Rechtzeitig sind zwei gewichtige Kommentare und ein Lehrbuch zur Schweizerischen Zivilprozessordnung (ZPO) erschienen.
Beim ersten Kommentar handelt es sich um ein Gemeinschaftswerk von Anwälten der Kanzlei Baker & McKenzie in Zürich. Obwohl der Handkommentar einen beachtlichen Umfang aufweist, werden die einzelnen Artikel übersichtlich kommentiert. Diese Knappheit bringt allerdings auch mit sich, dass Fragen, über deren Beantwortung auch unter Experten noch Uneinigkeit besteht, kaum diskutiert werden.
Die Autoren des zweiten Kommentars rekrutieren sich aus Anwaltschaft und Gerichten. Die Herausgeber haben als Mitglieder der Expertenkommission die Entstehung der ZPO über Jahre begleitet. Dies mag Grund dafür sein, dass die Kommentierung ausführlicher - das Werk umfasst mehr Seiten - und differenzierter ausfällt, Kontroversen erwähnt und die eigene Ansicht als solche erkennbar von den einzelnen Autoren dargelegt wird.
Beim dritten Buch handelt es sich um ein Lehrbuch, das insbesondere Studierenden eine Grundlage für die Erarbeitung des Zivilprozessrechts bieten soll. Daher kommentieren die Autoren nicht die einzelnen Artikel der neuen Prozessordnung, sondern erläutern gegliedert in einzelne Kapitel grundsätzliche Begriffe. Auch Praktikern wird das Buch als Arbeitsinstrument dienen können, um das neue Prozessrecht in die bekannten dogmatischen Grundsätze einzuordnen.
Mit den drei Büchern liegen Werke vor, die in der Praxis wertvolle Dienste leisten werden. Auch wenn es wohl noch eine Juristengeneration dauern wird, bis die meisten Fragen geklärt sind und die angestrebte Vereinheitlichung in der Praxis gesamtschweizerisch umgesetzt werden kann, ist man, je nach Bedürfnissen, mit einem der drei Bücher für den 1. Januar 2011 gewappnet. Es gibt weitere Werke, so von Brunner / Gasser / Schwander im Helbing Lichtenhahn Verlag und von Spühler / Dolge / Gehri im Stämpfli Verlag, die später ebenfalls an dieser Stelle rezensiert werden.
Susanne Friedauer
Besprochene Bücher
Baker & McKenzie (Hrsg.)
Schweizerische Zivilprozessordnung (ZPO)
Stämpfli Verlag, Bern 2010, 2100 Seiten, Fr. 388.-
Thomas Sutter-Somm / Franz Hasenböhler / Christoph Leuenberger (Hrsg.)
Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung (ZPO)
Schulthess, Zürich / Basel / Genf 2010, 2736 Seiten, Fr. 448.-
Christoph Leuenberger / Beatrice Uffer-Tobler
Schweizerisches Zivilprozessrecht
Stämpfli Verlag, Bern 2010, 530 Seiten, Fr. 118.-
Neue Bücher
Arbeitsrecht
Philipp Mühlhauser
Das Lohnbuch 2010, Mindestlöhne sowie orts- und berufsübliche Löhne in der Schweiz
Orell Füssli Verlag, Zürich 2010, 592 Seiten, CHF 65.-
Das wichtigste Nachschlagewerk der Deutschschweiz über Mindestlöhne, orts-, berufs- und branchenübliche Löhne soll das Buch sein. Mit diesem Anspruch tritt das Zürcher Lohnbuch die Nachfolge des eingestellten Aargauer Lohnbuches an. Das Werk übernimmt die allgemeine Systematik der Wirtschaftszweige des Bundesamtes für Statistik. Es enthält zahlreiche Berufsgattungen und listet deren Bruttolöhne auf. Die Angaben stammen aus Gesamtarbeitsverträgen, von Berufs- und Arbeitgeberverbänden. Wir erfahren zum Beispiel, dass im Kanton Zürich ein Gerichtsschreiber am Handelsgericht deutlich mehr verdient als der vollamtliche Laienrichter am Bezirksgericht (10 317 gegenüber 9622 Franken). Eine beigefügte Tabelle hilft, die Zürcher Löhne auf die anderen Regionen der Deutschschweiz umzurechnen.
Bewertung: Gehört im Personalwesen zur Pflicht, bei Anwälten zur Kür. kpf
Datenschutz
Rolf H. Weber / Lukas Lezzi / Orsolya Fercsik Schnyder
Datenschutz versus Öffentlichkeitsprinzip
Schulthess Verlag, Zürich 2010,
224 Seiten, Fr. 68.-
Der Autor setzt sich umfassend mit dem Gesetz über die Information und den Datenschutz des Kantons Zürich vom 12. Februar 2007 auseinander. Vorab geht er auf die verschiedenen möglichen Regelungsmodelle ein. Dabei gibt er einen wertvollen Überblick über die in anderen Kantonen getroffenen Regelungen. Der dritte Teil geht unter dem Titel «materielles Zusammenspiel von Informationsrecht und Datenschutz» ganz konkret auf einzelne Problematiken ein, zum Beispiel den Umgang mit Personendaten, wobei die bundesrechtlichen Regelungen des eidgenössischen Datenschutzgesetzes den kantonalen gesetzlichen Normen gegenübergestellt werden. Das Buch ist vor allem für in Zürich tätige Praktiker von hohem Nutzen, kann aber auch in anderen Kantonen oder in der Wissenschaft wertvolle Ideen und Lösungsansätze liefern.
Bewertung: Vollständige Darstellung der Zürcher Lösung mit Blick über die Kantonsgrenzen. kg
Invalidenversicherung
Susanne Fankhauser
Sachverhaltsabklärung in der Invalidenversicherung - ein Gleichbehandlungsproblem
Schulthess Verlag, Zürich 2010, 375 Seiten, Fr. 78.-
Für die Beurteilung eines Rentenanspruchs ist die sorgfältige Abklärung des Sachverhaltes notwendig. Da es den richtigen und vollständig ermittelten Sachverhalt insbesondere im Bereich der Gesundheitsbeeinträchtigung laut Autorin nicht gibt, ist es wichtig, einen Entscheid zu fällen, den die versicherte Person akzeptieren kann. Dem Gleichbehandlungsgebot kommt dabei eine wichtige Bedeutung zu. Einzig durch einheitliche Standards für die Erhebung und Würdigung der von externen Sachverständigen erstellten Beweismittel könne dieses Gebot eingehalten werden. Da die Praxis nicht überall den geforderten Massstäben materieller und formeller Natur entspricht, fordert die Autorin, dass bereits bei der Erteilung externer Gutachtensaufträge hinreichend konkrete und überprüfbare Anforderungen formuliert werden.
Bewertung: Ein hilfreiches Nachschlagewerk für die Praxis. tn
Baurecht
Rainer Schumacher
Sicheres Bauen und sichere Bauwerke. Wer haftet? Alle!
Schulthess, Zürich 2010,
162 Seiten, CHF 95.-
Ein kompaktes Werk, das eine interdisziplinäre systematische Übersicht zum sicheren Bauen gibt - sei dies im Hinblick auf ein optimales Risikomanagement, die richtige Vertragsgestaltung oder die Beratung in Konfliktfällen. Ausgehend von den Fragen, was, wie und wer geschützt werden soll, geht der Autor auf die Haftungsarten über, zum Beispiel im Privatrecht, um dann die Haftung nach Strafrecht abzuhandeln. In einem weiteren Hauptteil werden die Sorgfaltspflichten, insbesondere die Baunormen, unter die Lupe genommen. Artikel 3 der Bauarbeitenverordnung (BauAV, SR 832.311.141) unterzieht der Autor einer intensiven Auslegung. Das Ergebnis zeigt, wie unüberblickbar die Normenflut und deren materieller Inhalt mittlerweile ist. Das Werk schliesst mit klar formulierten Impulsen für die Vertragsgestaltung.
Bewertung: Handlicher Wegweiser in einer fast unüberblickbaren Baunormenflut. me
Sozialversicherungsrecht
René Schaffhauser / Ueli Kieser
Arbeitsunfähigkeit und Taggeld
Schriftenreihe des Instituts für Rechtswissenschaft und Rechtspraxis IPR-HSG, Band 71,
St.Gallen 2010, 234 Seiten, Fr. 85.-
Die Tagung vom Herbst 2009 in Luzern befasste sich mit den Situationen, in denen wegen Arbeitsunfähigkeit Taggeld gezahlt wird (IV, KV, UV, MV, ALV etc.). Im Tagungsband sind sieben juristische und zwei medizinische Referate abgedruckt, darunter befinden sich auch Lösungsvorschläge für eine bessere Koordination der Taggelder. Ebenfalls enthalten ist eine Zusammenfassung der neusten Rechtsprechung. Vorgestellt wird zudem eine ergonomische Arbeitsplatzanalyse namens eap@ für die Beurteilung der Arbeitsfähigkeit. Mit diesem Instrument lassen sich auch die psycho-kognitiven Faktoren eines Arbeitsplatzes bewerten, zum Beispiel also emotionale Belastungen oder die Anforderungen bezüglich Verantwortung, Stressresistenz oder geistiger Flexibilität. Ein ärztlicher Erfahrungsbericht rundet das Thema ab.
Bewertung: Ein wertvoller Beitrag zur besseren Bewältigung des Themas in der Praxis. da
Invalidenversicherung
Urs Müller
Das Verwaltungsverfahren in der Invalidenversicherung
Stämpfli Verlag, Bern 2010,
505 Seiten, Fr. 158.-
«Das Urteil kommt nicht mit einem Mal, das Verfahren geht allmählich ins Urteil über.» Dieses Zitat Franz Kafkas aus dem Buch «Der Prozess» hat der Autor dem zu besprechenden Werk vorangestellt und erhofft sich, dass die dargestellte Theorie zu einer guten Praxis verhilft - eine Hoffnung, der sich alle Betroffenen gerne anschliessen, lässt sich doch aus der langen Dauer der heutigen Verfahren nicht gleichsam auf eine sorgfältige Abklärung schliessen. Am umfangreichsten gestaltet ist das Kapitel über das Abklärungsverfahren, was aus Sicht der Praxis zu begrüssen ist. Dort finden sich eine übersichtliche Zusammenstellung zur Abgrenzung zwischen Tat- und Rechtsfragen und Ausführungen zu den medizinischen Abklärungen - beides Themen, die in der Praxis relevant sind und immer wieder zu Diskussionen Anlass geben.
Bewertung: Empfehlenswert für Praktiker im Sozialversicherungsrecht. sf
Ausländerrecht
Martina Caroni / Thomas Gächter / Daniela Thurnherr
Bundesgesetz über die Ausländerinnen und Ausländer (AuG), Handkommentar
Stämpfli Verlag, Bern 2010,
1376 Seiten, Fr. 328.-
Das AuG ist am 1. Januar 2008 in Kraft getreten und hat das schweizerische Ausländerrecht für Angehörige von Staaten ausserhalb des EU-/Efta-Raums, auf eine neue Grundlage gestellt. Seither wurde das Gesetz mehrfach revidiert, weitere Revisionen sind im Gang. Genereller Stand der im Buch behandelten Rechtsprechung und Literatur ist der 1. Juli 2009, laufende Revisionen (Stand Januar 2010) werden zudem im Anhang dargestellt, und die Entwicklungen im Bereich des Familiennachzugs sind bis Frühling 2010 nachgeführt. Die Querbezüge zum Freizügigkeitsabkommen EU/Efta und die artikelweise eingearbeitete Gerichts- und Verwaltungspraxis runden das Werk ab. Im Anhang finden sich zudem der Text der Verordnung über Zulassung, Aufenthalt und Erwerbstätigkeit (VZAE) und ein Stichwortverzeichnis.
Bewertung: Als Nachschlagewerk im Ausländerrecht ein Muss. da
Führungsgespräche
Judith Naef / Rolf Zimmermann / Catherine André
Führungsgespräche und rechtliche Fallstricke in der öffentlichen Verwaltung
Schulthess Verlag, Zürich 2010, 242 Seiten, Fr. 65.-
Erfolgreiche Führungsgespräche hängen von vielen Faktoren ab. Wie man sich in Konfliktsituationen rechtlich korrekt verhält und mögliche Stolpersteine im Voraus entschärft, zeigt vorliegende Publikation. Im ersten Teil geben die Autoren einen Leitfaden zur Vorbereitung und Durchführung anspruchsvoller Gespräche. Der Zweite widmet sich der Gesprächsführung im Führungsalltag. Der dritte Teil behandelt die Grundlagen des öffentlich-rechtlichen Personalrechts. Die im Führungsalltag zu beachtenden Grundsätze wie das rechtliche Gehör, das Verhältnismässigkeitsprinzip und das Verfassen rechtlich verwertbarer Aktennotizen werden hier detailliert besprochen. Sehr wertvoll ist der Anhang mit den wichtigsten Hinweisen auf die gesetzlichen Grundlagen, Mustervorlagen und Abläufe rechtlicher Interventionen bei ungenügender Leistung.
Bewertung: Gut strukturiertes und lesbares Handbuch für jeden Linienvorgesetzten. me