Walter Stöcklis Plan nach der Pensionierung war einfach: «Ab jetzt sind die nächsten Seiten einfach mal weiss», sagt der heute 68-Jährige. Der Zürcher Sozialdemokrat leitete ab 1984 den Rechtsdienst der Schweizerischen Flüchtlingshilfe und machte Einsätze als Beauftragter des UNHCR. 1992 wechselte er in die Asylrekurskommission. Ab 2007 war Stöckli Richter am Bundesverwaltungsgericht. 

Ende März 2016 schloss Stöckli sein Büro hinter sich und ging in Rente. Er mietete in Samedan GR für einen Monat ein Haus. Jeden Tag empfing er Freunde und Verwandte. Jeder blieb, solange er wollte. «Das waren vier unvergessliche Wochen.» 

Seine letzten beiden Unfälle mit dem Tourenvelo und Rennvelo hingegen möchte er lieber nicht lange in Erinnerung behalten. Seine Frau schüttelt nur den Kopf, wenn sie daran denkt. «Sobald er auf den Töff oder aufs Velo steigt und für längere Zeit unterwegs ist, mache ich mir Sorgen.» Stöckli antwortet mit einem Augenzwinkern: «Solange Töff und Velo in der Garage stehen, höre ich nicht auf.» Der Ex-Richter ist seit seiner Jugend ein passionierter Velo- und Motorradfahrer. In der Garage hoch oben über Biel stehen eine BMW und eine Ducati 1200. 

Wegen der Velounfälle musste er eine Balkantour verschieben. «Geplant ist eine Route mit der BMW nach Kosovo, Albanien und Montenegro.» Immerhin reichte es letztes Jahr für eine vierwöchige Reise durch den Iran, ein andres Land, das ihn während der 32 Jahre im Asylbereich beschäftigt hat. Eine weitere Passion des 68-Jährigen ist das Lesen. Schon als Richter habe er bis zu 60 Bücher im Jahr gelesen. «Heute sind es gut 100.» Besonders die russischen Schriftsteller haben es ihm angetan. «Ich lese zurzeit wieder die gesamte Reihe von Dostojewski in der neuen Übersetzung. Wahrlich ein Genuss!» Literatur fliesst auch in die beiden CAS-Kurse in Migrations- und Asylrecht ein, die er seit 2016 an der Universität Bern gibt.