Die Luzerner Kantonsrichterin Marianne Heer beobachtet: «Die Aus- und Weiterbildung ist zu einem eigentlichen Markt geworden, wo gutes Geld verdient wird.» Und ein Zürcher Rechtsanwalt sagt: «Anfangs ärgerte ich mich über die hohen Preise für die Weiterbildungskurse. Mittlerweile habe ich mich wohl oder übel daran gewöhnt.» «Vor allem für junge selbständige Anwälte sind diese Kurse unbezahlbar», regt sich ein anderer Zürcher Rechtsanwalt auf, der nicht mit Namen erwähnt werden will.
Die grössten Anbieter auf dem Weiterbildungsmarkt für Juristen sind in der Deutschschweiz das Europainstitut an der Universität Zürich und das Institut für Rechtswissenschaft und Rechtspraxis der Universität St. Gallen.
Das teuerste Seminar des letzten Jahres war der eintägige Weiterbildungskurs «Pflegekostenfinanzierung» der Uni St. Gallen. Preis: 890 Franken – inbegriffen waren die Seminarunterlagen, der Begrüssungskaffee, das Mittagessen einschliesslich Mineralwasser und Kaffee, die Pausengetränke und die Getränke im Plenum.
39 Personen nahmen an diesem Kurs im Hotel Holiday Inn in Zürich teil – ergibt knapp 35 000 Franken an Teilnahmegebühren. Das günstigste Seminar der Uni St. Gallen im letzten Jahr war der halbtägige Anlass «Invaliditätsgrad». Auch dieser kostete noch stolze 290 Franken – 172 Personen konnten sich dennoch dafür begeistern. Das ergibt fast 50 000 Franken an Teilnehmergebühren. Neben diesen beiden Kursen führte der St. Galler Veranstalter letztes Jahr noch 26 weitere Seminare durch: Elf kosteten 540 Franken, zehn 560 Franken, vier 750 Franken und eines 580 Franken. Uni-Sprecherin Alexandra Huber wollte nicht Stellung nehmen zur Frage, nach welchen Kriterien die Preise angesetzt werden.
Beim Europainstitut der Universität Zürich reichte die Kostenspanne für die Teilnahme im letzten Jahr von 250 bis 660 Franken. Bei der Abteilung Weiterbildung Recht der Uni Luzern kostete der billigste halbtägige Kurs 150 Franken, der teuerste ganztägige Kurs 510 Franken.
Sind diese Kosten überhöht? Die Seminarkosten setzen sich zusammen aus den Kosten für Raum, Referenten, Seminarunterlagen, Werbung und Administration. Die genauen Kosten pro Kurs wollte keiner der angefragten Veranstalter mitteilen.
Gemäss Karin Vogt von der Stiftung juristische Weiterbildung Zürich werden die Kosten für die Teilnehmer so angesetzt, dass sie die Ausgaben knapp decken. Die Stiftung sei nicht gewinnorientiert. Der Löwenanteil der Kosten betreffe die Saalmiete. Diese beträgt beim Kongresshaus Zürich für einen Tag mit bis zu 200 Gästen maximal 4300 Franken. Das Referentenhonorar liegt gemäss plädoyer-Recherchen zwischen 900 und 2000 Franken.
“Europainstitut ist nicht gewinnorientiert”
Laut Marina Toscan vom Europainstitut hält sich der Ertrag aus den Weiterbildungsveranstaltungen in engem Rahmen. Es sei ein Mythos, dass sie für die Universitäten «Cash-Cows» seien. Das Europainstitut habe abzüglich der direkten Ausgaben im Jahr 2015 einen Ertrag aus den Seminaren von rund 800 000 Franken erzielt. «Zieht man die Lohnkosten der Mitarbeiter und andere indirekte Kosten ab, gelangt man auf einen Nettoertrag von 150 000 Franken.» Dieses Geld werde vollständig für nichtkommerzielle Zwecke verwendet – etwa für öffentliche Veranstaltungen mit Gratiseintritt. Toscan: «Das Europainstitut ist ein gemeinnütziger Verein und nicht auf Gewinnerzielung aus.»
Auch der Ertrag der St. Galler Kurse ist laut Ueli Kieser gering und werde in die universitäre Forschung investiert. Einzelne Tagungen seien defizitär und müssten drittfinanziert werden: «Die Werbung ist nicht gerade billig – hinzu kommen der Druck des Programms und die Herausgabe eines Tagungsbandes.» Reich werde man auch bei hohen Tagungsgebühren nicht.