Der Strafrechtler und Kriminologe Karl-Ludwig Kunz lehrte über dreissig Jahre lang an der Uni Bern. Seit seiner Pensionierung 2013 arbeitet er mit «gebremster ­Energie» von seinem Zuhause in Münsingen BE aus. Der Übergang in den Ruhestand sei ihm nicht leichtgefallen, sagt der 70-Jährige. «Wenn man lange in der Tretmühle ist, fällt es schwer, aufzuhören.» ­Irgendwie falle einem das Dach auf den Kopf. Man werde weniger gefordert und sei oft allein. Nach ­einem halben Jahr hätte er dann die Vorteile der ­neugewonnenen Freiheiten erkannt. «Frei von Verpflichtungen zu sein, das ist schön!»

Zu den neuen Freiheiten gehört die sportliche ­Betätigung. Kunz schwingt sich jeden Tag auf seinen Hometrainer. Ausserdem wandert er gerne. Er erzählt, wie er mit Freunden nach Obersteinberg im Lauterbrunnental loswanderte  – «das waren sechseinhalb Stunden den Berg hoch und am nächsten Tag sechs­einhalb Stunden wieder runter». Vor dreissig Jahren hätte er das noch am gleichen Tag hingekriegt, sagt er ­lachend. «Heute nehme ich es etwas gemütlicher.» Er macht auch regelmässig mit seinem Elektrovelo längere Ausflüge. Und dann beansprucht ihn das ­Ferienhaus im Wallis: «Das alte Bauernhaus will ­gewartet, gepflegt und instand gehalten werden.» 

Ganz von der Arbeit lassen will Kunz nicht: «Ich verfasse noch immer wissenschaftliche Arbeiten und halte Vorträge im In- und Ausland.» Das Strafrecht ist für ihn nichts Technisches, «das man einfach anzuwenden lernt, sondern etwas, worüber man nachdenkt». Leider verstehe man das Recht heute «nicht mehr als ein inhaltliches Wertesystem», sondern als Technik, mit der soziale Probleme irgendwie geregelt werden sollen. Der Versuch, Sicherheit zu schaffen, sei auf allen Ebenen dominant – und zwar mittels Sanktionen. «Aber jedes Strafrecht schafft auf irgendeine Weise Sicherheit, auch despotische Staaten schaffen Sicherheit.» Das könne jedoch nicht unser Verständnis von Strafrecht sein.