Seit 2011 ist das Verfahren in der Zivilprozessordnung (ZPO) für alle Kantone einheitlich geregelt. Die Höhe der Prozesskosten in zivil- und strafrechtlichen Verfahren dürfen die 26 Kantone aber nach wie vor selbst festlegen. Die Gebühren sind daher sehr unterschiedlich - und in den letzten zehn Jahren in einigen Kantonen gestiegen.
plädoyer befragte 26 erstinstanzliche Gerichte in den 26 Kantonen, in der Regel das Gericht am Hauptort. Erhoben wurde, wie viel das Gericht für eine einvernehmliche Scheidung, einen Forderungsstreit mit 50 000 Franken und einen mit 100 000 Franken Streitwert verlangt – ohne Beweisverfahren und ohne Urteilsbegründung.
Bern und Zürich sind teure Pflaster
Fazit: Bei Gebühren für Konventionalscheidungen reicht die Spanne von 500 Franken bis 5000 Franken. Generell sind einvernehmliche Scheidungen in den Westschweizer Kantonen günstiger als in der Deutschschweiz. Und die Gerichtskosten für eine einvernehmliche Scheidung sind ungefähr gleich hoch wie vor zehn Jahren (plädoyer 6/2010).
Bei Forderungen mit einem Streitwert von 50 000 Franken beträgt die Bandbreite der Richtwerte 500 Franken (Glarus) bis 20 000 Franken (Freiburg). Im Gegensatz zu den Konventionalscheidungen sind die Westschweizer Kantone bei diesen Streitigkeiten nicht günstiger als die Deutschschweizer. Die Tarife in den beiden bevölkerungsreichsten Kantonen Zürich und Bern sind eher hoch. Seit 2010 sind die Kosten unter anderem in Baselland, Bern und Solothurn gestiegen. Auch bei Forderungsstreitigkeiten über 100 000 Franken sind die Preisunterschiede beträchtlich: Die Gerichtskosten betragen zwischen 500 Franken (Glarus) und 20 000 Franken (Freiburg, Schaffhausen). Auffallend ist der grosse Kostenrahmen, auf den einzelne Gerichte verweisen, zum Beispiel Freiburg, Glarus und Waadt. Gestiegen sind die Kosten in den letzten zehn Jahren unter anderem in Baselland, Bern und Zug.
Professoren fordern einheitlichen Tarif
Für die Zürcher Zivilrechtsprofessorin Tanja Domej spricht einiges für einen einheitlichen Gerichtskostentarif. «Die Kosten sind ein wesentlicher Faktor des Zugangs zum Recht. Mir fällt es schwer, einen sachlichen Grund für die eklatanten Unterschiede von Kanton zu Kanton auszumachen.» Hauptgrund für die Tarifhoheit der Kantone sei ihre Zuständigkeit für die Organisation und Finanzierung der Gerichte: «Doch auch die Organisation der Betreibungsbehörden bleibt weitgehend den Kantonen überlassen.» Und im Betreibungsrecht gelte ein einheitlicher Tarif.
Lorenz Droese, Professor für Zivilverfahrensrecht an der Universität Luzern, stimmt ihr zu. Er sieht keinen Grund für abweichende Tarife: «Warum sollen die Kosten des Zivilprozesses ein Hort kantonaler Souveränität sein, die Gebühren im Betreibungsverfahren, die Posttarife und die Radio- und Fernsehgebühren aber nicht?» Dass die Gerichte in den einzelnen Kantonen unterschiedlich zusammengesetzt sind und deren Arbeitslast sehr verschieden ausfällt, sei kein stichhaltiges Argument mehr gegen einen einheitlichen Tarif. Der Finanzausgleich sorge dafür, dass die Kantone finanziell nicht allein dastehen. Zudem wirke sich die Gerichtsorganisation nicht unmittelbar auf die Kosten aus – Kantone mit einer weiten Einzelrichterkompetenz hätten nicht zwingend tiefere Kosten. Auch Isaak Meier, emeritierter Professor für Zivilprozessrecht an der Universität Zürich, macht sich für einheitliche Gebühren stark. Er ist der Ansicht, eine massgebliche Senkung sei nur mit einer bundesrechtlichen Regelung erreichbar. «Es kann nicht erwartet werden, dass die Kantone von sich aus von den gewohnten Tarifen abweichen werden.»
Zivilrechtsprofessor Thomas Sutter-Somm von der Universität Basel sieht hingegen keinen Bedarf für einheitliche Gebühren, «weil die Gerichte eine völlig unterschiedliche Grösse und Organisation haben». Auch die Gerichtsbezirke seien unterschiedlich, so könne etwa der Kanton Zürich mit seinen Gerichten nicht mit dem Kanton Appenzell Ausserrhoden verglichen werden.
“Gesetzgeber sollte eingreifen”
Michel Heinzmann von der Uni Freiburg befürwortet eine Harmonisierung der Tarife. Differenzierungen seien höchstens zum Ausgleich unterschiedlicher Lebenskosten und Einkommensverhältnisse gerechtfertigt, wobei das auch innerhalb eines Kantons vorgebracht werden könnte. «Vor allem sollte der Bundesgesetzgeber aber eingreifen, um der Höhe der Gerichtskosten entgegenzuwirken.» Diese seien teilweise abschreckend hoch und würden den verfassungsrechtlich garantierten Justizgewährungsanspruch in Frage stellen.