Martin Graf, 59, Justizdirektor des Kantons Zürich, will wiedergewählt werden. An der Nominationsversammlung der Grünen Partei des Kantons Zürich brauchte er wohl deshalb markige Worte: «Euch ist es wichtig zu wissen, welche politische Grundhaltung mein Wirken prägt: natürlich eine grüne», ruft der Politiker den Anwesenden im Saal zu. Was er unter grüner Grundhaltung versteht, schob er gleich nach: «Als Verantwort­licher für einen Viertel der Schweizer Gefängnisplätze bedeutet dies beispielsweise, dass es darum geht, den Straftätern primär Anstand beizubringen. Sie sollen auch nachweisen, dass sie kein Risiko für die Gesellschaft darstellen.»

Gefängnisse als Knigge-Ersatz, Beweislastumkehr für Straftäter? Auf Anfrage von plädoyer sagt Graf: Mit «Anstand beibringen» habe er sagen wollen, dass die Straftäter lernen müssten, «sich im Alltag respektvoll zu verhalten». Das werde im Gefängnis mittels strikter Tagesstruktur und Vorgaben zum Umgang mit den Aufsehern gelehrt. Auf die Frage, wie ein Straftäter im Gefängnis nachweisen soll, dass er für die Gesellschaft kein Risiko mehr darstellt, sagt Graf ausweichend: «Der Gefängnisaufenthalt muss dazu dienen, Risiken zu senken. Mit entlassenen Straftätern möchten wir möglichst nichts mehr zu tun haben. Wenn sie ihr Leben ohne Straftaten meistern, haben wir gut gearbeitet.»