1. Arbeitsrecht
1.1 Treuepflicht des Arbeitnehmers
Eine leitende Angestellte, die eine Weisung der Arbeitgeberin für unrechtmässig hält, darf nicht ohne Rücksprache mit der Arbeitgeberin ihren Untergebenen die eigene Rechtsauffassung kundtun und sie so indirekt zur Nichtbefolgung der Weisung anhalten. Ein solches Verhalten verstösst gegen die Treuepflicht und ist ein rechtmässiges Motiv für eine Kündigung.1 Bei der von der betreffenden Mitarbeiterin nicht akzeptierten Weisung ging es darum, dass Geldspenden in einen Personalfonds eines Heimes abzuliefern waren und nicht als Trinkgelder individuell vereinnahmt werden durften.
1.2 Schadenersatz des Arbeitgebers
Ein Arbeitnehmer hatte im Oktober 2004 und Januar 2007 alkoholisiert Unfälle verursacht. In der Folge behielt sich die Arbeitgeberin gegenüber diesem Arbeitnehmer mehrfach vor, Schadenersatzansprüche zu stellen. Am 8. August 2008 löste sie das Arbeitsverhältnis fristlos auf. Die letzte Lohnabrechnung datierte vom 14. August 2008. Diese enthielt weder eine bezifferte Schadenersatzforderung noch einen allgemeinen Vorbehalt. Erst im September 2008 behielt sich die Arbeitgeberin erneut vor, Schadenersatz einzufordern, sollte der Arbeitnehmer die fristlose Kündigung anfechten.
Mit Urteil vom 5. September 20112 wies das Bundesgericht die Schadenersatzforderung der Arbeitgeberin ab. Zwar seien die Lehrmeinung und die Praxis einiger kantonaler Gerichte zu streng, wonach der Arbeitgeber die Forderung bereits bei der nächsten Lohnzahlung durch Verrechnung geltend machen müsse, wenn er alle Voraussetzungen der Schadenersatzforderung kenne.
Die Erklärung, dass Schadenersatzansprüche aus einem bestimmten Ereignis vorbehalten bleiben, genüge, um zu verhindern, dass beim Arbeitnehmer die berechtigte Erwartung entstehe, der Arbeitgeber verzichte auf Schadenersatz. Es brauche für den Vorbehalt keine Bezifferung, Verrechnung oder gar Klage. Die Arbeitgeberin hätte indessen bis zu ihrer letzten Lohnabrechnung genügend Zeit gehabt, sich zu entscheiden, ob sie den Arbeitnehmer belangen wolle oder nicht und in welcher Höhe. Indem sie in der letzten Lohnabrechnung ihre Schadenersatzforderung nicht beziffert und auch nicht den allgemeinen Vorbehalt derselben erneuert habe, habe sie konkludent zu erkennen gegeben, nun doch auf eine Schadenersatzforderung zu verzichten.
1.3 Verstösse gegen das Konkurrenzverbot
In einem zur Publikation vorgesehenen Urteil vom 10. Januar 20123 erklärte das Bundesgericht ein Konkurrenzverbot eines «Training Coaches» für ungültig, dessen Arbeitgeberin Schulungen für Führungskräfte anbot. Die Eigenschaften und Qualitäten des Arbeitnehmers seien hier ganz überwiegend für die Kundenanbindung massgebend. Dadurch werde der Kausalzusammenhang zwischen der Kenntnis des Kundenstamms und der Möglichkeit einer Schädigung der Arbeitgeberin unterbrochen. Ein Konkurrenzverbot rechtfertige sich nur, wenn der Arbeitnehmer ohne Mühe die gleiche Dienstleistung anbieten und so dem ehemaligen Arbeitgeber die Kunden abspenstig machen könne. Eine gänzlich andere Situation sei gegeben, wenn eine persönliche, im Wesentlichen von den eigenen Fähigkeiten des Arbeitnehmers abhängige Beziehung zum Kunden bestehe.
Dem Arbeitnehmer wurde auch vorgeworfen, vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses seine Treuepflicht verletzt zu haben, indem er Kunden angeboten habe, weiterhin mit ihnen zusammenzuarbeiten. Das Bundesgericht fand, dass dem Arbeitgeber daraus selbst dann kein Schaden erwachse, wenn eine solche Handlung gegen die Treuepflicht verstosse (was die Vorinstanz verneint hatte), denn der Arbeitnehmer hätte seine Dienste auch erst nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses anbieten können, das Resultat wäre jedoch das Gleiche gewesen.
Ein Arbeitnehmer führte als handlungsbevollmächtigter Geschäftsführer eine Filiale. Während des Arbeitsverhältnisses erledigte er für verschiedene Drittunternehmen, die mit seiner Arbeitgeberin in direktem Wettbewerb standen, gegen Entgelt Aufträge. Das Bundesgericht schützte die Klage der Arbeitgeberin und sprach ihr einen Anspruch auf Abschöpfung des mit diesen Geschäften erzielten Gewinns zu.4 Dieser Anspruch beruhe auf Art. 464 Abs. 1 OR (Konkurrenzverbot des Prokuristen) und Art. 23 OR (Geschäftsführung ohne Auftrag). Nicht entschieden hat das Bundesgericht, ob ein derartiger Anspruch auf Gewinnherausgabe auch gegenüber einem Arbeitnehmer ohne Handlungsvollmacht oder Prokura bestehen würde.
1.4 Lohnrückstände und Lohn bei Arbeit auf Abruf
Gemäss einem Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich vom 4. September 20115 bedarf die Verweigerung der Arbeitsleistung durch den Arbeitnehmer wegen Lohnrückständen der Arbeitgeberin in analoger Anwendung von Art. 82 OR keiner vorgängigen Mahnung oder Fristansetzung an die Arbeitgeberin.
Vorschläge, wie die Entschädigung der Wartezeiten bei echter Arbeit auf Abruf zu bemessen ist, finden sich in einem Artikel von Fred Henneberger und Stefan Rieder, der in der AJP erschienen ist.6
1.5 MissbräuchlicheKündigung
Beruht eine Kündigung auf mehreren unterschiedlichen Gründen, von denen zwar einige missbräuchlich sind, andere hingegen nicht, so stützt das Gericht seinen Entscheid über die Missbräuchlichkeit der Kündigung auf jenen Kündigungsgrund ab, der für die kündigende Partei ausschlaggebend war. Der Arbeitgeber trägt die Beweislast dafür, dass die Kündigung auch ausgesprochen worden wäre, wenn der als missbräuchlich zu bewertende Grund nicht existiert hätte.7
Letztinstanzlich unterlegen ist ein von der Tamedia AG im Zuge eines Personalabbaus entlassenes Mitglied der Personalkommission (siehe Seite 23 f.). Das Arbeitsgericht Zürich hatte die Klage wegen missbräuchlicher Kündigung gutgeheissen, im Wesentlichen mit der Begründung, es stelle ein missbräuchliches Verhalten dar, ein Mitglied der Personalkommission während laufenden Sozialplanverhandlungen zu entlassen. Das Bundesgericht wollte davon nichts wissen, wie zuvor schon das Obergericht des Kantons Zürich.8 So bleibt es bei der Rechtsprechung, dass es genügt - nicht gerichtlich überprüfbare -, wirtschaftliche Gründe geltend zu machen, um gewählte Personalvertreter entlassen zu können. Ein Missbrauch liegt gemäss Bundesgericht nur dann vor, wenn dem Personalvertreter entweder der Nachweis gelingt, dass die wirtschaftlichen Gründe nur vorgeschoben sind, oder aber, wenn er beweisen kann, dass die Entlassung auf Grund seiner Tätigkeit als Personalvertreter erfolgte.
Angesichts dieser Rechtsprechung ist nicht zu erkennen, wo eigentlich das praktische Anwendungsfeld der Beweislastumkehr von Art. 336 Abs. 2 lit. b OR noch liegt. Das Bundesgericht ging auch nicht auf die Argumentation ein, ein wirksamer Schutz der Personalvertreter sei unvereinbar mit der Möglichkeit einer Entlassung während der Konsultation gemäss Art. 335 f OR oder während der anschliessenden Sozialplanverhandlungen.
Nach einem Entscheid der Steuerrekurskommission des Kantons Zürich vom 14. Juli 20119 stellt eine Entschädigung für missbräuchliche Kündigung kein steuerbares Einkommen dar. Eine solche Entschädigung habe Genugtuungscharakter und sei nach zürcherischem Steuerrecht - und im Übrigen auch gemäss dem Steuerharmonisierungsgesetz - nicht steuerbar.
1.6 Fristlose Kündigung: Gründe, Zeitpunkt
In BGE 137 III 30310 ging es um die fristlose Kündigung eines Fussballers. Dieser war nach einem Akt des Ungehorsams gegenüber dem Trainer auf dem Spielfeld vom Verein kaltgestellt worden. Als er keine Chancen mehr sah, jemals wieder für seinen Club zu spielen, kündigte er fristlos. Das Bundesgericht schützte diese fristlose Kündigung. Es dürfe nicht übersehen werden, dass der Arbeitnehmer ein legitimes Interesse haben könne, die vertraglich vorgesehene Leistung auch tatsächlich zu erbringen. Ein Arbeitnehmer, der nicht mehr arbeite, verliere an Wert auf dem Arbeitsmarkt, was sein berufliches Fortkommen gefährde. Der Arbeitsvertrag werde seines Sinnes entleert. Unter solchen Umständen könne nicht verlangt werden, dass der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis weiterführe. Das Bundesgericht sprach dem Fussballer Schadenersatz für entgangenen Lohn und eine Genugtuung zu. Letztere, weil der Trainer ihn in ehrverletzender Weise in den Medien angegriffen hatte.
In BGE 137 I 5811 befand das Bundesgericht in einem Fall eines öffentlich-rechtlichen Arbeitsverhältnisses, dass das kantonale Gericht sich zu Recht für befugt hielt, die Kündigung mit sofortiger Wirkung in eine Kündigung aus wichtigen Gründen mit einer Kündigungsfrist von drei Monaten umzuwandeln. Zwar sei die Ausübung eines Gestaltungsrechts grundsätzlich unwiderruflich und könne nicht an Bedingungen gebunden werden. Der Richter könne nicht einen Willen voraussetzen, der nicht geäussert worden sei. Das Gleiche gelte jedoch nicht im öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis. Hier erfolge die Kündigung mittels Verwaltungsverfügung, welche eine Anwendung des öffentlichen Rechts sei und weder auf einer Willenserklärung beruhe, noch die Ausübung eines Rechts darstelle.
In einem weiteren das öffentliche Personalrecht betreffenden Fall hielt das Bundesgericht eine fristlose Kündigung, die einen Monat nach dem inkriminierten Vorfall ausgesprochen wurde, noch für rechtzeitig ausgesprochen.12 Sowohl in privatrechtlichen wie auch in öffentlich-rechtlichen Arbeitsverhältnissen sei eine sorgfältige und allenfalls einer gerichtlichen Überprüfung standhaltende Abklärung der Verhältnisse geboten, bevor die Kündigung ausgesprochen werde. Zu vermeiden sei auch eine rufschädigende Vorverurteilung. Bei einem konkreten Verdacht seien unverzüglich alle zumutbaren Massnahmen zu ergreifen, um Klarheit zu schaffen. Gehe es bei der Abklärung darum, zuerst das Ausmass der Verfehlungen abschätzen zu können, so beginne die Überlegungsfrist erst nach der Abklärungsfrist. Auch die Art der Vorwürfe (wie zum Beispiel sexuelle Belästigungen) könne eine längere Abklärungsfrist rechtfertigen. Bei klaren Sachverhalten brauche es dagegen nicht noch eine zusätzliche Überlegungsfrist.
Das Bundesgericht gesteht dem öffentlich-rechtlichen Arbeitgeber eine längere Reaktionszeit zu als dem privaten. Einerseits seien die speziellen Verfahrensabläufe der Verwaltung zu berücksichtigen, andererseits könne sich die Verwaltung nicht auf die Kündigungsfreiheit berufen, sondern müsse gesetzmässig handeln. Überdies seien die Risiken einer fristlosen Kündigung bei öffentlichen Angestellten oft höher.
1.7 Aufhebungsvereinbarung und Krankheit
In einem Urteil vom 30. September 201013 erklärte das Bundesgericht eine Aufhebungsvereinbarung für ungültig. Diese war auf Vorschlag der Arbeitgeberin unterzeichnet worden, ohne dass dem Arbeitnehmer eine Bedenkzeit eingeräumt wurde. Die Unterzeichnung erfolgte zu einem Zeitpunkt, als der Arbeitnehmer wegen Umstrukturierungen im Unternehmen unter starkem Druck stand und sich in einem Zustand psychischer Entkräftigung befand. Nach der Unterzeichnung wurde der Arbeitnehmer krankheitsbedingt arbeitsunfähig. Gemäss Bundesgericht stellte die Aufhebungsvereinbarung einen unzulässigen Verzicht auf den Schutz von Art. 336 c OR dar. Daran änderte die Abgangsentschädigung von 90 000 Franken nichts, weil eine Summe in dieser Grössenordnung bereits im Arbeitsvertrag zugesichert worden war und damit keine arbeitgeberseitige Konzession darstellte.
1.8 Lohnausstände und Betriebsübergang
In BGE 129 III 335 hatte das Bundesgericht entschieden, dass bei einer Betriebsübernahme im Konkurs die übernehmende Gesellschaft nicht für die Lohnausstände der konkursiten Gesellschaft hafte. Es liess offen, ob die Anwendung von Art. 333 OR generell ausgeschlossen sei. In BGE 137 III 487, der die Swissair betraf, entschied das Bundesgericht, dass Art. 333 OR - mit Ausnahme der Erwerberhaftung - auch bei einer Betriebsübertragung in einem Nachlassverfahren anwendbar sei.
Das Arbeitsverhältnis geht deshalb ex lege auf die erwerbende Gesellschaft über. Der übertragende Betrieb haftet somit für alle Forderungen, die vor dem Übergang fällig geworden sind und die bis zu jenem Zeitpunkt fällig werden, auf den das Arbeitsverhältnis nach Vertrag oder Gesetz frühestens gekündigt werden kann. Noch nicht entschieden ist nach wie vor, ob die Haftung des Betriebserwerbers im Nachlassverfahren ebenso entfällt wie im Konkurs.
1.9 Örtliche Zuständigkeit bei mehreren Forderungen
In BGE 137 III 31114 ging es um eine Klage, die ein Arbeitnehmer an seinem eigenen Wohnsitz gegen seinen Arbeitgeber eingereicht hatte. Er hatte verschiedene aus dem Arbeitsvertrag abgeleitete Forderungen gestellt, unter anderem ging es um eine Entschädigung wegen missbräuchlicher Kündigung.
Darüber hinaus machte der Arbeitnehmer auch Ansprüche wegen Verletzung der Persönlichkeit gestützt auf Art. 28 ZGB und 41 OR geltend. Der Kläger berief sich vergeblich auf die Bestimmung des GestG (heute der ZPO), die es bei objektiver Klagenhäufung erlaubt, mehrere in einem sachlichen Zusammenhang stehende Ansprüche vor dem Gericht geltend zu machen, das für die Beurteilung des einen Anspruchs zuständig ist, auch wenn es für den andern Anspruch nicht zuständig wäre.
Das Bundesgericht befand, die kantonalen Instanzen seien zu Recht nicht auf die Klage eingetreten, weil die örtliche Zuständigkeit am Wohnsitz des Klägers nicht gegeben sei. Es sei das Bestreben des Gesetzgebers, dass Streitigkeiten aus einem Arbeitsvertrag in ihrer Gesamtheit am Gerichtsstand und gemäss den Regeln entschieden werden, die zu diesem Zweck aufgestellt wurden, und zwar selbst dann, wenn der strittige Anspruch auf einer doppelten - vertraglichen und deliktischen - Grundlage beruht, sofern nur die Streitigkeit im Arbeitsvertrag ihren Ursprung hat.
1.10 Kollektives Arbeitsrecht
In einem vom Obergericht des Kantons Zürich am 11. Mai 2011 entschiedenen Fall15 ging es um gewerkschaftliche Kampfmassnahmen während eines vertragslosen Zustands im Bauhauptgewerbe. Im Rahmen dieser Kampfmassnahme wurde das Ein- und Ausfahren aus einem Betonwerk eingeschränkt.
Gemäss aktueller Rechtsprechung zum Arbeitskampf handle es sich zwar nicht um einen Streik im engeren Sinn. Doch könnte eine legitime Massnahme des Arbeitskampfes auch dann vorliegen, wenn sie sich gegen einen Arbeitgeber richtet, ohne dass sich dessen Arbeitnehmer an der Aktion beteiligten, wenn nur der Arbeitgeber über seine Organisation gesamtarbeitsvertraglich mit dem Träger der Aktion - in der Regel handelt es sich dabei um Gewerkschaften - verbunden sei. Im beurteilten Fall richtete sich die Aktion jedoch gegen einen Aussenseiter, der nicht Mitglied des Baumeisterverbands war, weshalb das Obergericht die Aktion für widerrechtlich befand.
2. Mietrecht
2.1 Allgemeine Tendenz in der Rechtsprechung
Im Berichtsjahr interessierten insbesondere Urteile zu den mietrechtlichen Verfahren nach neuer ZPO. Dazu liegt bis heute ein einziger Bundesgerichtsentscheid vor, ergänzt durch kantonale Entscheide zur unentgeltlichen Rechtsverbeiständung im Schlichtungsverfahren und zur Frage, wie neu vorzugehen ist, wenn gleichzeitig ein Ausweisungsbegehren und ein Kündigungsschutzverfahren hängig sind. Aber auch abseits der ZPO hatte sich das Bundesgericht mit weiteren Verfahrensfragen zu befassen, so der genau verstandenen Streitwertberechnung im Kündigungsschutzverfahren und der Auswirkung einer fehlenden Formularanzeige für den Anfangsmietzins.
Ein interessanter Entscheid erging zur Klarheit der Zahlungsaufforderung im Vorfeld einer Zahlungsverzugskündigung. Weiter präzisierte das Bundesgericht auch die Zulässigkeit von alternativen Kündigungen und bestätigte die Voraussetzungen für die Anfechtbarkeit einer Kündigung. Mit deutlichen Worten trat das Gericht schliesslich den Kampf an gegen eine nach seiner Rechtsprechung missbräuchliche Untervermietung.
Im Bereich Mietzins fügte das Bundesgericht keine neuen Elemente zu der bereits seit Jahren feststehenden Rechtsprechung hinzu. Vielmehr bemühte es sich, diese Rechtsprechung zu erläutern und ihre Grundgedanken teilweise fast lehrbuchartig in Erinnerung zu rufen. Es begegnet damit einer Tendenz, diese Regeln zumindest in Gebieten mit Wohnungsnot nicht mehr recht ernst zu nehmen. Schliesslich sei noch auf die strengen Anforderungen bezüglich der Begründungspflicht bei der Einführung von neuen Nebenkosten hingewiesen. Diese Präzisierung war dem Bundesgericht immerhin einen Leitentscheid wert.
2.2 Verfahrensrecht
2.2.1 Ausweisung im Summarverfahren
Nach neuer Zivilprozessordnung steht in klaren Fällen das rasche summarische Verfahren zur Verfügung (Art. 257 ZPO). Inwiefern bei einem Ausweisungsbegehren ein klarer Fall vorliegt, wurde bisher kontrovers diskutiert. Erstmals musste sich nun das Bundesgericht dazu äussern.
Konkret ging es um einen Geschäftsmietvertrag, der auf drei Jahre befristet abgeschlossen wurde, jedoch mit einer echten Option für weitere drei Jahre verlängert werden konnte. Die Option musste mit schriftlicher Erklärung bis spätestens Ende April 2010 ausgeübt werden. Am 13. März 2010 sprach der Mieter im Büro der Vermieterin vor und übergab einem Angestellten einen Brief, mit dem er erklärte, dass er den Vertrag bis Ende April 2014 verlängern wolle. Allerdings fehlte auf dem Brief die Unterschrift. Am 6. Mai 2011 verlangte die Vermieterin die Ausweisung des Mieters im summarischen Verfahren. Nach ihrer Darstellung soll ihr Angestellter den Mieter an jenem 13. März 2010 an Ort und Stelle auf die fehlende Unterschrift aufmerksam gemacht haben. Der Mieter bestritt dies und machte seinerseits geltend, die Parteien hätten noch nach dem 13. März 2010 über die zusätzliche Miete von Räumen für Hochzeitsanlässe diskutiert.
Vor erster Instanz nahm die Vermieterin ihren Angestellten als Zeugen mit. Nach dessen Einvernahme hiess der Richter das Ausweisungsbegehren gut. Das Obergericht des Kantons Zürich hob diesen Entscheid aber auf und trat auf das Begehren nicht ein. Dem folgte auch das Bundesgericht.16 Mit Verweis auf die frühere Rechtsprechung und die Botschaft zur ZPO bestätigte es in abstrakter Form, dass ein klarer Fall nur vorliege, wenn sich die Rechtsfolge bei Anwendung der Gesetze unter Berücksichtigung von Lehre und Rechtsprechung ohne Weiteres ergibt und damit die Rechtsanwendung zu einem eindeutigen Ergebnis führt.
Erfordert die Rechtsanwendung hingegen einen Ermessens- oder Billigkeitsentscheid mit wertender Berücksichtigung der gesamten Umstände, liegt bereits keine klare Rechtslage im Sinne von Art. 257 ZPO mehr vor. Das trifft namentlich bei der Beurteilung von Treu und Glauben zu. Auf den konkreten Fall übertragen, führte das Bundesgericht aus, dass nicht nur die Geschehnisse bei der Übergabe der Optionserklärung, sondern auch das Verhalten der Vermieterin nach Entgegennahme dieses Briefes entscheidend sind für die Frage, ob eine Berufung auf die Formungültigkeit der Optionserklärung rechtsmissbräuchlich ist.
Nach Einschätzung des Bundesgerichts erforderte die Rechtsanwendung daher im konkreten Fall eine weitergehende Betrachtung der gesamten Umstände, ohne dass von einem eindeutigen Ergebnis gesprochen werden könne. Mit dieser Auslegung schränkte das Bundesgericht die Guillotinewirkung der neuen Verfahrensbestimmung etwas ein. Offen blieb dabei die Frage, ob eine spontan angeordnete Zeugenaussage im Summarverfahren zulässig ist.
2.2.2 Anfechtung der Kündigung und Ausweisung
Bisher regelte Art. 274 g OR die Zuständigkeit bei paralleler Anfechtung der Kündigung im mietrechtlichen Verfahren einerseits und dem Begehren um Ausweisung im summarischen Verfahren anderseits. Der Ausweisungsrichter durfte in den namentlich aufgezählten Fällen einer ausserordentlichen Kündigung vorfrageweise über die Wirkung der Kündigung entscheiden. Die Schlichtungsbehörde musste daher das bei ihr hängig gemachte Kündigungsschutzverfahren an den Ausweisungsrichter überweisen.
Mit der Schweizerischen ZPO wurde diese Bestimmung aufgehoben. Die ZPO kennt keine ausdrückliche Regelung, wie nun neu vorzugehen ist. Dazu stellte das Obergericht Zürich17 zunächst fest, dass dem Mieter die Einrede des bereits hängigen Verfahrens nicht zustehe, da die Sperrwirkung nur parallele Verfahren mit identischem Streitgegenstand betreffe. Die Wirksamkeit der Kündigung und die Ausweisung betreffen jedoch nicht den gleichen Streitgegenstand.
Im Ausweisungsverfahren ist die Wirksamkeit der Kündigung lediglich eine Vorfrage, die unabhängig davon, ob sie anderweitig rechtshängig ist, behandelt und entschieden werden kann. Eine Sistierung des Ausweisungsverfahrens ist nach Obergericht in der Regel nicht angezeigt, weil das Beschleunigungsgebot den Vorrang hat und davon nur in besonders gelagerten Fällen abgewichen werden kann. Im Ergebnis muss der Ausweisungsrichter nach neuer ZPO daher vorfrageweise über die Gültigkeit der Kündigung entscheiden. Aber schon bei geringfügigen Zweifeln ist es ihm aufgrund seiner eingeschränkten Kognition verwehrt, auf den Fall materiell einzutreten.
2.2.3 Rechtsbeistand im Schlichtungsverfahren
Mit dem Inkrafttreten der Schweizerischen ZPO muss die Schlichtungsbehörde im Kündigungsschutzverfahren keinen Entscheid mehr fällen. Damit stellte sich die Frage neu, ob bereits in einem Schlichtungsverfahren Anspruch auf einen unentgeltlichen Rechtsbeistand besteht.
Das Zürcher Obergericht18 stellte grundsätzlich klar, dass ein Rechtsbeistand im Schlichtungsverfahren nur unter ganz besonderen Umständen als notwendig erscheint. Die Interessen müssen in schwerwiegender Weise betroffen sein und der Fall in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht Schwierigkeiten bieten, die den Beizug eines Rechtsvertreters erforderlich machen. Doch gelten Prozesse um wichtige Aspekte des Lebens in aller Regel als relativ schwere Fälle, die die Bestellung eines unentgeltlichen Rechtsbeistandes erfordern. Dazu gehört auch der Verlust der Wohnung. Ob eine Kündigung des Mietvertrags wegen einer Gesamtsanierung rechtmässig ist, weist zudem nach Auffassung des Obergerichts eine gewisse Komplexität auf. Der Anspruch auf Bestellung eines unentgeltlichen Rechtsbeistandes auf Stufe Schlichtungsverfahren wurde daher bejaht.
2.2.4 Streitwert bei Anfechtung der Kündigung
Ist die Gültigkeit einer Kündigung strittig, entspricht der Streitwert dem Mietzinsbetrag für die gesetzliche Kündigungssperrfrist von drei Jahren. Wird der Streitwert für den Weiterzug ans Bundesgericht knapp, muss aber etwas genauer hingeschaut werden.
Das war der Fall bei einem auffällig tiefen Monatsmietzins von 400 Franken. Die zur Anrufung des Bundesgerichts erforderliche Streitwertgrenze von 5000 Franken wurde hier nur erreicht, weil zum Mietzinsbetrag für drei Jahre noch die Zinse jener Monate addiert wurden, die bis zum nächsten vertraglichen Kündigungstermin verstreichen, wobei für den Beginn der dreijährigen Frist auf das Datum des angefochtenen kantonalen Entscheids abzustellen ist.19
2.2.5 Fehlende Formularanzeige für Anfangsmietzins
Für die Mitteilung des Anfangsmietzinses kann der Kanton eine Formularanzeige als Gültigkeitsvoraussetzung vorschreiben. Von dieser Kompetenz machte der Kanton Waadt Gebrauch.
Ein Vermieter versäumte es, dieser Formularpflicht nachzukommen, kündigte dann aber nach etwas über zwei Jahren das Mietverhältnis wegen schleppender Mietzinszahlungen. Der Mieter konnte sich dieser Kündigung nicht unter Hinweis auf den Formfehler des Vermieters entziehen. Erstens beschlägt dieser Formfehler nicht den ganzen Mietvertrag, sondern nur die Höhe des Mietzinses. Zweitens aber wird dieser Mangel geheilt, wenn der Mieter den Anfangsmietzins nicht unmittelbar anficht, nachdem er nachweislich vom Formmangel Kenntnis erhalten hat. Das Formular will mit andern Worten den Mieter in erster Linie auf seine Rechte aufmerksam machen und auch darauf, dass zur Anfechtung des Anfangsmietzinses eine Frist läuft.
Bei einem fehlenden Formular kann der Fristenlauf nicht beginnen. Sobald der Mieter aber Kenntnis bekommt von seinen Rechten, soll er nicht anders gestellt werden als ein Mieter, der die ihm mit Formularanzeige mitgeteilte Anfechtungsfrist verstreichen lässt und damit an den unangefochten gebliebenen Anfangsmietzins gebunden ist.20
2.3 Kündigung, Erstreckung
2.3.1 Wohnungsnot, Mietzinsnot und Untermiete
Auch dem Bundesgericht ist es nicht entgangen: Der Wohnungsnot und der damit verbundenen Mietzinsnot begegnen Mieterinnen und Mieter vermehrt damit, dass sie die Wohnung beim Auszug nicht mehr zurückgeben, sondern untervermieten. Auf diese Weise kappen sie die oft happigen Mietzinserhöhungen bei Mieterwechsel. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts missbrauchen sie damit aber das Institut der Untermiete.
Wenn der Mieter nicht mehr die Absicht hat, das Mietobjekt in absehbarer Zeit wieder selbst zu nutzen, hat der Vermieter daher ein schützenswertes Interesse, das Mietverhältnis zu kündigen. Eine Berufung auf das Recht auf Untervermietung ist in einem solchen Fall rechtsmissbräuchlich. Dem Grundsatz nach hielt das Bundesgericht dies bereits in seinem Entscheid 134 III 446 E. 2.4 fest. Doch wird nun die Praxis verschärft.21 Es ist Sache des Mieters, die erforderliche Absicht zur Rückkehr ins Mietobjekt nachzuweisen. Die nur vage Möglichkeit, die Mietsache allenfalls wieder einmal selbst zu nutzen, reicht zur Rechtfertigung nicht mehr aus.
Zudem führt das Bundesgericht im gleichen Entscheid rein vorsorglich aus, dass allenfalls selbst die versäumte Einholung der Zustimmung eine ordentliche Kündigung rechtfertigen kann, auch wenn die Untervermietung sich als rechtmässig erweisen sollte. Vorausgesetzt wird allerdings, dass der Mieter das gesetzlich vorgeschriebene Gesuch an den Vermieter (Art. 262 Abs. 1 OR) wider besseres Wissen unterlässt und dieses Verhalten im konkreten Fall grundsätzlich geeignet ist, das Vertrauensverhältnis zwischen den Vertragsparteien derart zu erschüttern, dass eine Kündigung nicht treuwidrig erscheint. Leidtragender ist in all diesen Fällen nicht der säumige Mieter, der die Wohnung gar nicht mehr benötigt, sondern der Untermieter, der sich gegen die vom Bundesgericht geschützte Kündigung nicht wehren kann und gegenüber dem Hauptvermieter auch keinen Anspruch auf Erstreckung hat. Für ihn kann es daher zu einem gefährlichen Abenteuer werden, die Mietnachfolge in Form einer Untermiete einzugehen.
2.3.2 Kündigung bei Zahlungsverzug
Die vorzeitige Auflösung des Mietverhältnisses wegen Zahlungsverzugs ist wohl die häufigste ausserordentliche Kündigung. Bei Rückständen von Mietzinsen und Nebenkosten kann der Vermieter nach vorschriftsgemässer Abmahnung und Kündigungsandrohung das Mietverhältnis relativ rasch auflösen. Allerdings muss die Zahlungsaufforderung genügend klar und detailliert abgefasst sein. Der Mieter muss nachvollziehen können, für welche Rückstände die Zahlungsaufforderung erfolgt. Daher genügt es nicht, wenn einzig der Betrag von 7650 Franken abgemahnt wird, ohne dass gleichzeitig die Monate bezeichnet werden, auf die sich die rückständigen Mietzinse beziehen.22
Nicht immer ist jedoch vor einer Kündigung geschützt, wer die Rückstände noch innert der Frist der Zahlungsaufforderung begleicht. Auch eine bloss schleppende Mietzinszahlung kann Grund für eine in diesem Fall ordentliche Kündigung sein. Das erfuhr ein Mieter, der im ersten Halbjahr seit Mietantritt jeweils mit einigen Tagen Verspätung zahlte und danach immer grössere Mühe bekundete, den Mietzins pünktlich zu begleichen, wobei über rund vier Monate die Verspätungen jeweils zwanzig bis dreissig Tage betrugen. Die aus diesem Grund erfolgte ordentliche Kündigung des Vermieters wurde als schützenswert erachtet.23
2.3.3 Alternative Kündigungen
Die Kündigung kann als Gestaltungsrecht grundsätzlich nicht an Bedingungen geknüpft werden. Vielmehr muss dem Empfänger damit der klare Wille kommuniziert werden, den Mietvertrag auf ein bestimmtes Datum aufzulösen.24 Trotz dieser Bedingungsfeindlichkeit kann der Vermieter aber nach herrschender Lehre eine zweite Kündigung anzeigen für den Fall, dass sich die erste Kündigung als nichtig oder unwirksam erweist. Das bestätigte auch das Bundesgericht.
Einer ausserordentlichen Kündigung kann für den Fall ihrer Unwirksamkeit eine ordentliche nachgeschoben werden. Offen blieb, ob dies mit einer gesonderten Formularanzeige erfolgen muss. Jedenfalls muss für die Mietpartei erkennbar sein, dass es sich um eine zweite, selbständige Kündigung handelt.25
Davon strikt zu unterscheiden ist die Umwandlung einer ausserordentlichen Kündigung in eine ordentliche Kündigung. Das widerspricht der Natur eines Gestaltungsrechts und ist in keinem Fall zulässig.
2.4 Mietzins
2.4.1 Verhältnis von Kosten- und Marktprinzip
Anfänglich behandelte das Bundesgericht die Mietzinsfestsetzung nach Kostenprinzip (Rendite) und Marktprinzip (Ortsüblichkeit) als gleichrangige Gestaltungsgründe. Im Leitentscheid 124 III 310 stellte es jedoch eine klare Hierarchie auf und wich in den seitdem vergangenen rund 14 Jahren davon nicht mehr ab. Die Berechnung der Nettorendite stellt, wie sich auch aus dem Randtitel von Art. 269 OR ergibt, die Regel dar. Ein ortsüblicher Mietzins, der die zulässige Nettorendite übersteigt, ist mit andern Worten missbräuchlich. Von diesem Grundsatz gibt es nur zwei Abweichungen. Eine davon ergibt sich aus dem Gesetz selbst zugunsten des Mieters.
Wenn der Kaufpreis eines Mietobjektes offensichtlich übersetzt ist, kann vom Kostenprinzip abgewichen und an seiner Stelle auf Vergleichsmietzinse abgestellt werden (Art. 269 OR). Die andere Abweichung erfolgt aus praktischen Gründen. Bei älteren Liegenschaften stösst das Kostenprinzip an seine Grenzen. Unter Umständen ist die Rechnung nicht mehr möglich, weil die Unterlagen fehlen. Zudem kann eine Nettorenditerechnung über einen allzu langen Zeitraum zu einem Ergebnis führen, das wirtschaftlich nicht mehr aussagekräftig ist. Bei Liegenschaften, die bereits mehrere Jahrzehnte im Eigentum des Vermieters stehen, kann daher anstelle der Rendite die Ortsüblichkeit und damit das Marktprinzip als Behelfsgrösse treten.
Abgerundet wird der Ausnahmenkatalog bei einem Liegenschaftserwerb durch Schenkung oder gemischte Schenkung. Hier erinnert das Bundesgericht, dass in diesen Fällen der Vermieter und nicht der Mieter in den Genuss der Begünstigung kommen soll. Der Wert der Begünstigung darf daher zu den Anlagekosten hinzugerechnet werden. Wer allerdings eine Liegenschaft im freien Handel oder im Rahmen einer Versteigerung günstig erwirbt, kann das Schnäppchen nicht zu seiner Rendite schlagen, auch wenn der Kaufpreis deutlich unter dem Verkehrswert liegt. Das Kostenprinzip bewirkt, dass eine günstig erworbene Liegenschaft auch zu vergleichsweise günstigen Mietzinsen führt. All diese Grundsätze führt das Bundesgericht in einem neueren Entscheid nochmals ausführlich unter Hinweise auf Lehre und Rechtsprechung aus.26
2.4.2 Überwälzung einer umfassenden Sanierung
Klargestellt wurde vom Bundesgericht, dass Förderbeiträge für die energetische Sanierung einer Liegenschaft zweckgebunden zu verwenden sind und daher bei der Berechnung der Mietzinserhöhung vom wertvermehrenden Anteil der Investitionskosten in Abzug gebracht werden müssen.27 Damit wurde die Auffassung korrigiert, dass es dem Vermieter erlaubt sein soll, diesen Abzug von den Gesamtkosten vorzunehmen, sodass er auch für den werterhaltenden Anteil der Kosten davon profitieren kann.28
Im gleichen Entscheid hält das Bundesgericht fest, dass eine energetische Verbesserung nur als wertvermehrend gilt, wenn sie geeignet ist, die Nebenkosten zu senken. Andernfalls stellt sie keine wertvermehrende Investition dar und kann als Aufwand für den Unterhalt nicht auf den Mietzins überwälzt werden.
Ergänzend dazu hält das Zürcher Obergericht die weiteren Grundsätze für die Festsetzung des wertvermehrenden Anteils fest. Nicht die Erhöhung des Gebrauchswerts ist dabei entscheidend. Soweit Komfortsteigerungen allein auf den technischen Fortschritt zurückzuführen sind, ohne dass der Vermieter für diesen Ersatz teuerungsbereinigt mehr bezahlen muss, liegt keine Erhöhung der Anlagekosten und damit auch keine Wertvermehrung vor. Weiter führt das Obergericht aus, dass verhältnismässig hohe Sanierungskosten nicht unbedingt auf einen hohen wertvermehrenden Anteil hinweisen, denn die in der Wohnung unsichtbaren Veränderungen, die Wasser, Strom und Heizung betreffen, können sehr kostspielig sein. Doch kommt diesen Aufwendungen überwiegend Unterhaltscharakter zu.29
An diesem Entscheid erstaunt allerdings, dass der gleichzeitige Einbau eines Wintergartens von den Kosten der umfassenden Sanierung abgetrennt und als rein wertvermehrende Investition zu 100 Prozent auf den Mietzins überwälzt wurde. Dazu sei ein Fragezeichen erlaubt, wird doch die an sich schon vermieterfreundliche Vermutung eines wertvermehrenden Anteils von fünfzig bis siebzig Prozent der Kosten (Art. 14 Abs. 1 VMWG) gerade damit begründet, dass die Gesamtinvestition betrachtet wird, ohne im Einzelnen werterhaltende und wertvermehrende Positionen auseinanderzudividieren.
2.4.3 Indexanpassung nach Vertragsverlängerung
Im Vorjahr wurde über den Bundesgerichtsentscheid zum Vertrauensprinzip bei Anpassung einer Indexmiete berichtet.30 Mit jeder stillschweigenden Verlängerung des Indexvertrages um weitere fünf Jahre entsteht danach eine neue, verbindliche Kostenbasis des Mietzinses. Begründet wird das mit dem Vertrauensprinzip, das spielt, falls auf den Verlängerungszeitpunkt von keiner Partei eine Mietzinsanpassung verlangt wird. Ausgenommen davon ist nur die Weitergabe der Hypothekarzinsentwicklung, die gestützt auf die Sonderbestimmung von Art. 13 Abs. 4 VMWG bis zum Vertragsabschluss zurückverfolgt werden kann.
Ein Mieter mit einem Indexvertrag, der sich ebenfalls stillschweigend jeweils um weitere fünf Jahre erneuerte, beantragte eine analoge Anwendung dieser Rechtsprechung auf die Teuerungsüberwälzung. Er argumentierte, dass mit der stillschweigenden Verlängerung des Indexvertrages die bis dahin noch nicht überwälzte Teuerung verwirkt werde. Das Bundesgericht folgte dieser Überlegung allerdings nicht.31 Seiner Auffassung nach unterbricht eine stillschweigende Erneuerung die Indexierung nicht. Sie schafft auch keinen neuen Bezugspunkt für die Mietzinsüberwälzung. Vielmehr drückt die stillschweigende Erneuerung aus, dass dieses Mietzinsmodell fortgesetzt werden soll. Dem Vermieter ist es daher unbenommen, bei der Teuerungsüberwälzung von der letzten Mietzinsanpassung auszugehen, auch wenn damit an einen Teuerungsstand vor der stillschweigenden Vertragserneuerung angeknüpft wird.
2.5 Nebenkosten
2.5.1 Begründung bei neuen Nebenkosten
Die möglichst umfassende Ausscheidung von Nebenkosten und ihre gesonderte Abrechnung liegt im Trend. Damit stellt sich auch regelmässig die Frage, wie die Einführung neuer Nebenkosten begründet werden muss. Das Bundesgericht hat stets hohe Anforderungen an diese Begründungspflichten gestellt. Schliesslich können neu ausgeschiedene Nebenkosten unter Umständen zu einer happigen Verteuerung der Wohnkosten führen. Die formellen Voraussetzungen können daher im Vergleich zu anderen Mietzinserhöhungen nicht weniger streng sein. Diese Rechtsprechung wurde in einem neuen Entscheid bestätigt.32
Der Mieter muss aus der Begründung der Formularanzeige oder einem darin bezeichneten Begleitschreiben klar entnehmen können, ob die ausgegliederten Nebenkosten bisher im Nettomietzins enthalten waren und in welcher Höhe sie anfielen. Nur so kann er abschätzen, ob sich sein Mietzins insgesamt erhöht. Die Vermieterin glaubte, die geforderte Transparenz mit einer eigens anberaumten Informationsveranstaltung für die Mieterschaft hergestellt zu haben. Doch diese Informationsveranstaltung kann die vorgeschriebene qualifizierte Schriftform mit Formularanzeige nicht ersetzen. Die Begründung mit den Ausführungen zur Tragweite der Veränderung muss zwingend in der qualifizierten Schriftform erfolgen. Andernfalls ist die Anzeige nichtig.
2.5.2 Recht auf Kopien zur Nebenkostenabrechnung
Das Richteramt Solothurn-Lebern klärte in einem Entscheid vom 17. Dezember 201033 die Frage, ob der Mieter zur Kontrolle der Nebenkostenabrechnung bei der Verwaltung Kopien der Belege verlangen kann. Häufig erschweren die Vermieter den Nachvollzug der Nebenkostenabrechnung mit dem Hinweis, dass die Belege in ihrem Büro zur Einsicht aufliegen. Der Mieter hat aber nicht nur das Recht, die Belege einzusehen. Er kann auch Kopien auf seine Kosten verlangen.
Der zitierte Entscheid stellt klar, dass es keinen vernünftigen Grund gibt, keine Kopien herauszugeben. Verweigert der Vermieter dies trotzdem, wird die aus der Nebenkostenabrechnung resultierende Nachzahlung nicht fällig. Der Mieter muss daher keine vorzeitige Kündigung fürchten, denn mit noch nicht fälligen Zahlungen kann er nicht in Verzug geraten.
1 Urteil 4A_613/2010 vom 25.1.2010 = ARV 2011, 104.
2 Urteil 4A_351/2011 vom 5.9.2011.
3 Urteil 4A_489/2011 vom 10.1.2012.
4 BGE 137 III 607.
5 ZR 2011, Nr. 95.
6 Fred Henneberger / Stefan Rieder, «Bemessung der Entschädigung der Wartezeiten bei echter Arbeit auf Abruf», AJP 2011, S. 1057 ff.
7 Urteil 4A_430/2010 vom 15.11.2010 = ARV 2011, S. 31.
8 Urteil 4A_415/2011 vom 19.3.2012.
9 ZR 2011, Nr. 66.
10 Pra 2011, Nr. 127.
11 Pra 2011, Nr. 71.
12 Urteil 8C_294/2011 vom 29.12.2012.
13 Urteil 4A_376/2010 vom 30.9.2010 = ARV 2011, S. 28.
14 Pra 2011, S. 949.
15 ZR 2011, Nr. 55.16 Urteil 4A_601/2011 vom 21.12.2011, zur Veröffentlichung in AS vorgesehen.
17 OG Kanton Zürich vom 1.7.2011 = ZR 110 (2011), Nr. 54, S. 166, oder mp 4/11, S. 328.
18 OG Kanton Zürich vom 30.11.2011 = mp 1/12, S. 60.
19 BGE 137 III 389 = mp 4/2011, S. 315, und Praxis 2012, Nr. 6.
20 BGE 137 III 547 in mp 1/2012, S. 55.21 Urteil 4A_227/2011 vom 10.1.2012, zur Veröffentlichung in AS vorgesehen.
22 Urteil 4A_134/2011 vom 23.5.2011 in mp 4/11, S. 325.
23 BGE 137 III 547 in mp 1/2012, S. 55.
24 BGE 135 III 441 E. 3.3, S. 444, in mp 4/2009, S. 247.
25 BGE 137 III 389 = mp 4/2011, S. 315, und Pra 2012, Nr. 6.
26 Urteil 4A_276/2011 vom 11.10.2011 in mp 1/2012, S. 66.
27 Urteil 4A_484/2011 vom 2.11.2011 in mp 1/2012, S. 74.
28 Beat Rohrer, «Mietzinsgestaltung nach energetischen Verbesserungen», in: MRA 2/2011, S. 4.
29 OG Kanton Zürich vom 26. März 2009 in ZMP 2010, Nr. 7.
30 plädoyer 3/11, S. 62, Ziffer 2.7.1 zu Urteil 4A_489/2010 und 4A_531/2010 vom 6.1.2011.
31 137 III 580 = mp 1/2012, S. 63.
32 BGE 137 III 362 = mp 4/2011, S. 301.
33 Richteramt Solothurn-Lebern vom 17.12.2010 = mp 1/2012, S. 28.