Ein Unternehmen im Bereich Import/Export mit Homepage und E-Mail-Adresse in Hongkong fragt einen Schweizer Anwalt an, ob er Unterstützung beim Eintreiben von offenen Forderungen in Europa leisten könne. Antwortet der Anwalt auf die entsprechende E-Mail, verhält sich das Unternehmen so, als ob es auf eine Beziehung Klient-Anwalt eingehen würde. Es schickt die Honorarvereinbarung unterzeichnet zurück, bietet an, den verlangten Vorschuss einzuzahlen und verweist betreffend Informationen zur Person auf eine eindrückliche Homepage.
Ein typisches Vorgehen bei Geldwäscherei-Versuchen
Später folgen etliche Kopien von Rechnungen für gelieferte Rollläden und Sonnenstoren an einen der Schweizer Kunden des Unternehmens aus Hongkong. Dann kommt schon bald mal die Frage, auf welches Konto der Kanzlei eine allfällige Zahlung des Kunden erfolgen soll. Man wolle dem säumigen Schuldner noch ein letztes Mal von Hongkong aus tüchtig einheizen und ihn auffordern, das Geld auf das Klientengelderkonto des Anwalts einzuzahlen.
Dieses Vorgehen, schildert die Selbstregulierungsorganisation des Schweizerischen Anwaltsverbandes und des Schweizerischen Notarenverbandes (SRO SAV/SNV), ist typisch für Geldwäsche oder Betrugsversuche. Die Organisation hat denn auch ihre angeschlossenen Finanzintermediäre schon früh gewarnt, dass sich solche oder ähnliche Anfragen an Anwälte und Notare häufen.
Die SRO SAV/SNV ist eine gesamtschweizerische Selbstregulierungsorganisation im Sinne des Geldwäschereigesetzes (GWG), die Rechtsanwälten und Notaren offensteht. Sie nimmt gegenüber den ihr angeschlossenen Finanzintermediären die gesetzlichen Pflichten im Bereich der Geldwäschereiabwehr wahr. Sie kann auch im Interesse der angeschlossenen Finanzintermediäre Rechtsmittel gegen Verfügungen ergreifen.
Gemäss Rechtsanwalt Peter Lutz, dem Präsident der SRO SAV/SNV, kämen solche Betrugsversuche häufiger vor, als man gemeinhin annehme.
Gezielte Attacken auf Rechtsanwälte, um Geld waschen zu können, hätten in den vergangenen Jahren zugenommen. Die jüngste Meldung aus Anwaltskreisen, die auf diese Weise kontaktiert worden seien, sei «gerade mal paar Wochen alt». Viele Berufskollegen seien froh gewesen um die Warnung der SRO, sagt er, sie seien so noch aufmerksamer geworden.
Existenzielle Bedrohung für Rechtsanwälte
Wer in verdächtigen Fällen nicht vorsichtig ist, wird rasch eng umgarnt. Kurz nachdem der Anwalt das Klientengeldkonto bekanntgegeben hatte, traf im Sonnenstoren-Fall bereits die angebliche Zahlung des Schweizer Schuldners ein: ein Check einer kanadischen Niederlassung der Citibank über 400 000 Dollar. Dass ein Schweizer Unternehmen den Einkauf von Sonnenstoren auf diese Weise beglich, schien dem Anwalt jedoch merkwürdig. Er fragte bei seinem Klienten in Hongkong nach - und hörte nie wieder etwas von ihm. Damit blieben der Kanzlei vermutlich etliche Probleme erspart.
Neben der nötigen Aufmerksamkeit für solche «dubiosen Vorgänge» schützt auch die Wahl von geeigneten Kontostrukturen eine Kanzlei vor Unbill. In der Praxis sind sehr unterschiedliche Modelle anzutreffen.
Artikel 23 der Schweizerischen Standesregeln (SSR) hält im ersten Absatz fest, dass Rechtsanwälte die ihnen anvertrauten Vermögenswerte getrennt vom eigenen Vermögen aufbewahren müssen.
Weiter sollen sie die anvertrauten Vermögenswerte sorgfältig verwalten und «jederzeit in der Lage» sein, sie herauszugeben. Die Gelder von Mandanten müssen ohne Verzug weitergeleitet werden, wobei das Recht der Anwälte, sich für ihre Forderungen bezahlt zu machen, vorbehalten bleibt (Absatz 2). Schliesslich muss über die Mandatgelder vollständig und genau Buch geführt werden (Absatz 3). Artikel 23 SSR verdeutlicht die Wichtigkeit der korrekten Kontoführung. Eine bewusst aufgesetzte Kontostruktur bringt nicht nur Übersicht, sie minimiert das Risiko, dass Abwicklungsfehler oder behördlich angeordnete Kontosperren Auswirkungen auf unbeteiligte Klienten haben.
Peter Lutz empfiehlt zuallererst, die Konten der «Unternehmung Anwaltskanzlei» getrennt von den Klientengeldern zu verwalten. Als zweiter Schritt müsse darauf die «absolut notwendige» Trennung zwischen Klientenkonten aus der klassischen Mandatstätigkeit und aus der Tätigkeit als Finanzintermediär (FI) folgen.
Fehlt eine solche Trennung der Klientengelder, würden alle Klientengelder erfasst, falls es bei einer Strafuntersuchung zu einer Sperre oder Beschlagnahme käme. Das ist in verschiedenen Situationen möglich. Wie der Zürcher Staatsanwalt Daniel Tewlin, Abteilung Rechtshilfe, erläutert, besteht beispielsweise im originären Strafverfahren die Möglichkeit der Sicherung von Beweismitteln und Gegenständen auch bei Dritten. Der Zeugnisverweigerungsberechtige könne zwar die Herausgabe von Korrespondenz mit dem Angeschuldigten verweigern, nicht aber die Herausgabe von Vermögenswerten.
Rechtsanwälte können laut Tewlin auch mit Sperrverfügungen in Kontakt kommen, wenn zum Beispiel eine Strafverfolgungsbehörde vom Money Laundering Report Office Switzerland (MROS) eine Verdachtsmeldung erhält. Die Strafverfolgungsbehörde unterscheidet dann zwischen Meldungen betreffend Geldwäschereiverdacht, wo Meldepflicht besteht, und solchen mit dem Hintergrund des Verdachts anderer strafbarer Handlungen, aus denen vom Finanzintermediär gehaltene Vermögenswerte stammen können. Im zweiten Fall ist der Finanzintermediär gemäss Artikel 305ter des schweizerischen Strafgesetzbuchs (StGB) zur Meldung berechtigt.
Abgrenzung der Tätigkeit als Finanzintermediär
Um eine solche Sperre wieder aufheben zu können, müsste unter Umständen das Anwaltsgeheimnis verletzt werden. Die Sperre könnte zudem, wenn sie auch die eigenen Konten erfasst, zu einer totalen Stilllegung der Kanzlei führen und so unter Umständen existenzielle Probleme für den betroffenen Rechtsanwalt auslösen, der überdies gegen die Standesregeln verstösst. Wer die eigene Mandatsstruktur in klassische Mandate und FI-Mandate aufteilt, wird feststellen: Diese wesentliche Unterscheidung ist keineswegs immer einfach (siehe Beispiele unten).
Ein Finma-Kommentar liefert Abgrenzungskriterien
Die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht (Finma) kann in heiklen Fällen bei der Entscheidfindung angefragt werden und entscheidet die Frage in erster Instanz. Wesentlich ist für den Anwalt, dass er in jedem Zeitpunkt in der Lage sein muss, Rechenschaft abzulegen, ob er als Finanzintermediär tätig ist oder nicht.
Grundsätzlich untersteht ein Anwalt oder Notar im Rahmen seiner klassischen beruflichen Tätigkeit dem Berufsgeheimnis gemäss Artikel 321 StGB und wird mit Bezug auf diese Tätigkeit nicht als Finanzintermediär im Sinne des GWG betrachtet. Wird ein Anwalt jedoch in einem von Artikel 2 Absatz 3 GwG erfassten Zusammenhang aktiv, ohne dass dies mit einem zur normalen Tätigkeit gehörenden Mandat verbunden ist, ist Artikel 321 StGB nicht anwendbar, sondern der Anwalt ist als Finanzintermediär im Sinne des GwG tätig und muss sich einer Selbstregulierungsorganisation anschliessen. Die Finma hat aus ihrer Praxis einen «Unterstellungskommentar» herausgegeben - «ein gutes Rezeptbuch», wie SRO-Präsident Lutz sagt - das mit vielen Beispielen die Abgrenzungskriterien illustriert: «Praxis der Kontrollstelle für die Bekämpfung der Geldwäscherei zu Artikel 2 Absatz 3 GwG; der Geltungsbereich des Geldwäschereigesetzes im Nichtbankensektor».
Der Unterstellungskommentar kann im Internet heruntergeladen werden unter www.finma.ch - Archiv - Kontrollstelle für die Bekämpfung der Geldwäscherei - GwG-Auslegung - 31.10.08 Unterstellungskommentar Kst.
Abgrenzung der Tätigkeit als Finanzintermediär
< Willensvollstrecker: Übernimmt ein Anwalt oder Notar ein Willensvollstreckungsmandat im Sinne von Artikel 517ff. Zivilgesetzbuch, handelt er nicht als Finanzintermediär, wenn er in dieser Funktion Transaktionen von Vermögenswerten vornimmt.
Entsteht in diesem Zusammenhang ein enges Vertrauensverhältnis zwischen dem Anwalt oder Notar und den Erben, kann es vorkommen, dass die Erben - einzeln oder gemeinsam - wünschen, dass er trotz der bereits abgeschlossenen Erbteilung für sie Vermögenswerte in seinem Tresor aufbewahrt oder als Bevollmächtigter ein Bankkonto betreut.
In diesem Fall handelt der Anwalt nicht mehr als Willensvollstrecker, sondern als Vertrauensperson. Die Verwaltung der fraglichen Vermögenswerte steht nicht mehr im Zusammenhang mit einer damit verbundenen juristischen Tätigkeit. Transaktionen von Vermögenswerten sind ab dem Datum des Vollzugs der Erbteilung daher als dem Geldwäschereigesetz unterstellte Tätigkeiten als Finanzintermediär zu betrachten.
< Gründung einer Sitzgesellschaft: Herr X. ist ein langjähriger Klient der Kanzlei des Anwalts/Notars. Er hat diesen nun beauftragt, für ihn eine Sitzgesellschaft zu gründen und sich den rechtlichen Belangen dieser Firma anzunehmen. Ausserdem soll er die Formalitäten für die Eröffnung eines Bankkontos für die Gesellschaft erledigen und über das Konto verfügungsberechtigt sein. Gegebenenfalls sollte er dem Verwaltungsrat der Gesellschaft beitreten und sich bereit erklären, die Bankenkorrespondenz entgegenzunehmen.
Die Gründung der Gesellschaft, deren rechtliche Beratung und Betreuung, die Erledigung von Formalitäten für die Kontoeröffnung sowie die Entgegennahme der Bankenkorrespondenz gelden nicht als Finanzintermediation im Sinne des Geldwäschereigesetzes.
Unter das Geldwäschereigesetz fallen jedoch die Annahme der Unterschriftsberechtigung für das Bankkonto und damit die Verfügungsgewalt über die anvertrauten Vermögenswerte sowie die Tätigkeit als Verwaltungsrat (weil die Firma eine Sitzgesellschaft ist).
Quelle: www.sro-sav-snv.ch