Bundesgericht
Keine Yukos-Rechtshilfe an Russland
Russland erhält von der Schweiz in der Yukos-Affäre keine Rechtshilfe. Es bestehen gewichtige Gründe für den Verdacht, dass die Strafverfahren gegen die Betroffenen von den aktuellen Machthabern in Moskau dazu instrumentalisiert werden, missliebige Oligarchen in die Schranken zu weisen und politische Gegner loszuwerden. Die Menschen- und Verfahrensrechte der Betroffenen wurden mehrfach verletztund die russischen Sachverhaltsdarstellungen blieben bis zum Schluss ungenügend und obskur.
(unter anderem 1A.29/2007 vom 13. August 2007)
Wissen um sexuelle Handlungen falsch eingeschätzt
Ein zehnjähriger Knabe ist wegen «Dökterli-Spielen» mit einem sechsjährigen Mädchen zu Unrecht wegen sexuellen Handlungen mit einem Kind verurteilt worden (keine Strafe oder Massnahme). Der Junge hatte sich mehrmals das Glied lecken lassen. Laut Bundesgericht hat das Schaffhauser Obergericht aus den Umständen zu Unrecht darauf geschlossen, dass er um die sexuelle Bedeutung der Handlungen wusste. Die Ostschweizer Richter hatten unter anderem berücksichtigt, dass der Knabe wusste, was ein Pornofilm ist. Zudem habe er unter dem Einfluss älterer Jungen gestanden, Ladendiebstähle begangen und geraucht. Das lasse darauf schliessen, dass er sich mit nicht altersgerechten Sachen und Interessen beschäftigt habe.
(6P.63/2007 vom 7. August 2007)
Fahrausweisentzug wegenabgefahrener Reifen
Wer mit abgefahrenen Reifen unterwegs ist, begeht eine mittelschwere Verkehrsregelverletzung und hat einen mindestens einmonatigen Führerausweisentzug zu gewärtigen (Art. 16b Abs.2 lit a SVG). Das Bundesgericht hat dem Bundesamt für Strassen Recht gegeben und die blosse Verwarnung eines Lenkers aufgehoben. Ihm ist laut den Lausanner Richtern anzulasten, dass er die Reifen nicht regelmässig kontrolliert oder trotz Kontrolle nicht gewechselt hat.
(6A.89/2006 vom 19. Juli 2007)
Unzulässige Steuerabzüge für Parteispenden
Das Bundesgericht stellt fest, der in Zürich und weiteren Kantonen gewährte Steuerabzug für Parteispenden verstosse gegen das Steuerharmonisierungsgesetz. Jedoch hat das Bundesgericht keine Möglichkeit, dagegen einzuschreiten: Wer davon profitiert, hat ebenso wenig wie die kantonalen Veranlagungsbehörden ein Interesse daran, den Rechtsweg zu beschreiten (im konkreten Fall hatte der Beschwerdeführer gar keine Parteispende getätigt, sondern unter Berufung auf den Grundsatz der Gleichbehandlung im Unrecht einen entsprechenden Abzug für sich gefordert). Damit besteht eine Aufsichtslücke. Der Bund wird aufgefordert, seine Aufsichtsfunktion mit wirksamen Mitteln wahrzunehmen, falls Steuerpflichtige weiter harmonisierungswidrig begünstigt werden.
(2A.647/2005 vom 7. Juni 2007)
Täuschende Bezeichnung für Bachblüten-Produkt
Die Bezeichnung «S.O.S. Notfall Bonbons nach Dr. Bach» für Pastillen mit Bachblüten-Extrakt ist unzulässig, da sie den täuschenden Eindruck erweckt, dass es sich dabei um ein Heilmittel handelt. Die Produktebezeichnung «Notfall Bonbons» suggeriert dem Konsumenten, dass das Produkt für medizinische Notfälle bestimmt ist. Dieser Eindruck wird durch die Verwendung des in-ternationalen Seenotzeichens «S.O.S.» noch verstärkt. Der weitere Zusatz «nach Dr. Bach» ist schliesslich geeignet, den Pastillen einen wissenschaftlichen Anstrich zu geben.
(2A.106/2007 vom 9. Juli 2007)
Keine geistige Flucht aus der Zelle
Ein Insasse der Strafanstalt Pöschwies darf keine Flugsimulations-Software anschaffen. Laut Bundesgericht leuchtet das Argument ein, dass angesichts der im Vergleich mit einer CD-Rom massiv grösseren Speicherkapazität einer DVD der Kontrollaufwand unverhältnismässig gross wäre.
(6B_247/2007 vom 10. Juli 2007)
Snow-Tubing-Verletzung als Unfall angesehen
Wer beim Snow-Tubing (Fahrt auf Gummireifen auf bobbahn-ähnlicher Piste) mit dem Hintern auf dem vereisten Boden aufschlägt, erleidet rechtlich gesehen einen Unfall, womit die Unfallversicherung für die Folgen der Verletzung aufkommen muss. Die «relevante Programmwidrigkeit im Ablauf der Körperbewegung» liegt laut Bundesgericht darin, dass die betroffene Person ungewollt zu tief in den Reifen rutscht und deshalb mit dem Boden in Kontakt kommt.
(U 411/05 vom 11. Mai 2007)
Bundesstrafgericht
Keine Auslieferung von Politaktivistin
Eine kommunistische Politaktivistin darf entgegen dem Entscheid des Bundesamtes für Justiz (BJ) nicht an die Türkei ausgeliefert werden. Sie soll nach türkischer Darstellung 1993 bei einem von ihr geleiteten Angriff auf ein Dorf eine Person entführt und später eigenhändig erschossen haben. Die türkische Sachverhaltsfeststellung sei nicht ausreichend, um die Bedingung der beidseitigen Strafbarkeit zu prüfen. Zudem leiden sie an einem gravierenden Widerspruch, weil die gleiche Tötung auch noch einer anderen Person angelastet wird. Die Frau wurde bereits aus der Auslieferungshaft entlassen. Eine Beschwerde des BJ beim Bundesgericht ist hängig.
(RR.2007.2/25 vom 25. April 2007)
Bundesverwaltungsgericht
(Die Rechtskraft der Entscheide steht nicht fest)
Asylgesuche von Papierlosen I
Der Begriff des Identitätspapiers, das Asylsuchende bei Einreichung ihres Gesuchs (unter der Androhung des Nichteintretens im Unterlassungsfall gemäss Art. 32 AsylG) abzugeben haben, ist eng auszulegen. Es genügen nur Ausweise, die von den Heimatbehörden des Betroffenen zum Zweck des Identitätsnachweises ausgestellt wurden. Auf jeden Fall ausreichend sind Identitätskarten und Pässe. Ungenügend sind Fahr- und Berufsausweise oder Geburts- und Schulurkunden. Bei diesem engen Begriff des Identitätspapiers sind die entschuldbaren Gründe für die Nichteinreichung der verlangten Dokumente entsprechend zu berücksichtigen.
(D-2279/2007 vom 11. Juli 2007)
Asylgesuche von Papierlosen II
Auf Asylgesuche papierloser Asylbewerber darf nur in offensichtlich unbegründeten Fällen nicht eingetreten werden. Kann die Flüchtlingseigenschaft aufgrund der ersten Befragung nicht ausgeschlossen werden, muss auf das Gesuch eingetreten werden. Und es sind weitere rechtliche oder sachliche Abklärungen im ordentlichen Asylverfahren durchzuführen.
(D-688/2007 vom 11. Juli 2007)
(PJ)