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Plädoyer 5/09
07.10.2009
Von den kürzlich gefällten Urteilen hat das Bundesgericht unter anderem folgende Entscheide zur Veröffentlichung in der amtlichen Sammlung (BGE) vorgesehen:
Staats- und Verwaltungsrecht
Das Departement des Inneren des Kanton St. Gallen muss selbst über die Einbürgerung mehrerer Personen aus der Gemeinde Rheineck entscheiden, nachdem die Gemeindeversammlung ihre 2003 und 2004 eingereichtenEinbürgerungsgesuche zweimal oh...
Von den kürzlich gefällten Urteilen hat das Bundesgericht unter anderem folgende Entscheide zur Veröffentlichung in der amtlichen Sammlung (BGE) vorgesehen:
Staats- und Verwaltungsrecht
Das Departement des Inneren des Kanton St. Gallen muss selbst über die Einbürgerung mehrerer Personen aus der Gemeinde Rheineck entscheiden, nachdem die Gemeindeversammlung ihre 2003 und 2004 eingereichtenEinbürgerungsgesuche zweimal ohne verfassungskonforme Begründung abgewiesen hat. Das Departement hatte die Sache zweimal zur Neubeurteilung an die Gemeindeversammlung zurückgeschickt und dabei laut Bundesgericht verkannt, dass seine Entscheide die Gemeindeversammlung nur zum Widerstand provozieren.
(1D_8/2008 vom 7. Juli 2009)
Im neuen Reglement von Crans-Montana darf verlangt werden, dass bei Neubauten siebzig Prozent der Bruttowohnfläche dauernd bewohnt oder gewerblich genutzt werden müssen. Für die Massnahme «zum Kampf gegen kalte Betten» besteht mit dem Raumplanungsgesetz eine ausreichende gesetzliche Grundlage. Die verlangte Hauptwohnsitz-Quote von siebzig Prozent ist zwar relativ hoch, aber noch verhältnismässig.
(1C_469/2008 vom 26. Mai 2009)
Der Unternutzungsabzug (Art. 21 Abs. 2 DGB, Abzug vom Eigenmietwert) bei der direkten Bundessteuer darf nur in eigentlichen Härtefällen gemacht werden, wo etwa ein älterer Ehegatte nach dem Auszug der Kinder und dem Tod des Partners in einer übergrossen Liegenschaft verbleibt und tatsächlich dauernd nicht den gesamten Wohnraum in Anspruch nimmt.
(2C_87/2009 vom 7. Juli 2009)
Zivilrecht
Für die Bestimmung des Streitwerts im Verfahren um die Absetzung eines Willensvollstreckers darf nicht der Wert des Nachlasses als Grundlage genommen werden. Eine von der Zürcher Justiz auf dieser Basis erhobene Gerichtsgebühr von 450000 Franken ist unhaltbar hoch und damit willkürlich.
(5A_23/2009 vom 20. Mai 2009)
Die Verwirkungsfrist von Art. 75 ZGB (Anfechtung eines Vereinsbeschlusses innert 30 Tagen) ist nicht gewahrt, wenn zwar innert dieser Frist ein Gesuch um Ladung zum Aussöhnungsversuch gestellt, nach dessen Durchführung aber nicht innerhalb der Monatsfrist Klage erhoben wurde.
(5A_153/2009 vom 29. Mai 2009)
Strafrecht
Unter dem revidierten Admi-nistrativmassnahmenrecht des Strassenverkehrsgesetzes (SVG per 1.Januar 2005) ist eine Reduktion der gesetzlichen Mindestdauer für einen Ausweisentzug wegen überlangem Verfahren nicht mehr zulässig. Offen gelassen wird, ob bei einer schweren Verletzung des Anspruchs auf Beurteilung innert angemessener Frist ausnahmsweise auf eine Massnahme verzichtet werden darf.
(1C_130/2009 vom 1. September 2009)
Die von der Zürcher Oberstaatsanwaltschaft verhängte Busse gegen einen Anwalt, der die Einvernahme durch den Staatsanwalt eigenmächtig verlassen hat («Störung der vorgeschriebenen Verfahrensordnung»), gilt als disziplinar- nicht als strafrechtlich im Sinne von Art. 6 Abs. 1 EMRK, womit kein Zugang zu einem kantonalen Gericht offen stehen muss.
(6B_962/2008 vom 18. Juni 2009)
Der wegen ungetreuer Amtsführung verurteilte ehemalige Leiter der Immobilienabteilung der Suva gilt als Beamter, da die Suva als selbständige öffentlich-rechtliche Anstalt des Bundes öffentliche Aufgaben ausübt. Das Vertrauen der Allgemeinheit in die Objektivität der Tätigkeit der Suva rechtfertigt den strafrechtliche Schutz.
(6B_916/2008 vom 21. August 2009)
Eine unbedingte Verbindungs-Geldstrafe darf in der Regel nicht mehr als zwanzig Prozent derbedingt verhängten Freiheits-strafe betragen. Unzulässig ist deshalb die vom Bundesstraf-gericht zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 18 Monatenakzessorisch ausgesprochene unbedingte Geldstrafe von 180 Tagessätzen. Abweichungen vom Grundsatz sind im Bereich tiefer Strafen denkbar um sicherzustellen, dass der Verbindungsstrafe nicht bloss symbolische Bedeutung zukommt.
(6B_912/2008 vom 21. August 2009)
Der bei einer Geldstrafe festzulegende Tagessatz darf auch bei einkommensschwachen Tätern nicht weniger als zehn Franken betragen, da sonst der Strafe nur symbolische Bedeutung zukommt.
(6B_769/2008 vom 18. Juni 2009)
Sozialversicherungsrecht
Klärung verschiedener Fragen bezüglich Zulässigkeit einer Kürzung laufender Pensionskassenrenten zur Sanierung einer Unterdeckung der Vorsorgeeinrichtung (Art. 65d Abs. 3 BVG):
- Für eine Kürzung laufender Renten muss die Grundlage zur Erhebung der Rentnerbeiträge im Pensionskassenreglement nicht bereits vor 2004 bestanden haben, dem Zeitpunkt des Inkrafttretens der entsprechenden BVG-Revision.
- Rentenerhöhungen, die aus den bei einer früheren Teilliquidation zugewiesenen freien Mitteln finanziert wurden, sind einer Verrechnung mit dem Rentnerbeitrag zugänglich.
- Auch entsprechend entstandene Leistungsverbesserungen bei Neurentnern dürfen für einen Rentnerbeitrag herangezogen werden.
(9C_708/2008 vom 3. Juli 2009)
Die Kantone dürfen mit Blick auf Art. 61 lit. h ATSG vorsehen, dass ein sozialversicherungsrechtliches Urteil vom Gericht erst dann begründet werden muss, wenn die betroffene Person dies innert der zu gewährenden Frist von dreissig Tagen verlangt.
(8C_644/2008 vom 19. August 2009)
Die direkte postalische Zustellung von gerichtlichen Schriftstücken im Rahmen sozialversicherungsrechtlicher Verfahren an in Deutschland wohnhafte Adressaten bleibt auch unter dem Freizügigkeitsabkommen erlaubt.
(8C_511/2008 vom 6. Juli 2009)
Unfallversicherungen dürfen Versicherte durch einen Privatdetektiv überwachen lassen (beschränkt auf Tatsachen, die sich im öffentlichen Raum verwirklichen: EinPrivatermittler darf der beobachteten Person keine Fallen stellen). Art. 28 ATSG (Pflicht des Versicherten zur Auskunftserteilung) und Art. 43 ATSG (Abklärungen des Versicherers von Amtes wegen) stellen eine genügend bestimmte gesetzliche Grundlage dar.
(8C_807/2008 vom 15.Juli 2009)
Die Herabsetzung oder Aufhebung einer IV-Rente oder Hilflosenentschädigung muss auf den ersten Tag des zweiten Monats, welcher der Zustellung der Verfügung folgt, erfolgen und darf nicht im Sinne einer Anpassungszeit auf einen späteren Zeitpunkt hinausgeschoben werden.
(8C_763/2008 vom 19.6.2009)
PJ)