Staats- und Verwaltungsrecht
Die unabhängige Beschwerde-instanz für Radio und Fernsehen (UBI) soll Medienbeiträge nicht auf eine Persönlichkeitsverletzung Betroffener hin prüfen (von der UBI zu Unrecht gemacht bezüglich eines Beitrags des «Kassensturz», wo ein Schönheitschirurg mit verdeckter Kamera gefilmt wurde). Dazu sind die Zivil- und Strafgerichte zuständig. Ausnahmen sind möglich, wo diverse Aspekte derart nahe beieinander liegen, dass eine Kompetenzattraktion durch die UBI nötig wird.
(2C_89/2008 vom 26. Juni 2008)
Bestimmungen der Pflichtenhefte für eine geschützte Ursprungsbezeichnung (AOC) dürfen vom Richter vorfrageweise auf ihre Verfassungsmässigkeit überprüft werden (hier Greyerzer). AOC-Pflichtenhefte dürfen Qualitätsanforderungen enthalten, die strenger sind als diejenigen desLebensmittelrechts. Sie dürfen aber nicht sinn- und zwecklos sein.
(Urteil 2C_234/2008 vom 28. Juli 2008)
Bei der Beurteilung der Verfassungsmässigkeit von unterschiedlichen Steuertarifen fürAlleinstehende und Ehepaare kann nicht auf einen direkten Vergleich der Steuerbelastung bei gleichem Einkommen abgestellt werden. Vielmehr müssen die Steuerbeträge aus den Einkommen gegenübergestellt werden, die Ehepaaren und Alleinstehenden den gleichen Lebensstandard gewährleisten würden. Nach Statistiken ist dabei davon auszugehen, dass Ehepaare dazu 1,4-mal mehr verdienen müssten.
(2C_397/2007 vom 18. März 2008)
Die Durchsetzungshaft gegeneinen renitenten Ausländer muss nicht als unverhältnismässig aufgehoben werden, wenn der Betroffene jede Kooperation bei der Klärung seiner Identität kategorisch verweigert. Die Verhältnismässigkeit muss mit zunehmender Dauer der Haft immer kritischer hinterfragt werden. Angesicht der im konkreten Fall noch um maximal fünf Monate verlängerbaren Haft (plus sechs Monate Aussschaffungshaft) überwiegt aber das öffentliche Interesse an einer Haft.
(2C_253/2008 vom 7. Juli 2008)
Beim Um- oder Anbau einesöffentlichen Gebäudes besteht eine Pflicht zur behinderten-gerechten Anpassung nur für jene Gebäudeteile, die vom bewilligungspflichtigen Änderungsvorhaben berührt sind.
(1C_48/ vom 9. Juli 2008)
Zivilrecht
Stockwerkeigentümer sind bei der Mitgliederversammlung gleich wie Angehörige eines Vereins vom Stimmrecht ausgeschlossen (Art. 68 ZGB), wenn über ein Rechtsgeschäft oder einen Rechtsstreit zwischen der Gemeinschaft und dem betreffenden Mitglied, seinem Ehegatten oder einem Verwandten in gerader Linie zu beschliessen ist. Nicht als Rechtsgeschäft, sondern als interner Verwaltungsakt gilt die Ernennung des Verwalters.
(5A_149/2008 vom 10. Juli 2008)
Das Anwaltsmonopol vor Bundesgericht in Zivil- und Strafsachen (Art. 40 BGG) gilt auch dann, wenn statt der ordentlichen Einheits-beschwerde die subsidiäre Verfassungsbeschwerde (Art. 113 ff. BGG) erhoben werden muss. Zu den Zivilsachen (mit Anwalts-monopol) gelten auch Schuldbetreibungs- und Konkurssachen sowie öffentlich-rechtliche Entscheide, die in unmittelbarem Zusammenhang mit Zivilrecht stehen.
(5D_139/2007 vom 10. April 2008)
Die Verletzung einer Verhaltensnorm des Bundesgesetzes zur Bekämpfung der Geldwäscherei im Finanzsektor (GwG) kann keine ausservertragliche Haftpflicht (Art. 41 OR) begründen. Bei den Bestimmungen des GwG handelt es sich nicht um Verhaltensnormen, die unmittelbar dem Schutz vor entsprechenden Schädigungen dienen.
(4A_21/2008 vom 13. Juni 2008)
Ein gemäss GAV untertariflicher Ferienlohn kann nicht durch einen höheren Monats- oder Stundenlohn kompensiert werden.
(4A_300/2007 vom 6. Mai 2008)
Wer jeden Willen zur spätereneigenen Nutzung der untervermieteten Wohnung aufgegeben hat, handelt rechtsmissbräuchlich, wenn er die Gültigkeit der Kündigung durch den Vermieter unter Berufung auf das Recht zur Untermiete (Art. 262 OR)bestreitet.
(4A_181/2008 vom 24. Juni 2008)
Strafrecht
Die Verjährung einer strafbaren Handlung (Fahrlässigkeitsdelikte) beginnt mit dem Ende der Tathandlung zu laufen und nicht mit dem Eintritt des Erfolgs.Bestätigung und fundierte Überprüfung der an sich klaren Rechtsprechung (und des klaren Wortlaut des Gesetzes) im Hinblick auf die verjährungsbedingteEinstellung der Strafverfahren gegen die Gebrüder Schmidheiny wegen den Asbest-Todes-fällen von früheren Mitarbeitern der Eternit AG.
(6B_627/2007 vom 11. August 2008)
Die Verwendung eines Pseudonyms durch die Polizei zur Überführung eines Pädophilen ineinem Chat-Forum für Kinder ist eine verdeckte Ermittlung und muss als solche gemäss BVE vom Richter bewilligt werden. Ansonsten gilt ein Beweisverwertungsverbot. Die Bewilligung kann bereits vor Beginn des konkreten Chats eingeholt werden.
(6B_777/2007 vom 16. Juni 2008)
Wer bei einer Parkuhr kein Geld einwirft, darf neben «Nicht-in-Gang-setzen der Parkuhr» (Art. 48 Abs. 6 SSV) nicht automatisch auch wegen «Überschreiten der zulässigen Parkzeit» (Art. 48 Abs. 8 SSV) gebüsst werden. Die zweite Übertretung liegt erst vor, wenn die minimal mögliche Parkdauer überschritten wurde.
(6B_805/2007 vom 13. Juli 2008)
Wer nach Risikokontakten in der Vergangenheit die Möglichkeit einer HIV-Infektion ignoriert und einen Sexualpartner bei ungeschütztem Verkehr ansteckt, kann wegen fahrlässiger schwerer Körperverletzung bestraft werden. Massgebend für einen Risikokontakt sind die Safer-Sex-Regeln des BAG. Unerheblich ist, ob im Fall einer HIV-Infektion typische Vorzeichen wie etwa Fieberschübe ausgeblieben sind.
(6B_235/2007 vom 13. Juni 2008)
Das Kahlscheren des Kopfes der ungehorsamen 14-jährigen Toch-ter muss als Körperverletzung gelten und nicht nur als Tätlichkeit. Die psychische Integrität des Mädchens ist in bedeutender Weise verletzt worden.
(6B_733/2007 vom 19. Juni 2008)
Sozial-versicherungsrecht
Ein als «einfaches Gemüt» beschriebener Gipser durfte beim Eintritt in die Pensionskasse auf die Frage nach einer Krankheit verschweigen, dass er Alkoho-liker ist. Die Kasse war nichtberechtigt, ihm die IV-Rente teilweise zu verweigern, als erwegen einem Leberschaden arbeitsunfähig wurde. Die allgemein gehaltene Frage nach einer Krankheit hat der Betroffene so verstehen dürfen, dass nursolche Gesundheitsstörungen gemeint sind, die zu einer nicht ganz kurzfristigen Arbeitsunfähigkeit geführt haben, was hier nicht der Fall gewesen ist, da der Betroffene nie gefehlt hat.
(9C_99/2008 vom 3. Juli 2008)
Die schlechte Vorbereitung auf einen riskanten Tauchgang kann versicherungsrechtlich ein Wagnis begründen (Art. 39 UVG). Die Suva hat ihre Leistungen füreinen Taucher zu Recht um 50 Prozent gekürzt, der mit einem ihm bis dahin unbekannten Sportkollegen in einem Bergsee getaucht ist, ohne dass sich die beiden zuvor mit der Ausrüstung des anderen vertraut gemacht haben. Durch eine Fehlmanipulation des Partners am Gerät seines Begleiters musste dieser notfallmässig aufsteigen und erlitt ein Dekompressionstrauma.
(8C_144/2007 vom 11. Juni 2008)
Im Hinblick auf die Begünstigung einer Person für Hinterlassenenleistungen kann auch ein gleichgeschlechtliches Paar eine Lebensgemeinschaft (im Sinne von Art. 20a Abs. 1 lit. a BVG und Art. 15 Abs. 1 lit. b Ziff. 2 FZV) bilden. Eine ständige ungeteilte Wohngemeinschaft ist kein notwendiges Element für die Lebensgemeinschaft.
(9C 874/2007 vom 20.8.2008)
Bestätigung der vollständigen Streichung der Invalidenrente für einen Türken, der bei einer Schiesserei zwischen zwei Personengruppen am Kopf schwer verletzt worden ist. Er hatte als treibende Kraft an der gewaltsamen Auseinandersetzung teilgenommen. Definition des Verschuldens, das nach Art. 21Abs. 1 ATSG die (seltene) voll-ständige Leistungsverweigerung rechtfertigen kann.
(9C_852/2007 vom 2. Juli 2008)
(PJ)