Peter Breitschmid, 65, Pro­fessor für Privatrecht an der Universität Zürich, lässt sich von Grossunternehmen nicht einschüchtern. In der Pultschublade des Professors stapeln sich seit drei Jahren unbeantwortete Briefe von UPC Cablecom. Die Betreibungsandrohungen sollen ihn zur Zahlung von 300 Franken bewegen. Laut UPC schuldet der Professor das Geld für die Umstellung vom analogen auf digitales Fern­sehen. 

Breitschmid ist anderer Ansicht. Das Unternehmen habe zwar das nötige Infomaterial für den Systemwechsel und den Router pünktlich geliefert. Es stellte dann aber nebst dem Zugang zum Fernsehen auch einen Internetanschluss in Rechnung. «Das ist eine Komponente, die in meinem bisherigen Vertrag nicht inbegriffen war», sagte Breitschmid der «Zürcher Studierendenzeitung». Somit sei die Forderung ungerechtfertigt. Weil auch der Kundendienst quasi ­inexistent war, kündigte der langjährige Kunde den Vertrag. 

Cablecom beauftragte die ­Inkassofirma Intrum mit der Eintreibung der 300 Franken. Breitschmid erlebt den Druck, den Inkassobüros auf potenzielle Schuldner ausüben, erstmals am eigenen Leib. Er kritisiert, dass «ein Laie aufgrund des verbalen Drucks wohl einknicken» würde. Beim Zivilrechtsprofessor wird sie damit keinen Erfolg ­haben.

Luzius Hafen, 55, Rechtsanwalt für Haftpflicht- und Sozialversicherungsrecht in Zürich, hat genug von der «Misere im Gutachterwesen». Die Qualität der medizinischen Gutachten sei katastrophal. «Die Experten­berichte sind von existenzieller Bedeutung für die Betroffenen, denn die Verwaltungsbehörden und Gerichte weichen nur selten von den Ergebnissen der Gutachten ab», sagt der Luzerner. Und fügt an: «Schon gar nicht, wenn diese eine volle Arbeitsfähigkeit attestieren.» Umso wichtiger wäre eine «griffige Qualitätskontrolle». Doch das dafür zuständige Bundesamt für Sozialversicherungen habe es versäumt, die vom Bundesgericht im Leiturteil für die Medizinischen Abklärungsstellen (Medas) von 2011 verlangte Qualitätssicherung umzusetzen.

Hafen fordert nun – zusammen mit der Rechtsberatungsstelle UP für Unfallopfer und Patienten – in einem offenen Brief von Anfang November von Bundesrat Alain Berset sofortige Massnahmen: die systematische Aufzeichnung der Explorationsgespräche bei medizinischen Gutachten oder die ­Zulassung einer Begleitperson, die Schaffung ­eines verwaltungsunabhängigen Aufsichtsgremiums, stich­probenweise Kontrollen der Gutachten und die konsequente Sanktionierung der Gutachtensstellen, die ungenügende Qualität liefern.

Jörg Jeger, 63, Versicherungsmediziner und Chefarzt der Medas Zentralschweiz, schreckt vor rechtlicher Fachliteratur nicht zurück. Ein Aufsatz von Bundesrichterin Alexia Heine und ­Gerichtsschreiberin Beatrice Polla im Jahrbuch zum Sozialversicherungsrecht animierte ihn gar dazu, selbst zur Feder zu greifen. Stein des Anstosses war das Fazit der beiden: Ein Erwerbsschaden sei nur renten­relevant, wenn er nicht vermeidbar sei. Das ergebe sich aus dem Grundsatz der Schadenminderungspflicht. Und wörtlich: «Der Mensch ist gesund, was bei ­gesamthafter Betrachtung nicht nur der Realität entspricht, ­sondern auch ­einem positiven Weltbild unserer Gesellschaft.» 

Jegers Antwort erschien im Jusletter vom 8. Oktober. Lakonisch hält er fest, als Staatsbürger erwarte er vom höchsten Gericht, dass es die empirische Basis der richterlichen Vermutungen offenlege. Die Zahlen, die Jeger selbst zusammen­trug, widersprechen nämlich der richterlichen Vermutung. Beispiele: 2016 war jeder zehnte Einwohner in einem Akutspital hospitalisiert. Laut Gesundheitsstatistik hatten 30 Prozent der Männer und 34 Prozent der Frauen ein dauerhaftes Gesundheitsproblem. Das Gesundheitswesen habe 2015 total 77 Milliarden Franken gekostet. So viel Aufwand für gesunde Menschen? Jeger: «Wohl kaum.»