Eren Keskin setzt sich seit ­Jahrzehnten für Menschenrechte ­ein, speziell für die Rechte der Frauen. Sie engagiert sich seit 1986 für den türkischen Menschen-rechts­verein IHD, dessen Vizepräsidentin sie 2002 wurde. 1997 gründete sie ein Hilfsprojekt, das psychologische Betreuung und Rechtshilfe für traumatisierte Frauen anbietet. Im Jahr 2000 machte sie publik, dass Frauen in ­türkischen Gefängnissen ­sexuell misshandelt und vergewaltigt werden. Zu den Klientinnen und Klienten von Eren Keskin gehören auch Opfer von Folter und politisch Verfolgte.

Das Engagement der mehrfachen Friedenspreisträgerin ist mit Gefahren verbunden: Eren Keskin wurde mehrfach verhaftet und angeklagt. 1994 verbüsste sie eine sechsmonatige Haftstrafe, weil sie das Wort «Kurdistan» verwendet hatte. Zeitweise erhielt sie auch ein Berufsverbot. Anonyme Telefonanrufe und Drohungen gehören für die Anwältin zur Tagesordnung.

Im Januar dieses Jahres wurde Eren Keskin unter dem umstrittenen Artikel 301 wegen Beleidigung des türkischen Staates zu zehn Monaten Haft verurteilt. Das Urteil geht zurück auf jenen Satz, den Eren ­Keskin vor zehn Jahren, nach dem Mord an einem Jugendlichen durch einen Polizeibeamten, ­äusserte: «Der türkische Staat hat eine brutale Denkweise, die es erlaubt, einen 12-jährigen Jungen zu töten. Der Staat hat dies zu verantworten. Die Türkei hat eine schmutzige Geschichte.» 

Eren Keskin akzeptiert das Urteil nicht und ging in Berufung. Amnesty International wird die Entwicklung dieses Strafverfahrens genau ­beobachten. Die Menschenrechtsorganisation setzt sich gegenwärtig auch dafür ein, dass in der Türkei ein Paket von Gesetzesvorlagen, das negative Auswirkungen auf die Menschenrechte haben könnte, zurückgezogen wird. Es ist damit zu rechnen, dass es im Falle einer ­Verabschiedung dieser Gesetze vermehrt zu will­kürlichen Inhaftierungen und politisch motivierten strafrecht­lichen ­Verfolgungen wie jener gegen Eren Keskin kommen könnte.