Drei Werke kommentieren das neue, am 1. Januar 2011 in Kraft getretene Lugano-Übereinkommen (LugÜ). Der Basler Kommentar von Oetiker/Weibel zeigt sich bei den materiell bedeutenden und teilweise auch strittigen Vorschriften als besonders umfassend. Demgegenüber ist er bei den Übergangs-, Koordinations- und Schlussbestimmungen sowie bei den Protokollen verhältnismässig kurz gehalten. Bei den Übergangsbestimmungen orientiert er sich teilweise stark an Stämpflis Handkommentar. Der Basler Kommentar ist mit vielen Titeln und Hervorhebungen gestaltet, was dessen Übersichtlichkeit und Lesbarkeit fördert.
Stämpflis Handkommentar von Dasser/Oberhammer erscheint in der zweiten Auflage. Schon die erste hatte das neue Recht vorausschauend berücksichtigt, was für die Neuauflage genutzt wurde. Bei den materiell bedeutenden Artikeln ist dieser Kommentar deutlich kürzer, aber auch prägnanter als der Basler Kommentar. Für den Praktiker ist das kein Nachteil. Hervorzuheben sind die Anhänge mit einer Konkordanztabelle zu den Gesetzesbestimmungen des aLugÜ sowie die Auflistung der wichtigsten Entscheide des Gerichtshofes der Europäischen Union. Diese Praxishilfe ist beim Zitieren von Entscheiden wertvoll. Dass Titel spärlich gesetzt sind, erschwert aber das Querlesen.
Wie Dasser/Oberhammer hat sich auch Schnyder bei der Kommentierung der materiell bedeutenden Artikel kürzer gefasst. Das Sachregister ist vergleichsweise bescheiden. Spezifische Informationen sind dadurch schwerer aufzufinden. Die Hervorhebung von Schlüsselbegriffen im Text macht das aber teilweise wett und ermöglicht zugleich zügiges Querlesen.
Die drei Kommentare überzeugen alle durch ein hohes Niveau. Im Basler Kommentar sowie in Stämpflis Handkommentar sind viele gegenseitige Verweise zu finden. Bei Schnyder werden die beiden anderen Kommentare leider nicht berücksichtigt. Insgesamt ist der Basler Kommentar, auch rein vom Umfang her, der umfassendste. Die beiden anderen Werke beschränken sich auf das Wesentliche, insbesondere Dasser/Oberhammer erweisen sich als stark praxisorientiert.
Kurt Berger
Besprochene Bücher
Anton K. Schnyder (Hrsg.)
Lugano-Übereinkommen zum internationalen Zivilverfahrensrecht. Kommentar
Dike, Zürich 2011, 1237 Seiten, Fr. 298.-
Christian Oetiker, Thomas Weibel (Hrsg.)
Lugano-Übereinkommen. Basler Kommentar
Helbing Lichtenhahn, Basel 2011, 1196 Seiten, Fr. 328.-
Felix Dasser, Paul Oberhammer (Hrsg.)
Lugano-Übereinkommen. Stämpflis Handkommentar
2. Auflage Stämpfli, Bern 2011, 1294 Seiten, Fr. 288.-
Anwaltsrecht
Andrea Schütz
Anwaltswerbung in der Schweiz - UWG als Alternative zu Art. 12 lit. d BGFA?
Schulthess Verlag, Zürich 2011, 424 Seiten, Fr. 89.-
Die Dissertation schliesst eine Lücke auf dem helvetischen Buchmarkt, gab es doch bislang noch kein Werk, das sich derart eingehend mit der Materie auseinandersetzt. Neben einer Analyse der derzeitigen Gesetzeslage sowie der herrschenden Lehre und Rechtsprechung fehlen auch ein Blick über die Grenze nach Deutschland und klare Revisionsvorschläge nicht.
Die Autorin spricht sich dezidiert für eine Aufhebung der anwaltlichen Werbebeschränkung aus und vertritt die Ansicht, Artikel 12 litera d Anwaltsgesetz (BGFA) könne ersatzlos gestrichen und durch einen Verweis auf das Bundesgesetz über den unlauteren Wettbewerb (UWG) ersetzt werden.
Bewertung: Wertvolle Argumente für die rechtspolitische Debatte. sb
Sozialversicherungsrecht
Silvia Bucher
Eingliederungsrecht der Invalidenversicherung
Stämpfli, Bern 2011, 569 Seiten, Fr. 131.-
Mit der systematischen Darstellung des Eingliederungsrechts füllt die Autorin eine Lücke. Sie zeigt auf, wie aus «Eingliederung vor Rente» zuerst «Eingliederung statt Rente» und neuerdings «Eingliederung aus Rente» wurde. Bucher erarbeitet die Neuerungen der 5. und 6. IV-Revision. Sie berücksichtigt Bundesgerichtsentscheide und Literatur der letzten zehn Jahre, verzichtet aber auf kantonale Urteile und ältere Werke.
Die Voraussetzungen der einzelnen Massnahmen werden umfassend behandelt, ebenso die Besonderheiten für Ausländer. Der Text ist gut lesbar, setzt sich kritisch mit Gesetzgebung und Rechtsprechung auseinander und bietet eine knappe, genaue Darstellung für die Praxis, oft illustriert mit Gerichtsentscheiden. Einziger Mangel: Ein Stichwortverzeichnis fehlt.
Bewertung: Pflichtlektüre für alle, die sich mit Eingliederung befassen. kpf
Werkvertragsrecht
Peter Gauch
Der Werkvertrag, 5. Auflage
Schulthess, Zürich 2011, 1078 Seiten, Fr. 345.-
Der inzwischen emeritierte Freiburger Rechtsprofessor Peter Gauch hat in der Neuauflage die Entwicklungen in den vergangenen fünfzehn Jahren seit der letzten Auflage dieses Standardwerkes aufgearbeitet. Aufbau und Randnummern folgen weitgehend dem bisherigen System.
Nach wie vor stellen die Mängelhaftung und Vergütung des Unternehmers Schwerpunkte dar. Die relevanten OR-Bestimmungen, das Wiener Kaufrecht, das Submissionsrecht und die SIA-Norm 118 werden behandelt, Rechtsprechung und andere Lehrmeinungen eingehend dargestellt und kritisch beleuchtet.
Die Teilrevision des Sachenrechts von Anfang 2012 ist, wo relevant, berücksichtigt. Inhaltsverzeichnis, Sach-, Normen- und Gesetzesregister erleichtern die Suche.
Bewertung: Gehört zur Grundausstattung jeder im Werkvertragsrecht tätigen Kanzlei. dba
Staatsrecht
Denise Buser
Kantonales Staatsrecht
Eine Einführung für Studium und Praxis, 2. Auflage
Helbing Lichtenhahn, Basel 2011, 241 Seiten, Fr. 59.-
Der systematische Überblick zum kantonalen Staatsrecht führt die Besonderheiten wie auch die Parallelen der einzelnen kantonalen Rechtsordnungen auf und erläutert die Stellung der Kantone zum Bund. In den Ausführungen über die Kompetenzen und die finanzielle Eigenständigkeit wird auch die Neugestaltung des Finanzausgleichs und der Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen abgehandelt.
Die Mitwirkungsrechte beim Bund sowie die Beziehungen der Kantone untereinander und zum Ausland und insbesondere zur EU werden ebenso erläutert wie die politischen Rechte und die Grundrechte, die kantonalen Behörden und Gerichte sowie die Verfassungsgerichtsbarkeit des Bundesgerichtes gegenüber kantonalen Erlassen. Ergänzend wird zum Schluss auf das Staatsrecht der Gemeinden eingegangen.
Bewertung: Handliches Lehr- und Handbuch für Studium und Praxis. me
Strafprozessrecht
Raphaël Arn / Nicole Sauer / André Kuhn (Hrsg.)
Organisation der kantonalen und eidgenössischen Strafbehörden
Helbing Lichtenhahn, Basel 2011, 743 Seiten, Fr. 198.-
Trotz der neuen gesamtschweizerischen Strafprozessordnung gibt es Residuen des kantonalen Rechts: Zentral dabei sind die Organisation der Strafbehörden, aber auch einzelne kantonale verfahrensrechtliche Besonderheiten. Das Autorenteam liefert für alle Kantone und für die Bundesstrafbehörde einen konzisen Überblick. Der Text ist jeweils in den Amtssprachen des betreffenden Kantons verfasst, die Bundesstrafbehörde wird deutsch und französisch vorgestellt.
Dazu gibt es Adressen der zuständigen Behörden, Hinweise auf die gesetzlichen Grundlagen, auf kantonale Rechtsprechungsübersichten sowie auf die Regeln der amtlichen Verteidigung wie der unentgeltlichen Vertretung der Privatklägerschaft. Eine überblickartige Synthese in Deutsch und Französisch zu Beginn rundet das Werk gut ab.
Bewertung: Das Buch gehört in die Bibliothek von Strafrechtsspezialisten. sb
Immaterialgüterrecht
Bendicht Claudius Lüthi
System der internationalen Zuständigkeit im Immaterialgüterrecht
Dike, Zürich 2011, 870 Seiten, Fr. 144.-
Die Berner Dissertation beeindruckt schon mit ihrem Umfang: Allein das über fünfzig Seiten starke Literaturverzeichnis zeichnet akribisch die einschlägigen Werke des Immaterialgüterrechts nach und weist auf herausragende Schriften zum internationalen Zivilprozessrecht hin. Der Autor widmet sich der Frage, wann ein immaterialgüterrechtlicher Streit vor Gerichten ausserhalb des «Belegenheitsortes» des jeweiligen Rechtes ausgetragen werden kann.
Er vertieft mit Fokus auf das Markenrecht allgemeine Fragen zu den räumlich-persönlichen Anwendungsvoraussetzungen der Zuständigkeitsnormen und geht der Anknüpfung der inländischen Zuständigkeit für ausländische Markenrechte nach.
Bewertung: Revidierter international-zivilprozessrechtlicher Themenkreis im Überblick. tva
Grundrechte
Melanie Krüsi
Das Zensurverbot nach Art. 17 Abs. 2 der Schweizerischen Bundesverfassung
Schulthess Zürich 2011, 28 Seiten, Fr. 79.-
Das Zensurverbot der Bundesverfassung ist auf die Freiheit der Massenmedien zugeschnitten. Doch es greift allgemein bei der öffentlichen und insbesondere der sozialrelevanten Kommunikation, zum Beispiel der Meinungsäusserung an Versammlungen auf öffentlichem Grund. Die Autorin weist in deutlicher Sprache auf die Gefahr präventiver Eingriffe für die Kommunikationsfreiheit und den gesellschaftlich-politischen Diskurs hin.
Präventivmassnahmen sind hier nur ausnahmsweise zulässig: Wenn das öffentliche Interesse an einem Äusserungsverbot sowohl gegenüber der Meinungsäusserungsfreiheit des Einzelnen als auch des öffentlichen Interesses an einem freiheitlichen Diskurs schwerer wiegt und somit verhältnismässig im Sinne der Verfassung ist.
Bewertung: Erfrischend klar. Ein Beitrag zur Handhabung des Zensurverbots in der Praxis. reb
Strafprozessrecht
Niklaus Ruckstuhl / Volker Dittmann / Jörg Arnold
Schulthess, Zürich 2011,
618 Seiten, Fr. 118.-
Das Hauptgewicht des Lehrbuchs liegt auf der Darstellung des Strafprozessrechts. Im ersten, in eingängiger Sprache abgefassten Teil werden sämtliche Aspekte des Verfahrens konzis und praxisnah erörtert, wobei zuweilen die Sicht der Verteidigung dominiert.
Der zweite und dritte Teil sind - und das macht das Werk innovativ und spannend - dem naturwissenschaftlichen und kriminaltechnischen Gutachten sowie den Grundlagen der Rechtsmedizin und der forensischen Psychiatrie gewidmet. Fachleute vermitteln darin Wissen, das im Jus-Studium nur sehr beschränkt erworben werden kann, im Strafrechtsalltag jedoch an Bedeutung gewinnt. Das Buch ist sehr übersichtlich gestaltet, wozu auch der massvolle Einsatz der Fussnoten beiträgt. Ein Stichwortverzeichnis erleichtert die rasche Orientierung.
Bewertung: Eine Bereicherung für die Strafprozessrechtsliteratur. df