Für viele Juristen sind internationale Sachverhalte längst Alltag, internationale Zivilprozesse aber gleichwohl noch – und immer wieder – Neuland. Die drei vorliegenden Bücher gehen diese Herausforderung unterschiedlich an.
Schwerpunkt von «Zivilprozessrecht» (Staehelin / Staehelin / Grolimund) ist die neue Schweizer Zivilprozessordnung. In seiner Gliederung folgt das Werk aber nicht den einzelnen Artikeln, sondern der klassischen Kapitelaufteilung von Zivilprozesslehrbüchern. Es bietet eine gut lesbare Gesamtsicht auf einzelne Themenkreise des Zivilprozesses. Seine Stärke liegt weniger in der Erörterung von Detailfragen für Prozessanwälte, sondern in der fundierten Darstellung der Grundlagen. Jedem Kapitel folgt ein kurzer Blick auf die internationalen Verhältnisse, was eine höchst interessante Ergänzung ist und das – mit 152 Franken erschwingliche – Buch von ähnlichen Werken abhebt.
Das «Internationale Zivilprozessrecht» (Spühler / Rodriguez) stellt hauptsächlich das Bundesgesetz über das Internationale Privatrecht (IPRG) und das Lugano-Übereinkommen (LugÜ) dar. Das Buch ist als Einstieg in die Materie ebenso dienlich wie als Wiederauffrischung, falls man die Gesetzesrevisionen nicht immer nahe verfolgt hat. Hervorzuheben sind die etwas ausführlicheren Hinweise zum LugÜ-Exequaturverfahren und dem LugÜ-Arrest sowie der kurze Exkurs zu den Grundelementen des Internationalen Konkursrechts. Für ein alltägliches Handwerkzeug des praktizierenden Rechtsanwaltes birgt es zu wenig konkrete Hilfestellung. Es bleibt oft bei einer blossen Wiederholung des Gesetzestextes.
Die «Nutshell» (Grolimund) zum Internationalen Privat- und Zivilverfahrensrecht der EU und die zugehörige Textsammlung mit den einschlägigen Verordnungen der EU hingegen hält, was sie verspricht. Kurz und knapp werden die Grundlagen des EU-Rechts dargestellt und dazu die Gesetzestexte geliefert. Wer sich einen Überblick über die fortgeschrittene Rechtsvereinheitlichung in Europa verschaffen will, um mit Klienten oder Kollegen aus der EU auf Augenhöhe zu sprechen, der ist damit sehr gut bedient. Kaspar Meng
Pascal Grolimund
Internationales Privat- und Zivilverfahrensrecht der Europäischen Union in a nutshell
Dike, Zürich 2013, 154 Seiten,
Fr. 39.–
Karl Spühler, Rodrigo Rodriguez
Internationales Zivilprozessrecht
Schulthess, Zürich 2013, 2. Auflage, XXVII und 159 Seiten,
Fr. 74.–
Adrian Staehelin, Daniel Staehelin, Pascal Grolimund
Zivilprozessrecht. Unter Einbezug des Anwaltsrechts und des internationalen Zivilprozessrechts
Schulthess, Zürich 2013, 2. Auflage, 745 Seiten,
Fr. 152.–
Strafprozessrecht
Niklaus Oberholzer
Grundzüge des Strafprozessrechts
Stämpfli, Bern 2012, 3. Auflage, 700 Seiten, Fr. 178.–
Dem gleichermassen an Gerichte, Rechtsanwälte, Strafverfolgungsbehörden wie Studenten gerichteten Werk gelingt es, die komplexe Materie des Strafprozessrechts in eine übersichtliche Gesamtschau zu bringen. Dem Aufbau der Strafprozessordnung folgend, erörtert der Autor unter Berücksichtigung der wichtigsten Entscheidungen des Bundesgerichts und der kantonalen Gerichte praxisnah sämtliche Aspekte des Strafprozesses.
Bewusst verzichtet wird auf einen Einbezug des Meinungsstreits in der Lehre über viele Probleme der StPO. Dies entspricht der Idee eines Grundrisses und fördert die Lesbarkeit, macht damit aber gerade dem Praktiker den Blick in die einschlägigen Kommentierungen zur Pflicht. Insgesamt überzeugt das Werk durch die sinnvolle Gewichtung der einzelnen Themen und seine klare Sprache.
Bewertung: Ideales Nachschlagewerk für Praktiker. cf
Rechtsphilosophie
Ronald Dworkin
Gerechtigkeit für Igel
Suhrkamp, Berlin 2012, 812 Seiten, Fr. 63.90
Der inzwischen verstorbene Roland Dworkin, einer der wichtigsten Rechtsphilosophen der letzten Jahrzehnte, hat mit «Gerechtigkeit für Igel» ein grossartiges Alterswerk vorgelegt. Das Anspruchsniveau ist durchaus mit John Rawls’ «Theorie der Gerechtigkeit» vergleichbar.
Das Buch enthält die Quintessenz von Dworkins Denkens. Seiner Ansicht nach haben wir die Verantwortung, ein gutes Leben zu führen; Spass zu haben allein reicht nicht aus. Der Autor vertritt die These, dass es keinen Standpunkt ausserhalb der Moral gibt und dass letztlich alle Werte eine Einheit bilden. Daher stehen das Gute und das gerechte Leben nicht im Widerspruch zueinander, sondern gehen miteinander einher. Seine umfassende Reise führt ihn über die Erkenntnistheorie, die Ethik und Moral, hin zu Politik und Recht.
Bewertung: Für Rechts- und Moralphilosophie-Interessierte. sb
Zivilrecht
Andrea Büchler, Dominique Jakob (Hrsg.)
Kurzkommentar ZGB
Helbing Lichtenhahn, Zürich 2012, 2655 Seiten, Fr. 278.–
Der neue Kommentar zum ZGB aus dem Hause Helbing Lichtenhahn ist im handlichen Kleinformat gehalten und wurde von 42 Spezialisten aus Lehre und Praxis zusammengestellt. Das revidierte Immobiliarsachenrecht und Grundbuchrecht sowie das neue Erwachsenenschutzrecht werden – im Gegensatz zum Namensrecht – ausführlich besprochen.
Die bundesgerichtliche Rechtsprechung steht im Zentrum der Erläuterungen und wird in Streitfragen mit Stimmen aus der Lehre und Praxis ergänzt. Das ausführliche Sachregister und die übersichtliche Darstellung mit Randziffern gewährleisten schnelles Nachschlagen und die zitierten Literaturstellen das weitergehende Recherchieren. Die kompakte Zusammenstellung ist eine wertvolle Ergänzung zu den grossen Kommentaren für unterwegs.
Bewertung: Handliches Nachschlagewerk. dba
Arbeitsrecht
Sabine Steiger-Sackmann
Schutz vor psychischen Gesundheitsrisiken am Arbeitsplatz
Schulthess, Zürich 2013, 378 Seiten, Fr. 82.–
Stress, Burnout, Diskriminierung und Mobbing beschäftigen Gesundheitsmanagement, Human Resources, Ärzte und Anwälte mehr denn je. Die topaktuelle Dissertation fokussiert auf den Gesundheitsschutz aus juristischer Sicht. Ausgehend von Leitentscheiden stellt die Autorin in ihrer Untersuchung fest, dass psychosoziale Risiken in der Gesetzgebung zu wenig konkret abgedeckt sind. Im zweiten Teil der Arbeit werden Lösungsansätze in den Betrieben durch Selbstregulierung, definierte Prävention und Zertifizierung ausgelotet.
Bei den aufgelisteten Verbesserungsvorschlägen im Arbeitsgesetz und im Haftungs- und Sozialversicherungsrecht kommt die Erfahrung der Autorin als Anwältin und Wissenschaftlerin voll zur Geltung.
Bewertung: Praktisches Werk für Arbeitsrechtsspezialisten. jwl
Arbeitsrecht
Wolfgang Portmann, Jean-Fritz Stöckli und Jean-Philippe Dunand (Hrsg.)
Jahrbuch des Schweizerischen Arbeitsrechts, JAR 2012
Stämpfli, Bern 2012, XXVII und 690 Seiten, Fr. 229.–
Auf den ersten hundert Seiten werden sämtliche Gesetzesprojekte, Initiativen und parlamentarischen Vorstösse behandelt. Es folgen verwandte Themen, auch zu den realen Gegebenheiten am Arbeitsplatz: Konjunkturdaten, die soziale Sicherheit im Bezug auf die Arbeit, das Personalrecht des Bundes und der Kantone sowie die Normal- und Gesamtarbeitsverträge. Alltagsrelevant sind auch die Datenschutzfragen.
Hauptteil des Werkes ist die Rechtsprechung. Dort finden sich alle Bundesgerichtsentscheide von 2011 zum Arbeitsrecht sowie viele Entscheide kantonaler Gerichte. In der Vergangenheit fanden sich wichtige Urteile oft nur im Jahrbuch, das eine unerschöpfliche Quelle ist. Nun bietet der Verlag auch einen elektronischen Service mit einem Jahresabonnement oder der Möglichkeit, einzelne Kapitel und Urteile herunterzuladen.
Bewertung: Für Arbeitsrechtler unverzichtbar. gh
Sozialversicherungsrecht
Matthias Kradolfer
Nicht objektivierbare Gesundheitsschäden im Licht der EMRK mit einem Vorwort von Philip Stolkin
Schulthess, Zürich 2012, 110 Seiten, Fr. 48.–
Der vorliegende Band 20 der Reihe «Forum Gesundheitsrecht» enthält das Gutachten, das der Autor im Auftrag von Rechtsanwalt Philip Stolkin erstellt hat. Es geht dabei um die Vereinbarkeit der Schweizer Rechtslage betreffend pathogenisch-ätiologisch unklare syndromale Beschwerdebilder ohne nachweisbare organische Grundlage mit dem Diskriminierungsverbot gemäss EMRK.
Nach einer Einführung ins Thema wird die Tragweite der EMRK-Rechte dargestellt. Der Gutachter kommt zum Schluss, dass die Einordnung bestimmter Beschwerdebilder und deren Sonderbehandlung zwar mit der EMRK zu vereinbaren sei. Doch würden gewisse daran angeknüpfte Verfahrensfolgen das Recht auf ein faires Verfahren verletzen.
Bewertung: Für Praktiker mit ähnlich gelagerten Fällen. jsp
Vertragsrecht
Michael Martin Kianicka
Die Agentenerklärung. Elektronische Willenserklärungen und künstliche Intelligenz als Anwendungsfall der Rechtsscheinhaftung
Schulthess, Zürich 2012, 14 Seiten, Fr. 77.–
Elektronisch, künstlich, Rechtsschein: Der Titel umschreibt die Problematik der automatisierten Abgabe von Willenserklärungen bei Vertragsschlüssen über digitale Medien. Die bestehenden rechtlichen Modelle sind auf die Zurechnung solcher Erklärungen und – vorgelagert – auf die Willensbildung nur beschränkt anwendbar.
Der Autor prägt in diesem Zusammenhang den Begriff der Agentenerklärung, die am ehesten dem Handlungsbild einer Stellvertretung entspricht, aber ohne darunter subsumierbar zu sein. Vielmehr ist die Agentenerklärung ein Anwendungsfall der Rechtsscheinlehre, mit der Folge, dass der Schein zur Rechtswirklichkeit wird und als einzige Voraussetzung für die Annahme der Agentenerklärung das subjektive Vertrauen in das Zustandekommen des fraglichen Rechtsgeschäfts ist.
Bewertung: Fundgrube zu Verträgen im digitalen Bereich. reb
Öffentliches Recht
Michael Pflüger
Die Legitimation des Gemeinwesens zur Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten
Dike, Zürich 2013, XLIX und 456 Seiten, Fr. 90.–
Im Zentrum der Dissertation steht das allgemeine Beschwerderecht. Ausgangspunkt ist ein Überblick über die Beschwerdebefugnis von Privatpersonen. Sodann werden Fälle dargestellt, bei denen das Bundesgericht eine Beschwerde des Gemeinwesens in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten zulässt.
Der Autor präsentiert ein eigenes Konzept zur Beschwerdelegitimation. Demnach dienen Verfahren nicht nur dem Individualrechtsschutz, sondern auch dem Betroffenenschutz – verstanden als Schutz für alle Betroffenen vor unzulässigen staatlichen Nachteilen. Es soll das Interesse an der rechtsgleichen Erfüllung der Aufgaben als schutzwürdiges Interesse des Gemeinwesens genügen. Ein Ansatz, der eine vereinfachte Prüfung der Legitimation und die Rechtssicherheit erhöhen könnte.
Bewertung: Empfehlenswertes rechtsfortbildendes Werk. me