Pass nicht entscheidend
Heimatbegriff · In Diskussionen über Zuwanderung und Ausländerkriminalität ist das Verständnis von Heimat oft eng: Zur Unterscheidung von Schweizern und Ausländern ist der Pass das alleinige Kriterium. Das Völkerrecht fasst Heimat weiter.
Inhalt
Plädoyer 3/13
23.05.2013
Letzte Aktualisierung:
03.10.2013
Isabelle Bindschedler
Heimat bedeutet für jede Person etwas anderes. Für die einen ist Heimat der Kreis der Familie. Andere sind dort beheimatet, wo sie geboren wurden oder leben. Häufig ist aber die Zugehörigkeit zu einer Ethnie, Nation oder einem Land zentrales Element des Heimatbegriffs.
Wenn es in der Schweiz um die Unterscheidung zwischen Schweizern und Ausländern geht, wird vor allem der Pass als Unterscheidungskriterium beigezogen. Die Umsetzung der Ausschaffungsinitiative...
Heimat bedeutet für jede Person etwas anderes. Für die einen ist Heimat der Kreis der Familie. Andere sind dort beheimatet, wo sie geboren wurden oder leben. Häufig ist aber die Zugehörigkeit zu einer Ethnie, Nation oder einem Land zentrales Element des Heimatbegriffs.
Wenn es in der Schweiz um die Unterscheidung zwischen Schweizern und Ausländern geht, wird vor allem der Pass als Unterscheidungskriterium beigezogen. Die Umsetzung der Ausschaffungsinitiative wirft die Frage auf, ob hier wohnhafte ausländische Staatsangehörige sich darauf berufen können, dass die Schweiz für sie Heimat geworden ist. Gemäss Art. 12 Abs. 4 Uno-Pakt II (Pakt über bürgerliche und politische Rechte) darf niemandem willkürlich das Recht entzogen werden, in sein Land einzureisen. Laut dem Uno-Menschenrechtsausschuss ist das «eigene Land» beziehungsweise die Heimat nicht an die Staatsbürgerschaft gebunden. Niedergelassene Ausländer, die schon lange in der Schweiz leben oder hier aufgewachsen sind, können sich auf den Uno-Pakt II berufen.
Keine Wurzeln im Ursprungsland
Aufenthaltsstatus und -dauer müssen beim Aussprechen des Einreiseverbots beziehungsweise beim Landesverweis beachtet werden. Das Bundesgericht hat in einem Entscheid (Urteil 2C_828/2011 vom 12. Oktober 2012) festgehalten, dass bei einem Normenkonflikt zwischen Bundes- und Völkerrecht die Menschenrechte vorgehen. Diese Argumentation gilt auch für die Uno-Pakt-II-Norm.
Niedergelassene Ausländer der zweiten oder dritten Generation können geltend machen, die Schweiz sei ihre Heimat. Häufig kennen sie ihr Ursprungsland nur als Ferienland oder beherrschen die Sprache schlecht. Dies traf auch auf den jungen Mazedonier im oben erwähnten Urteil zu: Er ist als Siebenjähriger in den Thurgau eingereist und hier aufgewachsen. Mit 19 Jahren hat er sich als Drogenkurier einspannen lassen und ist zu einer bedingten Gefängnisstrafe verurteilt worden. Seine Beschwerde gegen die gleichzeitig verfügte Ausweisung hat das Bundesgericht gutgeheissen. Das Gericht erachtete, dass mit der Ausweisung Art. 8 EMRK verletzt werde. Es hätte auch auf die Verletzung der Uno-Pakt-II-Norm hinweisen können.