1. Allgemein
1.1 Ziel der Übergangsbestimmungen
Gesetzgeberisches Ziel des Übergangsrechts nach Art. 448ff. der schweizerischen Strafprozessordnung (StPO) ist die möglichst rasche Ablösung des bisherigen Rechts durch die vereinheitlichte Strafprozessordnung auf den Zeitpunkt des Inkrafttretens.1 Es gilt danach der Grundsatz, wonach das neue Recht ab dem 1. Januar 2011 auch für bereits laufende Verfahren anzuwenden ist, soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt.2 Der Entscheid über die Frage der Anwendung alten oder neuen Rechts obliegt der jeweils mit der Sache selbst befassten Behörde,3 und zwar grundsätzlich ohne dass darüber ein formeller Zwischenentscheid zu fällen ist.4
1.2 Kein Rückwirkungsverbot
Die sofortige Anwendbarkeit der StPO auf Verfahren, die vor dem 1. Januar 2011 eingeleitet wurden - und damit Straftaten betreffen, die vor deren Inkrafttreten begangen wurden -, wirft die Frage nach dem Rückwirkungsverbot auf. Das Rückwirkungsverbot spielt jedoch insofern keine Rolle, als im Verfahrensrecht keine echte Rückführung stattfindet, die mit dem materiellen Strafrecht vergleichbar - und dort unzulässig5 - wäre. Schliesslich geht es bei der StPO nicht um die Anwendung nachträglich erlassener Verhaltensnormen oder Sanktionsfolgen auf einen bereits zuvor verwirklichten Sachverhalt.
Unabhängig davon findet aber der Gedanke der lex mitior, das heisst, der Anwendung des für die beschuldigte Person günstigeren Rechts, im intertemporalen Verfahrensrecht in gewissen Randbereichen Eingang.6
1.3 Anwendungsbereich
Die Art. 448ff. StPO gelten sowohl für die bisher nach kantonalem Prozessrecht geführten Verfahren in kantonaler Kompetenz gegen Erwachsene als auch für Strafverfahren, die im Rahmen der Bundesgerichtsbarkeit von den zuständigen Bundesbehörden (Bundeskriminalpolizei, Bundesanwaltschaft, Bundesstrafgericht)7 geführt werden.8
Besondere Bestimmungen gelten gemäss JStPO für das Verfahren gegen Jugendliche, die sich aber weitgehend an Art. 448ff. StPO anlehnen.9 Die Übergangsregelung für das kantonale Straf-, Verfahrens- und Organisationsrecht ist Sache des kantonalen Rechts.10
2. Grundsatz:Neues Recht ab 1. Januar 2011
2.1 Anwendbares Recht
Wie eben erwähnt, gilt der Grundsatz, dass Verfahren, die bei Inkrafttreten der StPO hängig sind, nach neuem Recht fortgeführt werden; nur soweit das Gesetz selbst dies vorsieht, gelangt bisheriges Recht zur Anwendung.11 Umgekehrt behalten Verfahrenshandlungen12, insbesondere Beweise und Zwangsmassnahmen13, die vor Inkrafttreten des Gesetzes nach bisherigem Recht angeordnet oder durchgeführt worden sind, grundsätzlich ihre Gültigkeit, selbst wenn sie nach der StPO nicht mehr zulässig wären.14 Werden aber - zum Beispiel im Rahmen von Art. 343 StPO - bereits unter altem Recht erhobene Beweise nochmals abgenommen, geschieht dies nach neuem Recht; beide Beweise sind dann verwertbar und stehen sich im Rahmen der Beweiswürdigung gleichwertig gegenüber.15
Allerdings muss eine altrechtliche Verfahrenshandlung, soll sie denn verwertbar bleiben, hinsichtlich der Beachtung der Grundrechte dem Standard entsprechen, wie ihn die StPO - etwa mit Bezug auf Eingriffe in die Privatsphäre bei der Beweiserhebung - vorgibt.16
Eher missverständlich erscheint in diesem Zusammenhang die Formulierung «angeordnet oder durchgeführt»: So muss etwa bei einer vor Inkrafttreten der StPO angeordneten, aber erst danach durchgeführten Zeugeneinvernahme oder einem Gutachten eine Spaltung der Gültigkeitserfordernisse vorgenommen werden.
Hinsichtlich der Anordnung - also der Vorladung des Zeugen beziehungsweise der Erteilung des Gutachtensauftrags - ist dabei bisheriges Recht anzuwenden, hinsichtlich der Durchführung der Verfahrenshandlung - Einvernahme des Zeugen, Erstellung des Gutachtens - neues Recht.17
Fraglich ist, ob aus Art. 448 Abs. 2 StPO folgt, dass Beweise, die altrechtlich ungültig waren, unter neuem Recht auch dann ungültig bleiben, wenn sie nunmehr den gesetzlichen Vorgaben entsprechen.18
Nach hier vertretener Auffassung ist in diesem Fall der altrechtliche Mangel als durch die neue Regelung geheilt zu betrachten. Dieses Vorgehen ist angebracht, weil die gegenteilige Auffassung zur Folge hätte, dass der Beweis einfach nochmals in identischer Weise erhoben werden müsste. Bei vor dem 1. Januar 2011 angesetzten Fristen gilt für den Beginn des Fristenlaufs altes Recht. Für die Berechnung oder die Fristwahrung hingegen gilt grundsätzlich neues Recht,19 soweit auch sonst neues Recht zur Anwendung gelangt.20
2.2 Zuständigkeit
2.2.1 Grundsatz
Bezüglich der sachlichen Zuständigkeit gilt der Grundsatz, dass bereits hängige Verfahren von jenen Behörden weitergeführt werden, die nach neuem Recht zuständig sind, es sei denn, das Gesetz weiche ausdrücklich davon ab.21 Auch die neuen Zwangsmass- nahmengerichte übernehmen am 1. Januar 2011 in hängigen Fällen die ihnen zugewiesenen Funk- tionen.22
2.2.2 Regelung von Konflikten
Tritt als Folge des Übergangs vom alten zum neuen Recht ein Kompetenzkonflikt auf, entscheidet darüber im innerkantonalen Verhältnis die Beschwerdeinstanz, bei interkantonalen Streitigkeiten und Streitigkeiten zwischen kantonalen und eidgenössischen Behörden das Bundesstrafgericht.23
2.3 Altrechtliche Zwangsmassnahmen
2.3.1 Allgemein
Ist eine vor dem 1. Januar 2011 angeordnete Zwangsmassnahme, die auf Dauer angelegt ist, nach neuem Recht materiell nicht mehr zulässig - etwa wenn bei Haft der altrechtliche Haftgrund oder bei Überwachungsmassnahmen eine Katalogtat nicht mehr gegeben sind -, ist sie unverzüglich einzustellen. Ist die Massnahme als solche aber auch nach StPO zulässig, behält sie grundsätzlich ihre Gültigkeit, und zwar auch dann, wenn das Verfahren oder die Bewilligungsbehörde ändern.24
Hingegen beurteilen sich Gesuche um Verlängerung oder Aufhebung nach dem 1. Januar 2011 sowohl materiell wie formell nach neuem Recht.
2.3.2 Zu einzelnen Zwangsmassnahmen
- Untersuchungshaft: Spätestens drei Monaten nach der Anordnung von Zwangsmassnahmen ist gegebenenfalls beim Zwangsmassnahmegericht um eine Verlängerung nachzusuchen.25 Allfällige Beschwerden sind gemäss Art. 453 Abs. 1 StPO nach bisherigem Prozessrecht zu behandeln, wobei jedoch materiell (Haftgründe) das neue Recht zur Anwendung gelangt.26
- Beschlagnahmen sind aufzuheben, wenn sie nach Art. 264 StPO nicht mehr zulässig sind.27
- Post- oder Telefonüberwachungen wie auch allfällige verdeckte Ermittlungen können für eine weiterbestehende Katalogtat fortgesetzt werden, andernfalls sind sie aber aufzuheben. Neue Zufallsfunde dürfen nur nach Massgabe von Art. 278 StPO verwertet werden; anders, wenn sie noch unter altem Recht gemacht wurden.28
- Eine vor Inkrafttreten begonnene Observation ist nach Ablauf eines Monats von der Staatsanwaltschaft zu genehmigen29 und hat nach Inkrafttreten der StPO eine umfassende Mitteilungspflicht im Sinne von Art. 283 StPO zur Folge.30
- Die Weiterführung einer ohne gerichtliche Bewilligung angeordneten Überwachung von Bank- beziehungen (Art. 284f. StPO) erfordert nach Inkrafttreten der StPO die Einholung der Genehmigung des Zwangsmassnahmengerichts.31
3. Aspekte der (unechten) Vorwirkung
3.1 Neue, fristgebundene Rechtsinstitute
Übergangsrechtliche Probleme können sich bei der Anwendung bestimmter, dem kantonalen Recht bisher nicht bekannter Institute des neuen Rechts ergeben. Es ist möglich, dass ein solches Rechtsinstitut davon abhängt, dass es von einem Verfahrensbeteiligten spätestens in einem bestimmten Verfahrensstadium beantragt oder geltend gemacht wird, dieser Zeitpunkt aber bereits unter der Herrschaft des alten Rechts eintritt. So muss die Erklärung, sich als Privatklägerschaft am Verfahren zu beteiligen, von der geschädigten Person - auch vom Opfer - spätestens bis zum Abschluss des Vorverfahrens abgegeben werden; die Staatsanwaltschaft trifft dabei eine Hinweispflicht.32
Ist bei Inkrafttreten der StPO das Vor- beziehungsweise Untersuchungsverfahren abgeschlossen, die Hauptverhandlung aber noch nicht eröffnet und hat sich die geschädigte Person nicht als Privatklägerschaft konstituiert (weil dies - wie etwa nach zürcherischer StPO - bisher nicht vorausgesetzt war), droht sie im gerichtlichen Verfahren ihrer Parteirechte verlustig zu gehen. Zwar wird postuliert, gestützt auf das Fairnessgebot33 solle die Konstituierung noch in der Hauptverhandlung zulässig sein.34 Zur sicheren Vermeidung von Rechtsverlusten empfiehlt es sich aber, entsprechende Erklärungen vor Abschluss des altrechtlichen Untersuchungsverfahrens einzuholen.35
Ähnlich verhält es sich beim Antrag der beschuldigten Person auf Durchführung des abgekürzten Verfahrens, der spätestens bis zum Zeitpunkt der Anklageerhebung zu stellen ist.36 Auch da spricht im Sinne eines reibungslosen Übergangs vom alten zum neuen Recht nichts dagegen, dass die Staatsanwaltschaft auch in Kantonen, die dieses Verfahren bisher nicht kannten, bei gegebener Konstellation die Beteiligten bereits vor Inkrafttreten darauf anspricht.37
3.2 Altrechtliche Verfahren nach dem 1. Januar 2011
Unter Umständen kann es sich aufdrängen, dass in Verfahren, auf die nach dem 1. Januar 2011 zwar noch das bisherige Recht anzuwenden ist,38 geprüft wird, ob nicht gewisse Regeln der neuen StPO zu beachten sind.39
Dies wird etwa für die Protokollführung, die Einsicht und Aufbewahrung von Akten, die Rechtsbeistände und die Anordnung von Zwangsmassnahmen angeregt;40 ferner sollen die Gerichte Entscheide, die zwar noch nach altem Recht ergehen, jedoch nach der StPO anfechtbar sind, bezüglich Form und Inhalt so weit als möglich auf das neue Recht abstimmen und auch entsprechend eröffnen und zustellen.41
4. Einzelne Verfahrensstadien
4.1 Vorverfahren
Nach dem Gesagten ist mit dem Inkrafttreten der StPO ein Verfahren im vorgerichtlichen Stadium nach den neuen Bestimmungen der StPO über das Vorverfahren42 weiterzuführen. Die bei der Vorgängerbehörde liegende Untersuchung ist der neurechtlichen Staatsanwaltschaft zu übertragen und von dieser ohne besondere Formalitäten oder Mitteilungen weiterzuführen, wobei altrechtliche Verfahrenshandlungen ihre Gültigkeit behalten.43
Die Verfahrensherrschaft geht in jedem Fall schon von Gesetzes wegen auf die Staatsanwaltschaft über; in Kantonen, die ein eigenständiges polizeiliches Ermittlungsverfahren kannten, ist dieses ab 1. Januar 2011 nach Massgabe von Art. 306 und 307 StPO weiterzuführen und abzuschliessen.44
4.2 Erstinstanzliches Hauptverfahren
Abweichend vom Grundsatz der sofortigen Anwendung des neuen Rechts wird das erstinstanzliche Hauptverfahren nach bisherigem Recht und vom bisher zuständigen Gericht fortgeführt, wenn die Hauptverhandlung bei Inkrafttreten der StPO bereits eröffnet ist.45 Schnittstelle ist nach dem klaren Wortlaut somit nicht die Rechtshängigkeit,46 sondern die Eröffnung der Hauptverhandlung, wobei zwischen diesen beiden Zeitpunkten unter Umständen ein längerer Zeitabschnitt liegen kann.47
Ist die Hauptverhandlung hingegen noch nicht eröffnet, hat das bisher zuständige Gericht gegebenenfalls die Anklage samt Akten per 1. Januar 2011 dem neu zuständigen Gericht zum weiteren Vorgehen nach Art. 328ff. StPO zu überweisen.
Nach einem Kreisschreiben des Obergerichts des Kantons Zürich48 soll im Sinne des Beschleunigungsgebotes beim Übergang der Zuständigkeit das anstelle des Geschworenengerichts neu zuständige Bezirksgericht im Einverständnis aller Parteien bereits vor Inkrafttreten Vorverhandlungen gemäss Art. 332 StPO durchführen können. Weiter können Terminabsprachen für die Hauptverhandlung getroffen werden. Hingegen können Vorladungen erst ab 1. Januar 2011 versandt werden, da sie als Zwangsmassnahmen gelten.
4.3 Nachträgliche Entscheide des Gerichts
Selbständige nachträgliche Entscheide betreffend Änderung oder Ergänzung der Sanktionsfolgen - sogenannte Nach- oder Widerrufsverfahren49- werden entsprechend Art. 363 StPO von jener Strafbehörde gefällt, die nach neuem Recht für das erstinstanzliche Urteil zuständig gewesen wäre.50
Bereits hängige Verfahren werden hingegen nach altem Recht weitergeführt und abgeschlossen.51 Damit ist gegen derartige Entscheide des Obergerichts (etwa betreffend Überprüfung altrechtlicher Verwahrungen im Sinne von Ziff. 2 Abs. 2 SchlBest. StGB v. 13.12.2002) im Kanton Zürich einstweilen weiterhin die Nichtigkeitsbeschwerde zulässig.52
4.4 Selbständige Massnahmeverfahren
Hängige Verfahren im Sinne von Art. 372ff. StPO werden grundsätzlich nach neuem Recht weitergeführt und abgeschlossen. Ist ein solches Verfahren bereits gerichtlich hängig, ist es von der bisherigen gerichtlichen Behörde fortzuführen, soweit diese auch nach neuem Recht zuständig ist; andernfalls ist es an die neurechtlich zuständige Gerichtsinstanz zu überweisen.53
4.5 Neue Beurteilung nach Abwesenheitsverfahren
Bereits hängige Gesuche um neue Beurteilung nach einem Kontumazialurteil werden nach bisherigem Recht beurteilt. Hingegen sind Gesuche, die nach Inkrafttreten gestellt werden und sich auf ein altrechtliches Abwesenheitsurteil beziehen, nach dem für die gesuchstellende Person günstigeren Recht zu beurteilen.54
Günstiger ist das bisherige Recht, wenn es - abweichend von Art. 368 Abs. 3 StPO - eine neue Beurteilung ohne Rücksicht auf ein allfälliges Verschulden am Fernbleiben von der Verhandlung zulässt. Kommt es in der Folge zu einer neuen Beurteilung, gilt dafür neues Recht.55
4.6 Rechtsmittelverfahren
4.6.1 Vor Inkrafttreten gefällte Entscheide
Wenn ein Entscheid vor Inkrafttreten der StPO gefällt worden ist, beurteilen die bisher zuständigen Behörden ein Rechtsmittel nach bisherigem Recht.56 Richtigerweise stellt die StPO, abweichend von der schweizerischen Zivilprozessordnung (ZPO57), auf den für alle Beteiligten identischen Zeitpunkt der Fällung und nicht auf die Zustellung des Entscheides ab. Die altrechtliche Regelung gilt also auch dann, wenn das Rechtsmittel zufolge Fristenlaufs erst nach Inkrafttreten erhoben wird.58 Für die zürcherische Nichtigkeitsbeschwerde bedeutet dies, dass sie während der Übergangsphase noch erhoben werden kann und vom Kassationsgericht zu beurteilen ist, was Entscheide des Geschworenengerichts (beziehungsweise des Obergerichts als erster Instanz) betrifft.59
Weist die kantonale Rechts- mittelinstanz oder das Bundesgericht die Sache nach dem 1. Januar 2011 an die untere Instanz zurück, so ist in der Folge neues Recht anwendbar und die Beurteilung erfolgt durch diejenige Behörde, die nach der StPO für den aufgehobenen Entscheid zuständig gewesen wäre.60 Dies kann anstelle des Kollegialgerichts neu das Einzelgericht sein oder anstelle des altrechtlichen Geschworenengerichts neu das erstinstanzliche Gericht im Sinne von Art. 19 StPO.61
Hebt das Bundesgericht den Entscheid des kantonalen Kassationsgerichts auf, ist für die Neubeurteilung die kantonale Berufungsinstanz zuständig.62
4.6.2 Nach Inkrafttreten gefällte Entscheide
Für Entscheide, die nach Inkrafttreten der StPO gefällt werden, gilt grundsätzlich neues Recht.63 Eine Ausnahme besteht dort, wo sich das Rechtsmittel gegen einen erstinstanzlichen Entscheid einer höheren Gerichtsinstanz richtet, indem hier weiterhin altes Recht gilt.64 Konkret geht es um Urteile kantonaler Wirtschaftsstrafgerichte oder Geschworenengerichte, die hierarchisch auf Stufe Obergericht angesiedelt sind.
Diese Konstellation kann eintreten, wenn die Hauptverhandlung noch vor Inkrafttreten der StPO eröffnet wurde und demzufolge nach altem Recht weiterzuführen ist.65 Die allfällige Rückweisung erfolgt wiederum an das nach neuem Recht zuständige (erstinstanzliche) Gericht.66
4.7 Strafbefehle und Übertretungsstrafverfahren
Einsprachen gegen altrechtliche Strafbefehle richten sich nach bisherigem Recht.67 Wird ein altrechtlicher Strafbefehl aufgehoben und an die Staatsanwaltschaft zurückgewiesen, richtet sich das nachfolgende Verfahren analog Art. 453 Abs. 2 StPO nach neuem Recht. Gleiches gilt für das Übertretungsstrafverfahren, das sich sinngemäss nach den Vorschriften über das Strafbefehlsverfahren richtet.68
4.8 Das Privatstrafklageverfahren
Die StPO kennt anders als verschiedene kantonale Prozessordnungen kein Privatstrafklageverfahren mehr. Ist ein solches im Zeitpunkt des Inkrafttretens vor erster oder auch zweiter69 Instanz hängig, wird es dort nach bisherigem Recht fortgeführt.70
Ist das Verfahren zwar eingeleitet, aber noch nicht gerichtlich anhängig gemacht worden, gilt neues Recht, etwa, wenn in Zürich ein Ehrverletzungsprozess erst bei der Schlichtungsbehörde (Friedensrichter) hängig ist. Das Verfahren ist dann der nunmehr zuständigen Staatsanwaltschaft zu überweisen. Dabei sollen nach Ziffer 3 des erwähnten Kreisschreibens71 die bis zum 31. Dezember 2010 bei den zürcherischen Bezirksgerichten eingegangenen Anklagen auch dann nach altem Recht fortgeführt werden, wenn die Weisung noch aussteht.72
1 Botschaft zur Vereinheitlichung des Strafprozessrechts vom 21.12.2005, BBl 2006, S. 1085ff., 1350; vgl. Niklaus Schmid, Übergangsrecht der Schweizerischen Strafprozessordnung (StPO), Zürich 2010 (zit: Übergangsrecht), N 12.
2 Art. 448 Abs. 1 StPO.
3 Vorbehältlich Kompetenzstreitigkeiten (Ziff. 2.2.2)
4 Schmid, Übergangsrecht, N 46f.
5 Art. 2 Abs. 1 StGB, Art. 7 Ziff. 1 EMRK.
6 Vgl. Art. 452 Abs. 2 StPO; näher Schmid, Übergangsrecht, N 13; ders., Handbuch des schweizerischen Strafprozessrechts, Zürich/St. Gallen 2009 (zit.: Handbuch), N 71.
7 Dazu Strafbehördenorganisationsgesetz (StBOG) v. 19.3.2010 (Inkrafttreten auf den 1.1.2011).
8 Art. 1 Abs. 1 StPO.
9 Art. 47 ff. JStPO.
10 Näher Schmid, Übergangsrecht, N 4ff.; vgl. für den Kanton Zürich §§ 210 und 211 GOG betreffend das Geschworenen- und das Kassationsgericht.
11 Art. 448 Abs. 1 StPO; ebenso Art. 47 Abs. 1 JStPO.
12 Auch private, z.B. Strafantrag, Schmid, Übergangsrecht, N 200.
13 Nachfolgend Ziff. 2.3.
14 Art. 448 Abs. 2 StPO; ebenso Art. 47 Abs. 2 JStPO. Näher Schmid, Übergangsrecht, N 18; vgl. auch BGer 6B_568/2009 v. 8.10.2009, E. 4.1 (in: forumpoenale 1/2010, S. 26) sowie ZR 109 (2010) Nr. 51 Erw. II.3.
15 Schmid, Übergangsrecht, N 19.
16 Schmid, Handbuch N 72 und hier Fn. 95; Thomas Fingerhuth, in: Andreas Donatsch / Thomas Hansjakob / Viktor Lieber (Hrsg.), Kommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung, Zürich 2010 (zit.: Kommentar), Art. 448 N 5.
17 Schmid, Übergangsrecht, N 24.
18 So Schmid, Übergangsrecht, N 20; ders., «Die Zwangsmassnahmen der StPO, besonders aus zürcherischer Sicht», in: Brigitte Tag / Max Hauri (Hrsg.), Schweizerische Strafprozessordnung, Zürich 2010, S. 65ff. (zit.: Zwangsmassnahmen), S. 91.
19 Art. 90 Abs. 2, 91 StPO.
20 Schmid, Übergangsrecht, N 111f.
21 Art. 449 Abs. 1 StPO; Art. 48 Abs. 1 JStPO. Vgl. für das Vorverfahren Ziff. 4.1.
22 Näher Schmid, Übergangsrecht, N 66f.
23 Art. 449 Abs. 2 StPO; ebenso Art. 48 Abs. 2 JStPO. Diese Bestimmung bezieht sich nicht auf sonstige Gerichtsstandskonflikte, Schmid, Übergangsrecht, N 91.
24 Schmid, Zwangsmassnahmen, S. 92 m.H. auf Ausnahmen (Überwachung mit technischen Überwachungsgeräten, Art. 280f. StPO); ders., Übergangsrecht, N 162; Fingerhuth, in: Kommentar, Art. 448 N 4.
25 Schmid, Übergangsrecht, N 171ff.; ders., Zwangsmassnahmen, S. 93 m.H. auf mögliche Fälle unzulässiger Vorbefassung (Art. 18 Abs. 2 StPO); dazu auch Andreas Keller, in: Kommentar, Art. 56 N 18.
26 Schmid, Zwangsmassnahmen, S. 94.
27 Schmid, Zwangsmassnahmen, S. 94, der die Verwertbarkeit von so erzielten Sekundärbeweisen bejaht, Fn. 83.
28 Schmid, Zwangsmassnahmen, S. 95; ders., Übergangsrecht, N 187f. Zum intertemporalen Recht bei geheimen Überwachungsmassnahmen s. auch Hansjakob, in: Kommentar, Art. 274 N 24, 278 N 29f., 281 N 35f., 282 N 33f., 285 N 20f. und 289 N 25f.
29 Art. 282 Abs. 2 StPO.
30 Schmid, Zwangsmassnahmen, S. 95; ders., Übergangsrecht, N 192f.
31 Schmid, Zwangsmassnahmen, S. 95; ders., Übergangsrecht, N 194.
32 Art. 118 Abs. 3 und 4 StPO.
33 Art. 3 StPO.
34 Max Hauri, Übergangsrecht, in: Brigitte Tag /Max Hauri (Hrsg.), Schweizerische Strafprozessordnung, Zürich 2010, S. 191ff., S. 194.
35 Lieber, in: Kommentar, Art. 118 N 15; Schmid, Übergangsrecht, N 127.
36 Art. 358 Abs. 1 StPO.
37 Schmid, Übergangsrecht, N 242f.
38 Vgl. Art. 450, 452 Abs. 1, 453 Abs. 1, 455 und 456 StPO.
39 Schmid, Übergangsrecht, N 32ff. m.H. auf die ausdrückliche Regelung von Art. 52 JStPO; betr. Vorwirkung im Rechtsmittelverfahren; ders., Übergangsrecht, N 287f.
40 Schmid, Übergangsrecht, N 45.
41 Art. 80ff. StPO.
42 Art. 299ff. StPO.
43 Schmid, Übergangsrecht, N 56f., 201.
44 Näher Schmid, Übergangsrecht, N 202f.
45 Art. 450 StPO.
46 So Niklaus Schmid, Schweiz. Strafprozessordnung (StPO), Praxiskommentar, Zürich/St. Gallen 2009 (zit.: Praxiskommentar), Art. 450 N 1, und ders., Handbuch, N 1864; jetzt aber ders., Übergangsrecht, N 71.
47 Lieber, in: Kommentar, Art. 450 N 2; Hauri, a.a.O., S. 194 Fn. 9. Der Begriff der Eröffnung beurteilt sich nach altem Recht, Botschaft (zit. Fn. 1), 1351, anders offenbar Hauri, a.a.O., S. 194.
48 Gesch.-Nr. VU100044 v. 7.7.2010; ähnlich Schmid, Übergangsrecht, N 76f.
49 Vgl. Aufzählung bei Christian Schwarzenegger, in: Kommentar, Art. 363 N 2.
50 Art. 451 StPO.
51 Lieber, in: Kommentar, Art. 451 N 2 m.H.
52 Was auch aus Art. 454 Abs. 2 StPO folgt.
53 Schmid, Übergangsrecht, N 277.
54 Art. 452 Abs. 1 und 2 StPO.
55 Art. 452 Abs. 3 StPO.
56 Art. 453 Abs. 1 StPO.
57 Art. 402 ZPO; vgl. Lieber, in: Kommentar, Art. 453 N 2.
58 Zur Problematik der nicht fristgebundenen Revision zugunsten des Verurteilten vgl. Lieber, in: Kommentar, Art. 453 N 5; Schmid, Übergangsrecht, N 305, je m.H.
59 Das Kassationsgericht ist bis 30.6.2012 tätig; dann hängige bzw. später eingehende Verfahren (z.B. Revisionen) behandelt das Obergericht, § 211 Abs. 1, 212 Abs. 1 lit. b und Abs. 2 GOG ZH. Das Geschworenengericht bleibt bis zur Erledigung aller hängigen Verfahren (Art. 450 StPO) tätig, § 210 GOG ZH.
60 Art. 453 Abs. 2 StPO.
61 Anschaulich Hauri, a.a.O., S. 199.
62 Entgegen Schmid, Übergangsrecht, N 338 Fn. 154, erfolgt im Kanton Zürich schon ab dem 1.1.2011 (und nicht erst ab 30.6.2012) eine Rückweisung im Falle der Gutheissung durch das Bundesgericht nicht mehr ans Kassationsgericht, sondern ans Obergericht, § 212 Abs. 1 lit. a GOG ZH.
63 Art. 454 Abs. 1 StPO.
64 Art. 454 Abs. 2 StPO; Schmid, Übergangsrecht, N 344f.
65 Art. 450 StPO; weitere Konstellation s. o, Ziff. 4.3
66 Schmid, Übergangsrecht, N 347.
67 Art. 455 i.V.m. Art. 453 StPO.
68 Art. 357 Abs. 2 StPO; für Einzelheiten nach zürcherischem Recht Hauri, a.a.O., S. 195f.
69 Lieber, in: Kommentar, Art. 456 N 1.
70 Art. 456 StPO.
71 zit. Fn. 48.
72 Entgegen Schmid, Praxiskommentar, Art. 456 N 2.