Endlich für ein paar Tage abschalten, die Seele baumeln lassen und Büro und Arbeit vergessen. Das hatten sich vor Ostern auch die Mitarbeiter des Advokatur- und Notariatsbüros Bangerter, Friedli und Partner in Thun erhofft. Doch zur ersehnten Ruhe kamen sie über die Feiertage im April nicht.
«Als ich erfuhr, dass die Feuerwehr in Thun wegen eines Grossbrandes im Malerweg ausgerückt war, bin ich schon erschrocken», erinnert sich Jürg Friedli: Das Advokatur- und Notariatsbüro Bangerter, Friedli und Partner ist nämlich am Malerweg domiziliert. Und allzu viele Häuser gibt es in dieser kurzen Strasse nicht. Die Kanzlei liegt in einem grossen Bürogebäude direkt neben dem Bahnhof. Tatsächlich stand am 23. April 2011 genau dieses Gebäude in Flammen. Genauer: Fast der ganze Dachstock brannte in der Nacht auf Ostersamstag aus. Friedli, der sich zum Zeitpunkt des Brandes in Südfrankreich befand, alarmierte sofort seine Kollegen. Auch sie waren über die Feiertage alle verreist.
Aus der Gefahrenzone geschaffte Akten sichern
In der Brandnacht kümmerte sich Friedli um die dringendsten Angelegenheiten: «Zuerst wandte ich mich telefonisch an die Polizei. Als Anwaltskanzlei hatten wir ein besonderes Problem: Wenn Feuerwehrleute bei uns wegen des Brandes Akten wegräumten, musste gewährleistet sein, dass die nicht irgendwo unbeaufsichtigt und ungeschützt herumliegen würden.»
Jürg Friedlis Büro-Partner Stefan Schmutz sagt heute: «Das Wichtigste ist wohl die Einsicht, dass man sich gegen Feuer im Büro praktisch nicht absichern kann.» Aber vorsorgen, um den Schaden einzudämmen - das ist möglich. Schmutz: «Wir sichern schon seit jeher alle elektronischen Daten auf einer Festplatte ab. Diese wird ausserhalb unserer Büros aufbewahrt.» Elektronisch gesichert sei auch die Fristenkontrolle - «im Brandfall wäre uns da nichts abhanden gekommen. Anders sieht es bei den Urschriften unserer Notare aus. Wir bewahren auch noch die Urschriftensammlung eines unserer Vorgänger auf. Auch die laufenden Dossiers mit wichtigen Dokumenten sind bei uns ein Schwachpunkt.»
In ihrer Risikoanalyse hielten die Thuner Anwälte fest, dass künftig alle wichtigen Dokumente - vor allem alle Urschriften, die auf keinem Amt zusätzlich gelagert sind - einzuscannen seien. Jürg Friedli präzisiert: «Es lohnt sich für eine Anwaltskanzlei in der Regel schlicht nicht, sämtliche Akten elektronisch zu erfassen. Aber wir führen alle Dossiers elektronisch und scannen wenigstens die wichtigen Papiere ein. Das gilt namentlich für Verjährungsverzichtserklärungen, Schuldanerkennungen oder andere aussergerichtlich geregelte Abmachungen oder Verträge.»
Dass im schlimmsten Fall nur eingescannte Dokumente zur Verfügung stünden, kann Friedli nicht wirklich erschüttern: «Ich erachte eine elektronische Kopie als gleich werthaltig wie eine physische Kopie. Wir gehen davon aus, dass eine weitergehende Sicherung gar nicht möglich ist.»
Rauchen ist verboten - aber nicht überall
Im Eingang des Thuner Bürogebäudes weist ein Schild Besucher unmissverständlich auf das Rauchverbot im Haus hin. Es ist aber keine Folge des Brandes: «Das hing schon vorher dort», sagt Schmutz. Dass das Rauchverbot durchaus begründet ist, ist klar - aber es grenzt fast an Ironie: Eine glimmende Zigarre oder Zigarette auf dem Balkon einer der Dachwohnungen hatte den Grossbrand überhaupt erst ausgelöst.
Das Feuer war eine Gefahr, welche die Anwaltsgemeinschaft unterschätzt hatte. «Unsere Kanzlei liegt nahe der Aare. Und weil wir da eher an ein Hochwasser als Bedrohung gedacht hatten, sind unsere Urschriften in den Räumen unserer Kanzlei und nicht im Keller eingelagert», sagt Schmutz. Die Feuerwehrleute hatten den Brand zum Glück rechtzeitig unter Kontrolle, die Kanzlei blieb unversehrt.
«Seit dem Brand hängt in unserem Sekretariat ein Alarmplan. Da kann man sich orientieren, was im Ernstfall zu tun ist», berichtet Stefan Schmutz. In der Thuner Anwaltsgemeinschaft hat sich seit dem Brand noch mehr geändert. «In unserem Gebäude wird immer wieder einmal der Feueralarm ausgelöst», sagt Schmutz. «Bislang wurde der jedoch weitgehend ignoriert. Das ist ein ernstes Problem - wir sind zwar durch Alarmanlagen abgesichert, reagieren aber oft zu wenig konsequent auf sie. Das darf künftig so nicht mehr geschehen.»
Oft sind nur elektronische Daten geschützt
plädoyer wollte wissen, wie andere Anwälte sich gegen die Auswirkungen von Bränden absichern. «Akten sind bei uns nicht prinzipiell brandgeschützt», sagt Heinz Ottiger von der Luzerner Anwaltsgemeinschaft Bühler, Heimgartner, Ottiger und Wicki. «Die elektronischen Daten werden aber selbstverständlich mit Hilfe von Back-ups gesichert. Die entsprechenden Festplatten, an die alle unsere Computer angeschlossen sind, werden 14-täglich ausgewechselt und im Safe einer nahen Bank aufbewahrt.»
Dokumente scannen jedoch auch die Luzerner Anwälte nicht systematisch ein. Ausnahmen sind wichtige Originaldokumente: «Da kommt es durchaus vor, dass wir eine beglaubigte Kopie anfertigen und die ebenfalls in den Tresor unserer Bank legen», sagt Heinz Ottiger. Beispiele dafür seien etwa grosse Darlehensverträge oder Testamente, die im Original vorliegen.
Speziell gegen Brände sind Ottiger und seine Kollegen jedoch nicht geschützt. Immerhin: Nach einem Einbruch wurde vor ihren Räumen eine stabile Metalltür montiert. Hinzu kommt eine zweite Tür, die ebenfalls als Brandschott wirken könnte. Günstig ist ferner, dass das Kopiergerät in einem separaten Raum steht - denn solche Geräte könnten in Brand geraten.
«Wir haben zudem eine Versicherung abgeschlossen, die die Wiederherstellung oder Wiederbeschaffung von Dokumenten abdeckt», sagt der Luzerner Jurist. «Sie würde es uns erlauben, für solche Arbeiten zusätzliche Leute einzustellen oder Spezialisten damit zu beauftragen.»
Grundsätzlich stellt sich bei Sicherheitsmassnahmen die Frage, wie weit man gehen will. Dazu Heinz Ottiger: «Wir sagten uns, dass dieselben Risiken bei den Gerichten ja auch bestehen. Im Feuer würden Gerichtsakten ebenfalls zerstört. Und dort handelt es sich weitaus häufiger um Originale. Wir gehen nicht davon aus, dass man uns im Brandfall eine Verletzung der Sorgfaltspflicht vorwerfen könnte.»
Brandschutzkonzept am Bundesgericht geheim
Wie sicher die Gerichtsakten im Brandfall wirklich sind, mag je nach Standort unterschiedlich zu bewerten sein. Das Bundesgericht in Lausanne sieht sich auf der sicheren Seite: «Nach Rücksprache mit unserem Sicherheitsverantwortlichen kann ich Ihnen gerne mitteilen, dass das Bundesgericht im Rahmen seines Sicherheitskonzeptes auch den Fall eines Brandes geregelt hat», schreibt die Medienbeauftragte Sabina Motta auf Anfrage. Sie betont: «Die Konzepte und genauen Vorkehrungen sind jedoch vertraulich; Einzelheiten können der Öffentlichkeit daher nicht bekannt gegeben werden.» Eigentlich schade. Umso mehr, als man beim Bundesgericht auch auf interessierte Nachfrage partout nicht kund tun mochte, mit welchen Mitteln ein Brand denn «geregelt» würde.
Bei anderen Gerichten gibt man sich in Sachen Feuer deutlich weniger siegesgewiss. «Alle Prozesshandlungen werden bei uns elektronisch erfasst, sodass jederzeit klar ist, wo und bis wann Gerichtsakten ausserhalb des Gerichtsgebäudes sind», sagt etwa Mascha Santschi Kallay, Informationsbeauftragte für das Gerichtswesen im Kanton Luzern. Eine elektronische Erfassung sämtlicher Akten, zum Beispiel das Scannen von Rechtsschriften oder Urkunden, findet am Luzerner Obergericht freilich nicht statt. Santschi Kallay: «Wir haben am Obergericht aber eine Brandschutzanlage und gegenüber unserem Gebäude ist nicht nur die Luzerner Polizei, sondern auch eine Station der Feuerwehr.» Eine eigentliche Schadensversicherung zum Schutz der Akten oder für deren Wiederherstellung habe das Gericht jedoch nicht.
«Wir verfügen im Hauptgebäude über Brandmelder sowie auch einzelne Brandtüren», sagt Andrea Schmidheiny, Kommunikationsbeauftragte am Obergericht des Kantons Zürich. Im neuen respektive umgebauten Gebäude des Obergerichts wache ein Brandschutzexperte über die Feuerschutzmassnahmen. «Die elektronischen Daten werden in regelmässigen - und kurzen - Abständen extern gesichert», ergänzt Schmidheiny. Und betont: «Gescannt wird jedoch nicht alles.»
Umfassende Vorkehrungen für einen möglichen Brandfall hat die Wirtschaftskanzlei Bär & Karrer getroffen. Eric Stupp, Partner und exekutives Mitglied des Verwaltungsrats: «Zu unserem Notfallszenario gehört in erster Linie, dass wir von allen elektronischen Daten - sowohl von den Dokumenten als auch den E-Mails - regelmässig Back-ups anfertigen. Diese Back-ups werden an mehreren externen Standorten aufbewahrt, die zum Teil ausserhalb von Zürich liegen.»
Bär & Karrer besitzt zudem Server, die mit Hilfe von Stickstoff wirksam feuergesichert sind. Die Bürogebäude werden von Rauchmeldern überwacht. Jene des Zürcher Büros sind direkt an die Zentrale der städtischen Feuerwehr angeschlossen. Eric Stupp: «Tests ergaben, dass die Feuerwehrleute im Ernstfall innert zehn Minuten bei uns eintreffen.» In der Kanzlei gibt es auch feuersichere Safes - und nachts wird das Gebäude von einem Bewachungsdienst kontrolliert. Laufend werden wichtige Dokumente eingescannt. Besonders wertvolle Dokumente werden in Banksafes eingelagert.
Auch externe Dokumente werden gescannt
«Werthaltige Dokumente werden bei uns im Tresor aufbewahrt», sagt Heinz Schärer, Managing Partner und Verwaltungsratspräsident der Zürcher Wirtschaftsanwaltskanzlei Homburger. Aber wie steht es denn mit den elektronischen Daten? «Wir haben Back-ups», versichert der Jurist. «Und die werden geografisch getrennt aufbewahrt.» Externe Rechtsschriften und Beilagen werden systematisch gescannt. Dasselbe gilt für Aktienzertifikate, Erbverträge und Testamente. Unikate von Testamenten werden zudem im Safe aufbewahrt.
Auch nach dem Umzug in die neuen Geschäftsräume im Zürcher Wolkenkratzer Prime Tower (Etagen 25 bis 32) muss sich Schärer keine Sorgen über die Brandgefahr machen. «Die Prime-Tower-Verantwortlichen haben ein eigenes, umfassendes Sicherheitskonzept, das sie sehr ernst nehmen», sagt Heinz Schärer. Trotzdem gilt auch in der neuen Homburger-Ära: «Unser Archiv befindet sich ausserhalb des Prime Towers.»
Recht so: Gegen Feuer ist der Mensch letztlich machtlos. Aber gegen den Schaden, den es anzurichten vermag, kann er sich teilweise absichern - mit Weitsicht und entsprechenden Vorsichtsmassnahmen.