Der Auftrag des Bundesrates an das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement (EJPD) im Jahr 2009 lautete, das Verjährungsrecht zu vereinheitlichen, die Verjährungsfristen zu verlängern und Unsicherheiten bei der Anwendung zu beseitigen. Inzwischen liegt der Vorentwurf des Departements vor. Darin hat das EJPD nun das gesamte Verjährungsrecht überarbeitet und insbesondere die Artikel 127 bis 142 Obligationenrecht (OR) völlig umgeschrieben.
Der Vorentwurf setzt die Vorgaben des Bundesrates teilweise um - geht aber inhaltlich sehr viel weiter. Die Vereinheitlichung würde mit dem neuen Entwurf umgesetzt. Die Verjährungsfristen für Personenschäden von bisher einem Jahr (relative Dauer) und zehn Jahren (absolute Dauer) würden neu auf drei und dreissig Jahre verlängert.
Gemäss Vorentwurf beginnt die absolute Frist mit dem Tag der schädigenden Handlung - also nicht mit Kenntnis der Schädigung. Dies wäre bei Personenschäden, die sich erst sehr lange nach der schädigenden Handlung manifestieren (beispielsweise Asbestose, Schäden durch Medikamente, Strahlen, chemische Stoffe) für Geschädigte noch immer unbefriedigend. Eine Verkürzung der Verjährungsfristen bei Personenschäden in Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) wäre nichtig.
Ohne einen bundesrätlichen Auftrag hat das EJPD im Vertragsrecht die Verjährung gekürzt: von zehn Jahren auf drei Jahre - ohne jede Begründung. Gemäss Vorentwurf dürfen zudem diese Verjährungsfristen in den Verträgen noch auf ein Jahr verkürzt werden. Das gilt etwa auch für Miet-, Arbeits- und Konsumentenverträge. Die wirtschaftlich stärkere Partei könnte somit nach dem neuen Recht die Verjährungsfristen in den AGB generell auf ein Jahr verkürzen.
Im Bericht zum Vorentwurf erörtert das EJPD die Frage der Verkürzung der Verjährungsfristen für Verträge mit keinem Wort. Zur Streichung des bisherigen Artikel 129 OR («Unabänderlichkeit der Fristen») schreibt es lapidar: «Die vertragliche Abänderbarkeit wird aufgrund der etwas starren einheitlichen Fristen liberalisiert. Die Fristen können so den Erfordernissen eines bestimmten Anspruchstyps angepasst werden.» Zum Schutz der schwächeren Partei reiche eine minimale Frist von einem Jahr aus.
Widerspruch zum Auftrag des Bundesrates
Unter dem Stichwort Rechtsvergleich wird darauf hingewiesen, dass in Deutschland, Frankreich und England das Verjährungsrecht weitgehend dispositiv sei. Diese Ausführungen basieren auf einem Gutachten des Schweizer Instituts für Rechtsvergleichung vom Februar 2011, das in der Literaturliste des Berichtes zum Vorentwurf aber nicht erscheint. Dies obwohl die Formulierungen teilweise wörtlich daraus übernommen wurden.
Laut diesem Gutachten existiert jedoch in keinem Land eine vergleichbare Regelung wie jene des neu vorgeschlagenen Artikels 133 OR («Abänderbarkeit der Fristen»). Im Gegensatz zur Kürzungsmöglichkeit der vertraglichen Verjährungsfrist bis auf ein Jahr gehen die anderen europäischen Rechtsordnungen mehr oder weniger streng davon aus, dass eine vertragliche Abänderung der Verjährungsfristen im Konsumentenbereich, Arbeitsrecht, Miete und anderen Bereichen nicht oder nur sehr eingeschränkt möglich ist.
Der Vorentwurf vermittelt den Eindruck, dass mit dem Gesetzgebungsverfahren zur Vereinheitlichung der Verjährungsfristen auch eine allgemeine Verkürzung der Verjährungsfristen in Verträgen durchgesetzt werden soll. Dies widerspricht dem Auftrag des Bundesrates und dürfte politisch kaum durchsetzbar sein.