Das ist unklar. Bis im Jahr 2007 war die Rechtslage im Arzthaftungsrecht einfach: Öffentliche Spitäler hafteten ihren Patientinnen und Patienten gestützt auf das öffentliche Recht, Privatspitäler hingegen nach Privatrecht. Die Kantone konnten Privatspitäler auf die Spitalliste setzen und ihnen einen krankenversicherungsrechtlichen Leistungsauftrag erteilen. Vom Kanton gab es in aller Regel aber keine Subventionen.
Seit der KVG-Revision von 2007 erhalten aber alle Listenspitäler Geld von Krankenversicherung und Kanton – egal ob Privatspital oder öffentliche Klinik. Mit einem Mal waren die privaten Listenspitäler öffentlich subventionierte Einrichtungen und erfüllten damit öffentliche Aufgaben. Deshalb stellte sich die Frage: Kommt in diesen Spitälern öffentliches Haftungsrecht zur Anwendung, wenn ein Patient unsorgfältig behandelt wird?
Nach der Funktionstheorie ist Privatrecht massgebend, wenn es um die Erfüllung privater Aufgaben geht, während das öffentliche Recht bei öffentlichen Aufgaben anwendbar ist. Die Lehre ist sich aber uneinig, was im öffentlich subventionierten privaten Listenspital gilt (siehe dazu Regina Aebi-Müller, Walter Fellmann, Thomas Gächter, Bernhard Rütsche, Brigitte Tag, Arztrecht, Stämpfli Verlag 2016, wo dies in §2 diskutiert wird). Die Professoren Thomas Gächter und Bernhard Rütsche verweisen auf die Funktionstheorie und wollen in diesen Fällen öffentliches Haftungsrecht angewendet wissen. Regina Aebi-Müller, Walter Fellmann und Brigitte Tag dagegen wollen im Privatspital immer Privatrecht anwenden.
Gegen die öffentlich-rechtliche Natur des Behandlungsverhältnisses am privaten Listenspital spreche eine Reihe von Argumenten:
Die Anwendung von Privatrecht im Privatspital und öffentlichem Recht im öffentlichen Spital habe sich bewährt und sei praktikabel.
Die Zuordnung nach der Funktionstheorie führe zu teilweise absurden Konsequenzen, da nur jene Behandlungen öffentlich-rechtlicher Natur wären, die vom kantonalen Leistungsauftrag gedeckt sind. Dazu zählen jene Teile der Behandlung nicht, die von einer Zusatzversicherung gedeckt sind oder vom Patienten selber bezahlt werden. Für eine fehlerhafte Diagnose eines Belegarztes in der Privatpraxis würde Privatrecht gelten, für seine Behandlungsfehler im Rahmen der stationären Behandlung öffentliches Recht und für Fehler bei der Nachbehandlung (etwa ungenügende Sicherungsaufklärung über das Verhalten zu Hause) wieder Privatrecht.
Die klassischen Abgrenzungstheorien (Interessentheorie, Subordinationstheorie und Sanktionentheorie) würden alle für die Anwendung von Privatrecht im Privatspital sprechen.
Als Anwalt von Geschädigten kann ich den Privatrechtlern Aebi-Müller und Fellmann sowie der Strafrechtlerin Tag nur recht geben. Die Privatisierung öffentlicher Spitäler gibt diesen mehr Gestaltungsfreiheit. Dann sollen aber konsequenterweise auch die privatrechtlichen Vorschriften zur Anwendung kommen. Die Haftung der öffentlichen Hand bringt den Betroffenen keinen Mehrwert, am Schluss leistet ohnehin meist eine Versicherung.
Die teilweise Anwendung von öffentlichem Recht im Privatspital führt zu einer erheblichen Rechtsunsicherheit und macht es für geschädigte Patientinnen und Patienten noch schwieriger als bisher – egal ob bei einem Privatspital oder bei einer öffentlichen Klinik –, ihre Ansprüche durchzusetzen. Die Justiz ist gefordert, hier bald eine Klärung herbeizuführen.