Ganz klar: Ja. Die Vereinigung «Juristinnen Schweiz - Femmes Juristes Suisse» ist dieses Jahr zehn Jahre alt geworden. Und sie hat sich nicht überlebt. Vielmehr hat sich herausgestellt, dass ihre Themen immer noch unter den Nägeln brennen.
Die Juristinnen Schweiz setzten sich die Ziele, frauenspezifische Sichtweisen in allen Rechtsbereichen zu fördern und die Interessen von Juristinnen auf nationaler und internationaler Ebene wahrzunehmen.
Nach einer Befragung von Rechtsstudentinnen zu Beginn des Studiums sind kaum Unterschiede zwischen Frauen und Männern mit Bezug auf die Einstellung zu Recht, zu Gerechtigkeit und zu den juristischen Berufen festzustellen. Auch die Leistungsmotivation und der Führungsstil unterscheiden sich nicht signifikant (siehe Axel Tschentscher, Geschlechtssspezifische Einstellung zu Recht und Gerechtigkeit, AJP 2003, 1139 ff.).
Wie verändert sich dies im Laufe des Berufslebens? Prägen Erfahrungen im Beruf geschlechtsspezifisch? Leider gibt es dazu keine gefestigten Daten, aber wir stellen in der Juristerei eine ausgeprägte horizontale und vertikale Segregation fest: Rechtsanwältinnen sind häufig im Familienrecht und in der Opferhilfe tätig, Männer haben den Grossteil der lukrativen Beratungsmandate von Wirtschaftsunternehmen inne. In Führungsfunktionen oder als Partnerinnen grosser Anwaltsbüros müssen wir Frauen noch mit der Lupe suchen.
Das liegt nicht am Wissen und Können, sondern daran, dass Geschlechterbilder den Wahrnehmungsprozess beeinflussen: «der Mann» als unabhängig, rational, selbstsicher, «die Frau» als anpassungsfähig und verständnisvoll. Zum Stereotyp passende oder nichtpassende Informationen werden selektiv verarbeitet: Frauen werden anders eingeschätzt als Männer, selbst wenn sie gleich fähig, gleich interessiert und im gleichen Umfeld tätig sind. Auch dies einer der Gründe, weshalb Frauen viel seltener als Referierende an Weiterbildungsveranstaltungen auftreten.
In einem traditionell von Männern geprägten Umfeld - das sind wir im Rechtsleben - bedeuten diese Geschlechterbilder eine Schmälerung von Chancen. Auch und vor allem im Beruf. Dies kann Frauen verunsichern. Die Geschlechterbilder sind deshalb aufzubrechen.
Die Juristinnen Schweiz haben verschiedene Kampagnen gestartet, um juristische Karrieren zu unterstützen. Es ist gleichzeitig wichtig, dass Frauen Verbindungen eingehen, um Erfahrungen und Erkenntnisse auszutauschen und im beruflichen Umfeld Feedback und Rückhalt zu finden. Die Juristinnen Schweiz bilden die schweizweite Plattform für diese Vernetzung.
Juristinnen sind persönlich wie beruflich mit Fragen der besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf konfrontiert: Karriere trotz Familienzeit muss möglich sein, auch für Frauen. In solchen Zusammenhängen verstehen sich die Juristinnen Schweiz als Think- Tank für die Rolle der Juristinnen in gesellschaftlichen wie rechtlichen Entwicklungen. Juristinnen haben aus ihren spezifischen Erfahrungen heraus viel zu sagen. Ihr Expertinnenwissen ist «an den Mann» zu bringen. Die Juristinnen Schweiz stellen das Sprachrohr zur Verfügung. Sie lassen sich deshalb in rechtlichen Fragen immer wieder vernehmen.