erwerb von elektronischen Büchern.
Mirjam Eggen, Recht 2017, S. 109.
Der Käufer des E-Books erwirbt dieses gegen ein einmaliges Entgelt dauerhaft, ähnlich wie der Käufer eines Buches, nicht wie ein Lizenznehmer. Ein Weiterverkaufsverbot ist zwar grundsätzlich zulässig, in AGBs aber meist nicht wirksam vereinbart.
Übriges Verwaltungsrecht
Revision BöB: Harmonie mit Nebengeräuschen. Martin Beyeler, Baurecht 2017, S. 145 ff.
Im Februar 2017 hat der Bundesrat den Entwurf für ein totalrevidiertes Bundesgesetz über das öffentliche Beschaffungswesen verabschiedet. Der Autor erläutert die wesentlichen Neuerungen und nimmt einzelne Bestimmungen kritisch unter die Lupe.
Sozialversicherungsrecht
Die Individualisierung von Teilklagebegehren im Personenschadenrecht.
Patrick Wagner und Markus Schmid, HAVE 2/17, S. 179–185.
Mit BGE 142 III 683 hat das Bundesgericht die unter der schweizerischen ZPO bestehenden Anforderungen an die Individualisierung des Rechtsbegehrens bei Teilklagen umrissen und ist von seiner früheren Rechtsprechung abgewichen. Die beiden Basler Juristen beleuchten die Konsequenzen der neuen Rechtsprechung auf die Erhebung von Teilklagen, die ihren Ursprung in Ersatzansprüchen zufolge eines Personenschadens haben.
AHV, IV, EL und ALV
Invalidenrentenanspruch bei depressiven Erkrankungen. Eva Slavik, Jusletter vom 4.9.2017.
Seit einiger Zeit urteilt das Bundesgericht, dass therapierbare, leicht bis mittelschwer ausgeprägte Depressionen nie invalidisierend seien, und verneint entsprechende Rentenansprüche. Laut Autorin lässt sich diese Norm medizinisch nicht rechtfertigen. Auch aus rechtlicher Sicht sei die Depressionspraxis nicht fundiert.
Übriges Sozialversicherugsrecht
Schleudertrauma – Gedanken zur strafrechtlichen Beurteilung nicht objektivierbarer Beschwerden. Raphael Cupa, HAVE 2/17, S. 133–140.
Im Haftpflicht- und Sozialversicherungsrecht wurden zur Überwindung der Beweisschwierigkeiten Kriterien für die Zurechnung einer HWS-Verletzung und deren Folgen entwickelt. Angesichts der hohen Beweisanforderungen im Strafrecht erstaunt es den Autor, dass diese Kriterien bei Verkehrsunfällen kaum beachtet werden und ohne nähere Begründung Schuldsprüche gefällt werden. Sein Beitrag zeigt, wie die Kriterien aus dem Haftpflicht- und Sozialversicherungsrecht im Strafrecht Eingang finden könnten.
Strafrecht
Swiss Multinational Enterprises and Transnational Corruption: Management Matters.
Nicolas Bueno, SZW 2/2017, S. 199–209.
Der Artikel befasst sich insbesondere mit der Sorgfaltspflicht gemäss den OECD-Richtlinien und deren Umsetzung in der Schweiz und vergleicht die Situation in der Schweiz mit derjenigen in den USA und England.
Die strafrechtliche Haftung für Menschenrechtsverletzungen im Ausland. Mark Pieth, AJP 8/2017, S. 1005–1014.
Sowohl die strafrechtliche Geschäftsherrenhaftung als auch die Unternehmenshaftung stossen auf Schwierigkeiten, sobald die ausländische Einheit rechtlich selbständig ist. Möchte die Schweiz auf glaubwürdige Weise Menschenrechte schützen, so der Autor, müsse sie Art. 102 StGB revidieren und seine Unternehmenshaftung nach Muster von Art. 102 Abs. 2 StGB für alle Verbrechen und Vergehen einführen.
Bankgeheimnisverletzung durch Whistleblowing. Daniel Jositsch und Martina Conte, SJZ 2017, S. 357 ff.
Am Fall des damaligen Nationalbankpräsidenten Philipp Hildebrand analysieren die Autoren den identisch definierten Geheimnisbegriff des Amts- und Bankkundengeheimnisses. Sie untersuchen, ob der aussergesetzliche Rechtfertigungsgrund «Wahrung öffentlicher Interessen» auf Whistleblowingsachverhalte anwendbar ist, und kommen zum Schluss, den Protagonisten könne kein strafbares Verhalten vorgeworfen werden.
Privatrecht
Gesundheitsrecht
Das elektronische Patientendossier. Isabel Baur, Brigitte Blum-Schneider, David Michael Egger und Délia Maire, Jusletter vom 28.8.2017.
Das Bundesgesetz über das elektronische Patientendossier (EPDG) ist am 15. April 2017 in Kraft getreten. Die Autoren untersuchen – unter den Aspekten der Freiwilligkeit und des Zwangs – ausgewählte rechtliche Fragen. Namentlich wird die sogenannte doppelte Freiwilligkeit thematisiert. Nicht unter die doppelte Freiwilligkeit fallen Spitäler mit Grundversorgungsauftrag. Daher ist zu prüfen, ob sich daraus Konsequenzen für Patienten ergeben.
Familienrecht
Die Folgen fehlender Mitwirkung im Vaterschaftsprozess. Adrian Dumitrescu, AJP 7/2017, S. 826–836.
Parteien und Dritte sind bei Abstammungsprozessen zur Mitwirkung an Untersuchungen – etwa zwecks DNA-Analyse – verpflichtet. Der Autor zeigt auf, dass bei der Verweigerung der Mitwirkung zunächst die Anwendung von Art. 8 ZGB (Beweisregeln/Beweislast) zu prüfen ist. Nur wenn dieser ausser Betracht fällt, kommen Zwangsmassnahmen in Frage, deren Anwendung der Autor anhand unterschiedlicher Konstellationen genauer untersucht.
Erbrecht
Gegen die Rechtsfigur des virtuellen Erben – ein Plädoyer. Artur Terekhov, Jusletter vom 4.9.2017.
Für den gänzlich übergangenen Pflichtteilserben schuf die jüngere Lehre die Rechtsfigur des virtuellen Erben. Dieser soll sich mittels Herabsetzungsklage die Erbenstellung erstreiten, um der Erbengemeinschaft anzugehören. Das Bundesgericht scheint nun dieser Sichtweise zu folgen. Der Autor lehnt die Rechtsfigur des virtuellen Erben mit Blick auf nicht hinzunehmende Widersprüche und Verwirrungen bei erbrechtlichen Auskunftsansprüchen klar ab.
Obligationenrecht
Kauf- und Mietrecht
Der Mietvertrag im Shopping Center – ausgewählte Aspekte. Irene Biber, SJZ 2017, S. 309 ff.
Durch das Erstarken alternativer Vertriebskanäle verschärft sich der Überlebenskampf von Mietern in Shopping Centern. Mit Fallbeispielen aus der Praxis illustriert die Autorin die Besonderheiten dieser Mietverträge und gibt Empfehlungen für Regelungen.
Arbeitsvertragsrecht
Travail domestique en Suisse. Karine Lempen und Rachel Salem, ARV 2/2017, S. 79–91.
Am Beispiel des Normalarbeitsvertrages des Kantons Genf legen die Autorinnen die arbeitsvertraglichen Besonderheiten der Arbeit von Hausangestellten dar. In der Praxis sind vor allem die Einhaltung der Mindestlöhne sowie der Höchstarbeitszeit problematisch, da diese in einem Haushalt nur schwierig zu kontrollieren sind.
Notariatsrecht
Teilung und Vereinigung von Grundstücken. Adrian Mühlematter, Der Bernische Notar 2/2017, S. 25 ff.
Erster Teil (Voraussetzungen, nötige Dokumente) einer dreiteiligen Abhandlung zur nicht immer einfachen notariellen Vorgehensweise bei der Teilung und Vereinigung von Grundstücken.
Handels- und Wirtschaftsrecht
Wettbewerbs- und Kartellrecht
Mit kartellrechtlichen Mitteln faire Preise erzwingen? Anmerkungen zum Vorschlag einer Beschaffungsfreiheit im Ausland. Simon Hirsbrunner, SJZ 2017, S. 329 ff.
Die Fair-Preis-Volksinitiative will Konsumenten in der Schweiz ermöglichen, Waren und Dienstleistungen im Ausland zu dortigen Konditionen zu erwerben. Der Beitrag weist darauf hin, dass es nicht den Grundsätzen des Internationalen Privatrechts entspricht, eine im Ausland vorgefallene Wettbewerbsbehinderung von einem schweizerischen Gericht nach Schweizer Recht beurteilen zu lassen.
Finanzmarktrecht
Crowdlending als bewilligungspflichtige Entgegennahme von Publikumseinlagen, BGE 2C-352/2016 vom 9. Dezember 2016.
Patricia Reichmuth und Hans Caspar von der Crone, SZW 2/2017, S. 254–265.
Der Artikel geht über eine blosse Besprechung des Urteils hinaus, das sich mit Direktinvestments in Olivenhaine in Spanien befasste. Die Autoren zeigen den Status quo auf, die Deregulierungsbestrebungen der Fintech-Branche sowie die Chancen und Risiken solcher Entwicklungen.
Swiss Bank Program: Non Prosecution Agreements Implementation & Beyond.
Olivier Unternaehrer und Aymeric Dumoulin, SZW 2/2017, S. 189–198.
Dieser Artikel befasst sich mit dem Swiss Bank Program (SBP) des U.S. Department of Justice. Das SBP ermöglicht den Schweizer Banken, mit dem Justizdepartement zu kooperieren, wovon 80 Banken Gebrauch machten. Die Non Prosecution Agreements machen ihnen Vorgaben für einen Zeitraum von vier Jahren. SBP und die NPA ermöglichen dem US-Justizdepartement, amerikanisches Recht in der Schweiz anzuwenden.
Marktmacht und Marktmissbrauch im UWG.
Peter Georg Picht, Sic! 7/2017 und 8/2017, S. 397 ff.
Heute bildet die funktionale Ausrichtung auf die Auswirkungen eines Wettbewerbsverhaltens den Rahmen für eine Berücksichtigung von Marktmachtsgesichtspunkten in der UWG-Anwendung. Diskussionsanstösse für eine Weiterentwicklung könnten in einer Reflexion über die Verortung des Marktmachtaspekts innerhalb einschlägiger UWG-Tatbestände liegen, in einer hierauf basierenden Identifizierung von Sachverhaltsindikatoren, die eine vertiefte Prüfung des jeweiligen Falls nahelegen und in einer aktiveren Durchsetzung.
Immaterialgüterrecht
Der Verfügungsantrag im Kartellverwaltungsverfahren: Die Schranken der Informationstätigkeit der Wettbewerbsbehörden. Frank Bremer und Désirée Stebler, Sic! 6/2017, S. 345 ff.
Die Autoren setzen sich für eine restriktive Verwaltungspraxis ein. Die Öffentlichkeit dürfe nur in engen Grenzen über den Verfügungsantrag orientiert werden. Dritten ohne Parteistellung kann der Verfügungsantrag zugestellt werden, doch sei stets eine Interessensabwägung vorzunehmen. Eine Weitergabe des Verfügungsantrags an die Öffentlichkeit sei durch Geheimhaltungsverpflichtung zu verhindern.
Verfahrens- und Vollstreckungsrecht
Schuldbetreibungs- und Konkursrecht
125 Jahre SchKG – 125 Jahre Rechtsprechung zum SchKG. Hansjörg Peter, BlSchK 2/2017, S. 45 ff.
Viele Prinzipien des Gesetzes – Vermögenshaftung, Notbedarf, Konkurs, Arrest oder Pauliana – sind über 2000 Jahre alt und haben sich kaum verändert. Einzige Ausnahme: Die Einleitung der Betreibung ohne vorgängiges Gerichtsurteil ist eine schweizerische Erfindung. Der Autor zeigt anhand ausgewählter Urteile auf, wie sich die SchKG-Rechtsprechung parallel zum technischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Wandel verändert hat.
Nötigung durch Betreibung. Daniel Jositsch und Martina Conte, BlSchK 2/2017, S. 63 ff.
Die Betreibung ist ein Druckmittel, das vom Gesetzgeber vorgesehen ist, um eine Forderung durchzusetzen. Die Autoren kommen zum Schluss, dass eine Betreibung nur ausnahmsweise und unter bestimmten Voraussetzungen eine strafrechtliche Nötigung darstellt.