Nein, das kann ich nicht. Aber ich muss vorausschicken, dass es zum Glück ausserordentlich selten vorkommt, dass wir im Kanton Basel-Stadt jemanden zu Verwahrung verurteilen müssen. So ist 2007 und 2008 nur je einmal und 2009 in keinem Fall die Verwahrung ausgesprochen worden. In sämtlichen Verfahren handelte es sich um eine Verwahrung nach Artikel 64 Absatz 1 Strafgesetzbuch (StGB). Zu einer lebenslangen Verwahrung aufgrund von Artikel 64bis StGB ist bis heute am Strafgericht Basel-Stadt noch nie jemand verurteilt worden. Verfahren, in denen zwischen einem Antrag auf Verwahrung und einer stationären psychiatrischen Massnahme entschieden werden muss, kommen jedoch häufiger vor – solche Entscheide beschäftigen mich aber genauso.
Mit besonders schweren Gewaltdelikten hat man es immer zu tun. Die tragischen Schicksale der Opfer und ihrer Angehörigen berühren einen stark. In diesem Zusammenhang stellt sich immer die Frage, wie man die Wiederholung einer solchen Tat verhindern kann. Insofern spüren wir an den Strafgerichten einen starken gesellschaftlichen Druck, in unserer Entscheidfindung ausschliesslich die Sicherheit und das Sicherheitsbedürfnis der Gesellschaft in den Vordergrund zu stellen. Dabei geht vergessen, dass die Person des Täters im Zentrum steht – vor allem, wenn es um die Frage geht, welche Sanktion ausgesprochen werden soll. Ganz besonders gilt dies für Massnahmen bei psychisch auffälligen Personen.
Beim Entscheid, ob ein Täter verwahrt oder stattdessen eine stationäre psychiatrische Massnahme angeordnet werden soll, steht immer die Frage im Vordergrund, wie gross die Chance ist, dass eine Veränderung in seinem Verhalten – etwa durch professionelle spezialisierte Behandlung – erzielt werden kann. Jedoch bewegen wir uns da auf unsicherem Boden. Denn nichts ist schwieriger, als vorauszusagen, wie sich ein Mensch entwickeln wird.
Bei der Beurteilung der Gefährdung sind die Gerichte bezüglich der Prognosen in hohem Mass auf Fachleute angewiesen. In psychiatrischen Gutachten ist daher regelmässig auch eine Gefährlichkeitsprognose enthalten.
Die forensische Psychiatrie hat mittlerweile Kriterien entwickelt, die eine solche Prognose nachvollziehbar und diskutierbar machen. Letztlich wird aber in diesen Situationen immer wieder deutlich, wie stark die Richterinnen und Richter, welche die weitreichenden Entscheide treffen, von solchen Pro-gnosen abhängig sind.
Es sind diese schwierigen Entscheide, die ich nicht vergesse. Ich frage mich ab und zu, was aus den betroffenen Personen – und zwar aus den Tätern wie den Opfern – wohl geworden ist. Über das Schicksal der Opfer erfahre ich in der Regel nichts mehr.
Mit dem Verlauf der Verwahrung sind die Gerichte nur noch dann konfrontiert, wenn sich für die Massnahme Veränderungen ergeben. Bei Tätern, die zu einer stationären Massnahme verurteilt worden sind, muss das Gericht nach fünf Jahren über die Verlängerung entscheiden. In diesem Fall erfahren wir, wie die Massnahme verlaufen ist und ob sich beim Täter Veränderungen ergeben haben.
Es stellt sich dann jeweils von neuem die Frage, ob die Möglichkeit zu (wenn auch langsamer) positiver Entwicklung noch besteht oder ob aus Sicherheitsgründen doch noch die Verwahrung angeordnet werden muss. Die Diskussion mit den beteiligten Richterinnen und Richtern in der Gerichtskammer hilft, das Urteil breit abzustützen. Dann kann ich auch diese schwierigen Entscheide vor den Betroffenen und vor mir selbst vertreten.