Manche wollen selbstbestimmt arbeiten. Lukas Bürge gehört zu dieser Gruppe. Er hat sich ein paar Tage nach dem Staatsexamen in Bern selbständig gemacht, acht Jahre ist es nun her. «Ich habe als Erstes einen Laserdrucker und einen Laptop gekauft, mehr brauchte ich nicht», sagt der 37-Jährige im Rückblick. Dann habe er eine Zeitung abonniert. «Schliesslich wollte ich mir die Zeit vertreiben können, während ich auf die Anrufe von potenziellen Klienten wartete», fügt er lachend hinzu.
Die Zeitung lag bald darauf ungelesen auf dem teuren Bürotisch, den er sich geleistet hatte - beim übrigen Büromobiliar musste das schwedische Einrichtungshaus genügen. Heute hat sich seine Kanzlei auf dem Platz Bern etabliert, er beschäftigt halbtags eine Sekretärin, bildet einen Praktikanten aus.
«Ich habe extrem Low Budget angefangen», erinnert er sich. «Druckerpapier kaufte ich nur im Sonderangebot und mein Fotokopierer hatte Einzelblatteinzug.» Da ging schon mal ein Sonntag fürs Kopieren von Akten drauf - das Privatleben litt. Bürge zahlte einen nichtmonetären Preis.
Als Einzelkämpfer ist er eher die Ausnahme. Häufiger sehen die Konstellationen so aus: Mehrere Anwälte finden sich in einer Bürogemeinschaft zusammen und teilen die Kosten für Sekretariat, Bibliothek und die technische Infrastruktur. Oder ein jüngerer Anwalt arbeitet in einer Kanzlei mit, wo er zu einem festen Lohn angestellt ist. Nachdem er sich einige Jahre bewährt hat, stellt sich die Frage, ob er zum Partner aufsteigen will. Diese Möglichkeit steht Junganwälten erst nach mehrjähriger Betriebszugehörigkeit - in der Regel vier bis acht Jahre - mit dem entsprechenden Erfolgsausweis offen. Und sie kostet Geld.
Hohe Bandbreite bei Einkaufssummen
Wer eine Partnerschaft in einer Topkanzlei anstrebt, muss sich bewusst sein, dass die damit verbundene Beteiligung am Unternehmen ganz schön teuer werden kann. Die Bandbreite der Einkaufspreise ist hoch. «Für mittlere Kanzleien beläuft sich der Betrag auf rund 200 000 Franken. Bei einer grossen Wirtschaftskanzlei kann die Summe auch auf über eine Million Franken ansteigen», weiss ein Branchenkenner. Bei einer Umfrage von plädoyer gaben sich zwar diverse Topkanzleien verschwiegen. Bei denjenigen, die den Fragebogen beantworteten, bestätigt sich aber dieses Bild.
Anstieg vor allem bei Topkanzleien
«Weil die Umsätze der Wirtschaftskanzleien in den letzten Jahren gestiegen sind, sind in den Topkanzleien auch die Einkaufssummen für Partnerschaften gewachsen», so Michael Hüppi, Sprecher des Anwaltsverbandes. Vor fünf bis zehn Jahren habe es in der Schweiz kaum Einkaufssummen von einer Million Franken gegeben.
Abgesehen von solchen Extremfällen müssen designierte Partner in der Regel mit Kosten von 50 000 bis höchstens 250 000 Franken rechnen. Dies gilt mitunter auch für reine Unkostengemeinschaften. Im Bereich der «normalen» Kanzleien sind gemäss Michael Hüppi die Konditionen für eine Partnerschaft in den letzten Jahren stabil geblieben. «Entscheidend ist hier für die Höhe der Partnerschaftskosten vor allem die verfügbare Infrastruktur wie IT-Einrichtungen oder eine juristische Fachbibliothek», so der Sprecher des Anwaltsverbands.
Modelle mit degressiven Prozentabgaben
Meist muss die Partnerschaftsleistung nicht auf einen Schlag bar bezahlt werden. Das trifft vor allem für grössere Kanzleien zu, die hohe Summen verlangen. In der plädoyer-Umfrage (siehe Tabelle) zeigte sich, dass der Betrag oft gestaffelt über mehrere Jahre von der Gewinnbeteiligung beziehungsweise dem Lohn abgezogen wird. «Das kann sich über einen Zeithorizont von drei, durchaus aber auch mehr Jahren erstrecken», sagt ein Zürcher Anwalt. Wer zum Partner aufsteigt, finde solche Fragen in zuweilen mehrseitigen Verträgen detailliert geregelt. Darin ist dann nicht nur der Beitrag an die vorfinanzierte Infrastrukur definiert, sondern es wird auch festgelegt, ob und auf welche Weise die Akquisition von Mandaten vergütet wird. Reicht etwa der «Rainmaker», also ein Seniorpartner, ein Mandat weiter, so ist ihm eine Abgabe von beispielsweise 10 Prozent des verrechneten Honorars geschuldet. Teilweise würden auch degressive Sätze vereinbart, bei denen der Satz bei 20 bis 30 Prozent beginne und im Laufe der Partnerschaftsjahre sukzessive sinkt. Sein Fazit: «Jede Kanzlei hat eine andere Mandatsstruktur, und so können solche Regelungen durchaus sinnvoll sein.»
Die ausgeklügeltsten Modelle finden sich bei den grossen Wirtschaftskanzleien. Die Partner von Pestalozzi Rechtsanwälte AG zum Beispiel leisten gestaffelt über die Jahre eine Einlage von 300 000 Franken. Beim Austritt aus der Partnerschaft erhalten sie den Betrag aber wieder zurück. Etliche Kanzleien ziehen die Einkaufssumme tranchenweise von der Gewinnbeteiligung beziehungsweise dem Lohn ab. Beim Zürcher Ableger der US-Kanzlei Baker & McKenzie sind im Laufe der Partnerschaft fünf Prozent eines jährlichen Partnereinkommens als Kapital einzuzahlen.
Lockstep-System belohnt die Dauer der Partnerschaft
Zur Begleichung der Einzahlung kommt in manchen Kanzleien das sogenannte Lockstep-System zum Zuge: Ein eintretender Partner erhält eine bestimmte Anzahl Punkte, berechnet rein mathematisch aus Jahrgang und Dienstalter. Qualifikation und Leistung spielen dabei keine Rolle. Die Gewinnverteilung erfolgt nach der Anzahl der gesammelten Punkte. Das heisst, langjährige Partner erhalten einen deutlich grösseren Anteil, während sich der frisch eingestiegene Partner mit einem tieferen Jahresentgelt begnügen muss und so über mehrere Jahre seinen Beitrag für den Einstieg in die Kanzlei leistet.
Meist kommen gemischte Modelle zum Zug: Ein Teil wird nach Lockstep abgerechnet und belohnt die Seniorität, der Rest richtet sich nach der eigenen Leistung. Bei Froriep Renggli macht der Anteil von Lockstep 55 Prozent aus, bei Pestalozzi 85, bei Vischer 40 und bei Baker & McKenzie 10 Prozent. Von Homburger und Niederer Kraft &Frey sind dazu keine Angaben erhältlich.
Zwischen den Extremen eines Starts mit selbst zusammengeschraubten Billigmöbeln oder einer Einkaufssumme von mehreren hunderttausend Franken liegt das breite Mittelfeld. «Ich habe mich mit rund 50 000 Franken in die Kanzlei eingekauft», erzählt ein 40-jähriger Rechtsanwalt aus einem kleineren Büro im Grossraum Zürich. Er ist jüngst vom angestellten Anwalt zum Partner aufgestiegen und damit Teil einer Altersnachfolge, denn die Seniorpartner werden sich in absehbarer Zeit aus dem Geschäft zurückziehen. Mit dem Geld beteiligte er sich zum einen an der bestehenden Infrastruktur, der Rest war Beitrag für die anstehenden Investitionen in die IT.
Er habe Glück gehabt, «die Seniorpartner wollten nicht den Reibach machen, sie verzichteten darauf, einen Goodwill einzufordern». Anderseits vertritt er die Meinung, im Vorfeld während seiner mehrjährigen Tätigkeit auch ein gutes Stück zum Wert der Kanzlei beigetragen zu haben. Und gibt man sich auch kollegial Mandate weiter, ohne irgendwelche Beträge oder Honoraranteile einzufordern.
Bei einer Nachfolgeregelung in Bern haben die Parteien einmal den Ansatz von pauschal 1000 Franken pro Mandat gewählt. Das ergab die «Einkaufsumme» von 50 000 Franken. «Eine solche Abrechnung ist nicht unproblematisch», sagt der Betriebswirtschafter und Treuhandexperte Patrik Galli aus Solothurn, der zusammen mit Rechtsanwalt Matthias Miescher Kanzleien bei der Nachfolgeregelung berät. «Oft sind die Mandate personenbezogen, und wenn der Senior dann weg ist, heisst das nicht automatisch, dass der Klient beim Nachfolger bleiben wird.»
Die beiden empfehlen einen pragmatischen Ansatz bei der Festlegung einer Einkaufssumme, der die bestehende Substanz - zu einem realistischen Zeitwert - und die künftige Entwicklung, den sogenannten Earn-out berücksichtigt. So gibt der neue Partner zum Beispiel während einigen Jahren einen prozentualen Anteil des Cashflows ab. «Irgendwann will man eine Nachfolge abschliessen», sagt Galli, «ich empfehle deshalb, eine Zahlungsdauer von drei bis fünf Jahren zu vereinbaren.»
Die Grafik zu den Einkaufssummen finden Sie oben im PDF-Dokument, das Sie herunterladen können.