1. Personenrecht
1.1 Wohnsitz am Ort einer Anstalt
Gemäss Art. 26 ZGB begründen der Aufenthalt an einem Ort zum Zweck des Besuches einer Lehranstalt und die Unterbringung einer Person in einer Erziehungs-, Versorgungs-, Heil- oder Strafanstalt keinen Wohnsitz. Im Zusammenhang mit einem negativen Kompetenzkonflikt zwischen zwei Vormundschaftsbehörden hatte das Bundesgericht die Gelegenheit, den Grundsatz festzuhalten, dass nur dann kein Wohnsitz begründet wird, wenn die betreffende Person in der Anstalt untergebracht worden ist. Im konkreten Fall war aber die Betroffene als urteilsfähige und mündige Person aus freien Stücken in dieses Heim gezogen. Für das Bundesgericht war dabei wichtig, dass sie sehr wohl zwischen verschiedenen Heimen aussuchen konnte und nicht aufgrund ihres Gesundheitszustandes gezwungen war, genau dieses Heim zu wählen.1
Wegen der Teilnahme an Aktivitäten sowohl des Heims wie auch der Gemeinde und entsprechenden Äusserungen der Betroffenen war für das Bundesgericht klar, dass sie an diesem Ort ihren Lebensmittelpunkt begründet hatte und einen dauernden Verbleib beabsichtigte. Damit waren die Voraussetzungen für eine Wohnsitznahme nach Art. 23 ZGB gegeben und die Sitzgemeinde des Heims musste die Beistandschaft übernehmen.2 Das Ergebnis wäre nach neuem Recht trotz Neufassung der Art. 23 ff. ZGB kein anderes.
1.2 Persönlichkeitsschutz
Wer durch eine Tatsachendarstellung in einem periodisch erscheinenden Medium in seiner Persönlichkeit unmittelbar betroffen ist, hat gemäss Art. 28g ZGB Anspruch auf eine Gegendarstellung. Gegendarstellungsbegehren werden in der Praxis allerdings häufig vom betroffenen Medium nicht einfach publiziert oder abgelehnt. Vielmehr erledigen viele Medien diese Begehren, indem sie sie auf andere Weise veröffentlichen, zum Beispiel als Leserbriefe oder indem sie selber eine Berichtigung vornehmen.3
Das Bundesgericht hatte nun Gelegenheit festzuhalten, dass ein Beharren auf einer Gegendarstellung rechtsmissbräuchlich sein kann, wenn der Betroffene bereits die Möglichkeit erhalten hat, seine Sicht der Dinge veröffentlichen zu lassen und diese Veröffentlichung den gesetzlichen Anforderungen an eine Gegendarstellung genügt. Entscheidend ist insbesondere, ob die Veröffentlichung in angemessener Frist erfolgt ist und in etwa den gleichen Kreis der Öffentlichkeit erreicht hat wie die inkriminierende Sachverhaltsdarstellung. Überdies darf dieser zweiten Veröffentlichung nicht ein die neue Darstellung entwertender Kommentar des Medienunternehmens gefolgt sein.4 Ob diese Voraussetzungen gegeben sind, muss im Einzelfall geprüft werden.5
2. Familienrecht
2.1 Güterrecht
Für die güterrechtliche Auseinandersetzung bei einer Scheidung sind zuerst die am Stichtag vorhandenen Vermögenswerte dem Mannes- und dem Frauengut zuzuweisen. Anschliessend ist zu bestimmen, ob sie innerhalb des Vermögens des jeweiligen Ehegatten zum Eigengut oder zur Errungenschaft gehören. Der für die Zuordnung massgebliche Stichtag ist der Zeitpunkt der Rechtshängigkeit der Scheidungsklage beziehungsweise des Scheidungsbegehrens,6 während für die Bewertung der Tag der güterrechtlichen Auseinandersetzung und damit der Rechtskraft des Scheidungsurteils massgebend ist.7 Bei landwirtschaftlichen Gewerben, die ein Ehegatte selber bewirtschaftet, ist der Ertragswert, bei anderen Vermögensarten der Verkehrswert massgeblich.8
In einer Scheidung war unbestritten, dass ein vom Ehemann als Eigentümer selber betriebener Weinbaubetrieb seinem Eigengut zuzuordnen und als landwirtschaftlicher Betrieb zu qualifizieren war. Das Bundesgericht hielt fest, dass die Bewertung des landwirtschaftlichen Betriebes zum Ertragswert9 durch die zuständige Behörde abschliessend und für den Zivilrichter verbindlich zu erfolgen hat.10 Nur soweit der Verkehrswert massgeblich ist, stellt das Zivilgericht den massgeblichen Wert fest.11
Das Bundesgericht hielt fest, dass die im Betrieb hergestellten Wein- und Schnapsvorräte grundsätzlich als Erträge des zum Eigengut gehörenden Weinbaubetriebes Errungenschaft seien, auch wenn sie noch nicht vermarktet werden konnten.12 Es genügt, dass sie als Vorräte vorhanden sind und zum Verkauf stehen. Gemäss den einschlägigen Bestimmungen des Bundesgesetzes über das bäuerliche Bodenrecht vom 4. Oktober 199113 gilt das Nutzwertprinzip nur für die Vorräte, die für die Bewirtschaftung des landwirtschaftlichen Gewerbes notwendig sind, nicht auch für die für den Verkauf bestimmten.14 Im konkreten Fall wurden nur jene Vorräte als betriebsnotwendig angesehen, «die dem offenen Ausschank an Degustationen, für die Präsentation an Weinmessen, als Werbegeschenke oder für Ähnliches bestimmt sind».15 Der zum Verkauf bestimmte Teil der Vorräte war somit zum Verkehrswert bei der güterrechtlichen Auseinandersetzung zu berücksichtigen und damit war das Zivilgericht insoweit nicht an die Bewertung des Schätzers gebunden.
Im selben Fall konnte das Bundesgericht festhalten, dass wohl die Bruttoerträge eines Eigengutsbetriebes Errungenschaft sind, dass aber entsprechend die Errungenschaft aus diesen Erträgen für den Unterhalt des Eigengutes aufzukommen hat.16 Ebenfalls keine Ersatzforderung der Errungenschaft konnte entstehen, soweit Investitionen der Errungenschaft zu keinerlei Erhöhung des Nutzwertes geführt hatten.17
Ehegatten erwerben heute die Wohnung der Familie häufig gemeinsam, sei es als Miteigentümer oder Gesamteigentümer. Können sich die Ehegatten in einer Scheidung auf nichts anderes einigen, ist das gemeinschaftliche Eigentum zuerst nach den Bestimmungen des Sachenrechts18 und nach Art. 205 ZGB aufzuheben. Anschliessend ist das sich aus der Auflösung des gemeinschaftlichen Eigentums Ergebende nach den güterrechtlichen Bestimmungen den güterrechtlichen Massen zuzuweisen. Schliesslich sind die gegenseitigen güterrechtlichen Ansprüche zu errechnen und zu begleichen.19 Insofern ist eine doppelte Liquidation vorzunehmen.
2.2 Ehegattenunterhalt
Leben die Ehegatten getrennt, so richten sich die Unterhaltsansprüche nach wie vor nach Art. 163 ZGB. Das Eheschutzgericht hat bei der Festsetzung dieses Unterhalts von der ausdrücklichen oder stillschweigenden zwischen den Ehegatten geschlossenen Vereinbarung auszugehen, wie sie die Aufgaben und die Geldmittel unter sich aufteilen wollen.
Zu den sich durch das Getrenntleben ergebenden Mehrkosten hat jeder Ehegatte nach seinen Fähigkeiten beizutragen. Ist allerdings mit der Wiederaufnahme des gemeinsamen Haushaltes nicht mehr ernstlich zu rechnen, hat das Eheschutzgericht im Rahmen von Art. 163 ZGB die für den Scheidungsunterhalt geltenden Grundsätze einzubeziehen und aufgrund der veränderten tatsächlichen Verhältnisse zu prüfen, ob dem Ehegatten, der bis anhin den gemeinsamen Haushalt geführt hat und nunmehr davon entlastet ist, die Aufnahme bzw. die Erweiterung einer eigenen Erwerbstätigkeit zuzumuten ist.20
Hat ein Ehegatte, der bis anhin den Haushalt führte und die Kinder betreute, eine neue Lebensgemeinschaft mit unveränderter Aufgabenteilung aufgenommen, ist für die Frage, was ihm für ein Einkommen anzurechnen ist, danach zu unterscheiden, ob der neue Partner der Unterhalt fordernden Partei tatsächlich finanzielle Leistungen erbringt oder nicht. Diese Leistungen sind während des Getrenntlebens vollständig anzurechnen, auch wenn sie ausschliesslich freiwillig erbracht werden und damit nicht abgesichert sind.21
Erfolgt keine Unterstützung durch den neuen Partner, wird in der Regel eine sogenannte einfache Wohn- und Lebensgemeinschaft vorliegen. Bei der Festsetzung des Unterhalts ist dem Umstand Rechnung zu tragen, dass die Unkostengemeinschaft zu tieferen Kosten führt.22 Lässt sich schliesslich ein gefestigtes Konkubinat nachweisen, entfällt der Unterhaltsanspruch für dessen Dauer.23
Ein Ehepaar hatte Gütertrennung vereinbart. Die offenbar von Haus aus begüterte Ehefrau erwarb ein Einfamilienhaus für 900 000 Franken, das als Familienwohnung diente. Der Ehemann, der über kein nennenswertes Vermögen verfügte, hatte eigene Arbeit im von ihm behaupteten Wert von 34 640 Franken für Renovationsarbeiten investiert und gleichzeitig auch die Kosten im Gesamtbetrag von ungefähr 165 660 Franken getragen. Die kantonalen Gerichte sprachen ihm in Anwendung von Art. 165 Abs. 2 ZGB einen Betrag von 40 000 Franken zu.
Das Bundesgericht schützte diesen Entscheid und hielt fest, dass von vornherein nur die Leistungen aus Vermögen und Einkommen unter diese Bestimmung fallen, während Arbeitsleistungen zugunsten von Vermögensgegenständen des anderen Ehegatten nicht berücksichtigt werden können. Der zweite Absatz von Art. 165 ZGB führt Arbeitsleistungen nicht auf und im ersten Absatz geht es um die Mitarbeit im Beruf oder Gewerbe des andern Ehegatten.24 Aber auch die Geldleistungen sind nicht einfach zurückzuerstatten. Vielmehr gewährt Art. 165 Abs. 2 ZGB nur einen Anspruch auf eine angemessene Entschädigung. Neben der Höhe der erbrachten Leistungen sind die finanzielle Situation der Familie und jene des pflichtigen Ehegatten zu berücksichtigen.25 Das kantonale Urteil hatte diese Kriterien ausreichend berücksichtigt, indem es dem Mann ungefähr jenen Betrag zugesprochen hatte, den die Frau neben ihrem Ererbten als bewegliches Vermögen aufwies.26
Grundsätzlich ist der Unterhalt aus dem laufenden Einkommen zu bezahlen. Dazu gehört selbstverständlich auch der Vermögensertrag. Demgegenüber ist es in der Regel nicht zumutbar, dafür auch die Vermögenssubstanz anzugreifen.27 Allerdings sind Ausnahmen möglich.
Nach der Scheidung hatte sich der unterhaltspflichtige Ehemann wieder verheiratet und war zweimal Vater geworden. Gleichzeitig hatte sich sein Einkommen wegen einer Umstrukturierung im Unternehmen erheblich vermindert. Er wollte deshalb die Rente an seine geschiedene Frau herabsetzen lassen. Das Bundesgericht kürzte seine Verpflichtung in teilweiser Gutheissung einer Beschwerde des Ehemannes. Es erachtete es aber als zumutbar, dass der Ehemann mit der Aufnahme einer Hypothek auf einem von ihm nach der Scheidung geerbten Grundstück einen Teil der Unterhaltsbeiträge bzw. seinen eigenen Lebensunterhalt während einer beschränkten Zeit finanziere, nachdem sonst das Existenzminimum nicht hätte gedeckt werden können.28 Es erstaunt, dass nicht zuerst ein hypothetischer Vermögensertrag aufgerechnet worden war, obgleich der Mann die Liegenschaft seiner Tochter zu einem Vorzugspreis vermietet hatte.
2.3 Vorsorgeausgleich
Das Zusammenwirken des Vorsorgeausgleichs und des Güterrechts kann immer wieder Schwierigkeiten bereiten, namentlich wenn ein Ehegatte für den Erwerb selbstgenutzten Wohneigentums Vorsorgeguthaben vorbezogen hat. Ein solcher Vorbezug stellt keinen Vorsorgefall im Sinne von Art. 124 ZGB dar. Entsprechend ist noch immer die Teilung nach Art. 122 f. ZGB vorzunehmen, jedenfalls wenn noch kein Tatbestand eingetreten ist, der die Rückzahlungspflicht entfallen lässt.29 Die vorbezogenen Beträge sind in die Teilung nach Art. 122 ZGB einzubeziehen.30 Das hat selbstverständlich immer güterrechtliche Auswirkungen, weil der in der Liegenschaft angelegte Betrag dort als Schuld zu berücksichtigen ist, die güterrechtlich zugeteilt werden muss.
Im vom Bundesgericht zu beurteilenden Fall hatte der Ehemann einen Vorbezug für den Erwerb einer Liegenschaft getätigt, die dann in einer Trennungsvereinbarung der Ehefrau zu Alleineigentum übertragen worden war. Die Parteien hatten nachweislich über die Frage diskutiert, wie der Vorbezug bei diesem Vorgang behandelt werden sollte. Sie konnten sich aber nicht einigen, sodass weder in der Vereinbarung noch im nachfolgenden Scheidungsurteil darüber etwas festgehalten wurde. Das Scheidungsgericht hatte nur die hälftige Teilung der Vorsorge festgehalten und die Sache dem Sozialversicherungsgericht zur Berechnung der Beträge überwiesen. Dieses hatte sodann den vorbezogenen Betrag in die Rechnung einbezogen, was das Bundesgericht schützte.31 Daran konnte auch der Umstand nichts ändern, dass der Vorbezug im Grundbuch entgegen der gesetzlichen Vorschriften nicht angemerkt worden war.
Entscheidend ist, ob eine potenzielle Rückzahlungspflicht nach BVG noch besteht; es kommt nicht auf deren Anmerkung im Grundbuch an.32 Weiter kommt es darauf an, ob grundsätzlich eine Verpflichtung zur Eintragung besteht oder nicht. Das Bundesgericht hielt nun fest, dass das Sozialversicherungsgericht an die Feststellungen im Scheidungsurteil beziehungsweise das entsprechende Dispositiv gebunden ist. Wird dort nur eine hälftige Teilung ohne Einschränkung vorgesehen, ist ein Vorbezug zu berücksichtigen, unabhängig davon wie die entsprechenden Vermögenswerte güterrechtlich behandelt worden sind.33
2.4 Kindesentführung
Leben die Eltern getrennt, nehmen aber beide Betreuungsaufgaben für ein gemeinsames Kind wahr, erweisen sich Wohnsitzverlegungen eines Elternteils ins Ausland oftmals als problematisch. Dies hat auch der Gesetzgeber erkannt, und zurzeit ist im Parlament eine Vorlage hängig, welche dieses Problem regeln soll.34 Der entsprechende sogenannte «Umzugsartikel» ist aber umstritten und in der vom Bundesrat vorgeschlagenen Form kaum praxistauglich.35
Das Bundesgericht hat zur ganzen Problematik das Seine beigetragen, indem es die Rechte des obhutsberechtigten Elternteils sehr weit ausgelegt hat. Diese Praxis hat es auch neulich bestätigt und festgehalten, dass der Alleininhaber des Obhutsrechts den Aufenthaltsort des Kindes frei bestimmen kann und damit auch berechtigt ist, das Kind ohne die Zustimmung des andern Elternteils ins Ausland zu bringen. Vorbehalten bleibe nur der Rechtsmissbrauch, wenn der Aufenthaltswechsel ohne einen plausiblen Grund oder ausschliesslich zum Zweck erfolge, die Beziehung des andern Elternteils zum Kind zu erschweren.36
Im konkreten Fall hiess das Bundesgericht dennoch die Beschwerde des Vaters gut, der vorsorgliche Massnahmen (Verbot an die Mutter, das Kind in die USA mitzunehmen, und Verpflichtung, die Pässe des Kindes dem Vater auszuhändigen) vom Gericht wollte, um zu verhindern, dass die Mutter mit dem Kind in die USA zu ihrem neuen Partner ziehe. Bei der Kinderzuteilung an die Mutter im Scheidungsurteil war ausdrücklich festgehalten worden, dass die Kinderzuteilung neu zu überprüfen sei, falls die Mutter ins Ausland ziehen wolle. Die vorsorglichen Massnahmen sollten verhindern, dass sie mit dem Umzug die Rechtslage präjudiziere.37
Im Zusammenhang mit internationalen Verhältnissen muss allerdings bezüglich des Aufenthaltsbestimmungsrechts unter Umständen auf das ausländische Recht zurückgegriffen werden. Nachdem spanische Eltern in Spanien ihre nichteheliche Lebensgemeinschaft aufgelöst hatten, schlossen sie eine (gerichtlich genehmigte) Vereinbarung, wonach ihnen die elterliche Sorge gemeinsam und die Obhut der Mutter alleine zusteht und der Vater ein sehr ausgedehntes und im Einzelnen geregeltes Besuchsrecht erhält.
Nach einiger Zeit zog die Mutter mit dem Kind ohne Zustimmung des Vaters in die Schweiz. Dieser verlangte sodann von den spanischen Gerichten eine Umteilung der elterlichen Sorge und leitete gleichzeitig in der Schweiz ein Verfahren auf Rückführung des Kindes nach dem Haager Übereinkommen über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführungen38 ein. Die kantonalen Gerichte verpflichteten die Mutter, das Kind nach Spanien zurückzubringen. Dagegen gelangte die Mutter ans Bundesgericht, allerdings ohne Erfolg. Gemäss dem massgeblichen spanischen Recht kann die Mutter auch als alleinige Inhaberin der Obhut den gewöhnlichen Aufenthaltsort des Kindes nur mit der Zustimmung des Vaters verlegen, sodass das Verbringen und Zurückbehalten des Kindes in der Schweiz widerrechtlich im Sinne von Art. 3 HKÜ ist.39
Der Mutter nützte in diesem Verfahren vor Bundesgericht auch der Einwand nichts, die kantonalen Gerichte hätten das ungefähr sechsjährige Kind unter Verletzung von Art. 9 Abs. 2 und 3 BG-KKE40 nicht angehört und dieses sei auch nicht vertreten gewesen. Das Bundesgericht hielt ihr entgegen, sie hätte die Anhörung im kantonalen Verfahren verlangen beziehungsweise mindestens dessen Unterbleiben als Fehler rügen müssen. Das gelte für den Vorwurf der fehlenden Vertretung des Kindes in noch grösserem Ausmass, weil das Kind immerhin einen Beistand für das Besuchsrecht gehabt habe, der sich auch im Rückführungsverfahren im Namen des Kindes habe äussern können.41
Dieser Entscheid zeigt das Dilemma, in dem sich das Bundesgericht befindet: Das Übereinkommen kann seinen Zweck, mit einer effizienten Rückführung Kindesentführungen zu verhindern, nur erreichen, wenn die entsprechenden Verfahren rasch zu einem Abschluss gebracht werden können. Eine Rückweisung wegen blossen Verfahrensfehlern widerspricht diesem Ziel. Entsprechend ergibt es auch Sinn, Wege zu finden, das Unterlassen einer Kindesanhörung und der Ernennung eines Kindesvertreters auf irgendeine Weise zu rechtfertigen. Andererseits hat das aber wiederum zur Folge, dass sich diese Institute in der Schweiz nur sehr schleppend etablieren können. Welche hohe Bedeutung das Bundesgericht dem Beschleunigungsgebot in solchen Verfahren beimisst, zeigt auch ein weiterer Entscheid, in dem das Bundesgericht festgehalten hat, dass die in Art. 8 BG-KKE angesprochene Mediation im Lichte des Beschleunigungsgebotes und der in Art. 11 Abs. 2 HKÜ gesetzten Richtfrist von sechs Wochen für das erstinstanzliche Verfahren zu organisieren ist. Das Gericht hat für die Mediation einige wenige Termine anzusetzen und das Verfahren gleichzeitig voranzutreiben.42
2.5 Kindesunterhalt
Verändern sich die Verhältnisse erheblich, so kann das Gericht den Kindesunterhalt abändern. 43 Die Veränderung muss eine gewisse Dauerhaftigkeit aufweisen und darf nicht schon bei der ursprünglichen Festsetzung des Unterhalts berücksichtigt worden sein. Sie muss zudem einen Sachverhalt betreffen, der bei der Festsetzung des Unterhalts überhaupt von Bedeutung war. Entsprechend muss neu abgewogen werden, ob aufgrund der veränderten Situation die Unterhaltsleistung als nicht mehr angemessen erscheint. 44 Im konkreten Fall war unbestrittenermassen zu beachten, dass der Unterhaltsschuldner Vater zweier weiterer Kinder geworden war und damit seine Kosten gestiegen waren. Demgegenüber war die Auswirkung auf sein hypothetisches Einkommen erheblich schwieriger zu beurteilen.
Ein probates Mittel für die Durchsetzung des Kindesunterhalts ist die Schuldneranweisung nach Art. 291 ZGB. In Deutschland hatte eine Mutter für ihre Kinder gegen den Vater einen Unterhaltsentscheid erwirkt. Nachdem dieses Urteil in der Schweiz vollstreckbar erklärt worden war und eine Betreibung einen Verlustschein ergeben hatte, wollte sie beim Gericht am schweizerischen Wohnsitz des Vaters eine Schuldneranweisung nach Art. 291 ZGB erwirken. Das Gericht erklärte sich indessen als nicht zuständig.45
In Gutheissung der dagegen erhobenen Beschwerde hielt das Bundesgericht fest, dass die schweizerischen Gerichte für das Verfahren um Schuldneranweisung, das ein in Deutschland wohnender Unterhaltsgläubiger gegen den in der Schweiz wohnhaften Schuldner aufgrund eines deutschen Unterhaltsurteils erhoben hat, international zuständig sind.46 Die Schuldneranweisung falle als Unterhaltssache nicht unter das Übereinkommen vom 5. Oktober 1961 über die Zuständigkeit der Behörden und das anzuwendende Recht auf dem Gebiet des Schutzes von Minderjährigen.47 Bezüglich der Verfahren auf Festsetzung von Unterhaltsbeiträgen konnte sich das Bundesgericht auf seine bisherige Rechtsprechung stützen,48 welche auch von der Lehre gestützt wird.49
Demgegenüber war die Frage für die Schuldneranweisung umstritten.50 Sodann bejahte das Bundesgericht, dass die Schuldneranweisung unter das LugÜ falle. Anwendbar war im konkreten Fall noch das alte Übereinkommen. Das Bundesgericht hielt aber ausdrücklich fest, dass sich die Rechtslage mit dem revidierten Lugano-Übereinkommen nicht geändert habe. Demgegenüber richtet sich die innerstaatliche Zuständigkeit ausschliesslich nach dem schweizerischen Recht.51
Wird der Unterhalt nicht vom Schuldner bezahlt, muss unter Umständen das Gemeinwesen dafür aufkommen. Art. 289 Abs. 2 ZGB sieht nun vor, dass in diesem Fall die Unterhaltsansprüche mit allen Rechten und Pflichten aufs Gemeinwesen übergehen, das die Forderung beim eigentlichen Schuldner als Zivilforderung eintreiben kann. Das Bundesgericht hat nun entschieden, dass mit der Legalzession auch das Anschlussprivileg nach Art. 111 SchKG auf das Gemeinwesen übergeht. Demgegenüber ist das Privileg, beim Schuldner auch Vermögenswerte pfänden zu können, die unter dem Existenzminimum liegen, mit der Person des Gläubigers verbunden und kann deshalb nicht vom Gemeinwesen beansprucht werden.52
2.6 Vormundschaftsrecht
Im bisherigen Vormundschaftsrecht konnten die Kantone eine untere und eine obere Aufsichtsbehörde vorsehen, die auch als zweite Beschwerdeinstanz gegen Entscheide der Vormundschaftsbehörde angerufen werden konnte, mit denen diese einen Wechsel des Beistandes verweigerte. Das Bundesgericht hielt fest, dass auch hier die im ZGB vorgesehene zehntägige Beschwerdefrist53 gilt und sich diese nicht nach der neuen ZPO richtet.54
Auch das neue Recht regelt nur die Frist für die gerichtliche Beschwerde, nicht aber jene für den Weiterzug an ein oberes kantonales Gericht, sodass sich die gleiche Frage auch hier stellt. Soweit die ZPO zur Anwendung gelangt, ist die Frage insofern gegenstandslos, als auch diese eine Berufungsfrist von 30 Tagen kennt.55 Demgegenüber kann im kantonalen Verfahrensrecht sehr wohl eine andere Frist vorgesehen sein. Zu beachten ist zudem, dass die Frist bei Beschwerden gegen eine fürsorgerische Unterbringung gemäss neuem Erwachsenenschutzrecht nur zehn Tage beträgt.56
Meines Erachtens rechtfertigt es sich auch für das Rechtsmittel gegenüber Entscheiden des Gerichts, die Fristen nach ZGB anzuwenden und nicht die im kantonalen Recht oder in der ZPO vorgesehenen. Nur so ist eine einheitliche Regelung in der ganzen Schweiz möglich. Zudem besteht das Beschleunigungsgebot bei Entscheiden, die eine fürsorgerische Unterbringung betreffen, auch für die obere kantonale Gerichtsinstanz. Schliesslich wird ohnehin auf die Regelung im ZGB abgestellt werden müssen für weitere Aspekte zur Frist − wie beispielsweise die Frage, wann die Frist für das Rechtsmittel nahestehender Personen zu laufen beginnt, denen der Entscheid gar nicht eröffnet worden ist.
3. Erbrecht
3.1 Erbteilung
Bezeichnet in einem Testament ein Erblasser nur einen Teil seiner gesetzlichen Erben als Erben unter Auslassung bestimmter anderer gesetzlicher Erben, sind diese von der Erbschaft ausgeschlossen, auch wenn sie pflichtteilsgeschützt sind. Insofern wirkt sich das Testament unmittelbar auf die Erbenstellung aus. Diese können die testamentarisch Ausgeschlossenen nur erlangen, wenn sie rechtzeitig mit einer Herabsetzungsklage das Testament anfechten. Weil es um den vollständigen Ausschluss vom Erbrecht geht, beginnt die relative Frist nach Art. 533 ZGB für die Herabsetzungsklage mit Kenntnisnahme der entsprechenden Testamentsbestimmung zu laufen, ohne dass eine genauere Kenntnis der vorhandenen Nachlasswerte notwendig ist. Wegen des vollständigen Ausschlusses von der Erbenstellung besteht auch gar kein Auskunftsanspruch, solange nicht rechtzeitig eine Herabsetzungsklage eingereicht worden ist.57
3.2 Erbvertrag und Gläubigerschutz
Schlägt ein überschuldeter Erbe eine Erbschaft mit dem Zweck aus, dass sie seinen Gläubigern entzogen bleibt, können diese die Ausschlagung innert sechs Monaten anfechten, wenn ihre Forderungen nicht sichergestellt werden.58
Das gleiche Recht steht den Gläubigern nicht zu, wenn ihr Schuldner die Erbschaft nicht erwirbt, weil er auf sie in einem Erbvertrag verzichtet hat. Dem Gläubiger kann dabei auch Art. 524 ZGB nicht weiterhelfen. Die Gläubiger können den Pflichtteilsanspruch anstelle ihres Schuldners nur geltend machen, soweit dieser überhaupt noch einen hat. Der mit einem Erbvertrag verbundene Verzicht auf den entsprechenden Anspruch ist jedoch – Rechtsmissbrauch vorbehalten – sehr wohl auch von den Gläubigern des Erben zu respektieren.59 Entsprechend mussten sich die Gläubiger damit abfinden, dass ihr Schuldner in einem Erbvertrag mit seiner Mutter zugunsten seiner eigenen Kinder auf das mütterliche Erbe verzichtet hatte.
3.3 Entschädigung des Willensvollstreckers
In einem vom Willensvollstrecker aufgesetzten und von den Erben unterzeichneten Schreiben hatten die Parteien ein Willensvollstreckerhonorar von 350 beziehungsweise 300 Franken pro Stunde verbunden mit einer Pauschale von fünf Prozent der Nachlassaktiven vorgesehen. Nachdem der Willensvollstrecker sich ein Honorar von knapp 90 000 Franken ausgerichtet hatte, verlangten die Erben auf dem Prozessweg eine Herabsetzung um 50 000 Franken mit dem Argument, das Honorar sei nicht angemessen im Sinne von Art. 517 Abs. 3 ZGB.
Das Bundesgericht hielt fest, dass zwar die Zivilgerichte grundsätzlich die Angemessenheit eines Willensvollstreckerhonorars aufgrund der genannten Bestimmung nachprüfen und gegebenenfalls herabsetzen können. Bezüglich des Honorars bestehe aber Vertragsfreiheit. Haben sich die Parteien auf eine bestimmte Berechnungsart geeinigt, ist diese – vorbehältlich Willensmängel beim Vertragsschluss – für die Parteien verbindlich. Entsprechend war der Klage der Erben kein Erfolg beschieden.60
3.4 Erbrecht und Internationales Privatrecht
Gemäss dem Niederlassungs- und Konsularvertrag mit Italien61 richtet sich der Nachlass eines in der Schweiz lebenden italienischen Bürgers nach dem italienischen Recht. Der Staatsvertrag schliesst aber, wie das Bundesgericht in nunmehr konstanter Rechtsprechung ausdrücklich festhält, grundsätzlich eine professio iuris zugunsten des Wohnsitzrechts nicht aus.62
1 BGE 137 III 600 ff. E. 4.
2 BGE 137 III 602 ff. E. 5 ff.
3 BGE 137 III 436 mit Hinweis auf Denis Masmejan, Le droit de réponse vingt ans après: une fausse bonne idée, Medialex 2005, S. 28 f., Ziff. II/4.
4 BGE 120 II 275.
5 BGE 137 III 438.
6 Art. 207 Abs. 1 i.V.m. Art. 204 Abs. 2 ZGB.
7 Art. 214 Abs. 1 ZGB.
8 Art. Art. 211 ff. ZGB.
9 Art. 87 ff. BGBB.
10 BGE 138 III 196 mit Hinweis auf BGE 129 III 191; Heinz Hausheer / Ruth Reusser / Thomas Geiser, Berner Kommentar II/1/3/1: Art. 181-195a ZGB, Art. 196-220 ZGB, Bern 1992, N 46 und 81 zu Art. 212/213 ZGB.
11 BGE 138 III 197 E. 3.2.3.
12 BGE 138 III 197 f. E. 4.1.
13 BGBB, SR 211.412.11.
14 Art. 15 Abs. 1 i.V.m. Art. 17 Abs. 2 BGBB; Benno Studer, in: Das bäuerliche Bodenrecht, Kommentar, Brugg 2011, N 2 zu Art. 15 BGBB; Yves Donzallaz, Commentaire de la loi fédérale du 4 octobre 1991 sur le nouveau droit foncier rural, Sion 1993, N 219 zu Art. 17 BGBB.
15 BGE 138 III 198 E. 4.2.
16 BGE 138 III 202; Hausheer / Reusser / Geiser, N 46 und 81 zu Art. 212/213 ZGB; Paul-Henry Steinauer, in: Pichonnaz / Foëx, N 16 zu Art. 197 ZGB.
17 BGE 138 III 201 ff.
18 Art. 650 und 654 ZGB.
19 BGE 138 III 153 ff.
20 BGE 138 III 99; BGE 137 III 386 ff.
21 BGE 138 III 97 f. E. 2.3.1.; Annette Spycher / Heinz Hausheer, Handbuch des Unterhaltsrechts, Bern 2010, Rz. 10.26; Pascal Pichonnaz, in: Pascal Pichonnaz / Bénédict Foëx (Ed.), Commentaire Romand,
Code Civil, Bd. I, 2010; N 14 zu Art. 163; zum alten Scheidungsrecht vgl. BGE 118 II 225.
22 BGE 138 III 100 E. 2.3.2.
23 BGE 138 III 100 E. 2.3.3.
24 BGE 138 III 349 f.
25 Henri Deschenaux / Paul-Henry Steinauer / Margaretha Baddeley, Les effets du mariage, Berne 2009, Rz. 495 und 488; Hausheer / Reusser / Geiser, N 23 ff. und N 36 zu Art. 165 ZGB; Verena Bräm / Franz Hasenböhler, Kommentar zum Schweizerischen Zivilgesetzbuch, Das Familienrecht. Abt. 1, Das Eherecht (Art. 90-251 ZGB), Zürich 1998, N 51 ff. zu Art. 165 ZGB.
26 BGE 138 III 352 f.
27 BGE 138 III 292 E. 11.1.2.; BGE 137 III 102.
28 BGE 138 III 289 ff.
29 Thomas Geiser / Christoph Senti, in: Jacques-André Schneider / Thomas Geiser / Thomas Gächter (Hrsg.), Stämpfli Handkommentar BVG und FZG, Bern 2010, N 10 zu Art. 22 FZG.
30 Art. 30c Abs. 6 BVG und Art. 331e Abs. 6 OR; BGE 137 V 442; BGE 137 III 53; BGE 132 V 337; BGE 128 V 235; Andrea Bäder Federspiel, Wohneigentumsförderung und Scheidung, Diss. Freiburg 2008, Rz. 547 und 610 f.
31 BGE 137 V 440 ff.
32 BGE 137 V 442 ff. E. 3.3. ff.; Hans-Ulrich Stauffer, in: Schneider / Geiser / Gächter, N 6 zu Art. 30e BVG; Geiser / Senti, N 23 zu Art. 22 FZG.
33 BGE 137 V 444 f. E. 3.5.
34 BBl 2011 9077 ff.
35 Ruth Reusser / Thomas Geiser, Sorge um die gemeinsame elterliche Sorge, ZBJV 2012, S. 758 ff.
36 BGer Urteil 5A_369/2012 vom 10.8.2012, E. 3.1.
37 BGer Urteil 5A_369/2012 vom 10.8.2012.
38 HKÜ, SR 0.211.230.02.
39 BGer Urteil 5A_369/2012 vom 10.8.2012, E. 3.
40 Bundesgesetz über internationale Kindesentführung und die Haager Übereinkommen zum Schutz von Kindern und Erwachsenen (BG-KKE) vom
21. Dezember 2007, SR 211.222.32.
41 BGer Urteil 5A_369/2012 vom 10.8.2012, E. 4.
42 BGE 137 III 529.
43 Art. 286 Abs. 2 ZGB.
44 BGE 137 III 604.
45 BGE 138 III 12.
46 BGE 138 III 24 f. E. 7.3.
47 MSA, SR 0.211.231.01.
48 BGE 126 III 302; BGE 124 III 179.
49 Statt vieler: Ivo Schwander, in: Heinrich Honsell / Nedim Peter Vogt / Anton K. Schnyder / Stephen V. Berti (Hrsg.), Basler Kommentar Internationales Privatrecht, Basel 2007, N 25 zu Art. 85 IPRG.
50 Für die Anwendbarkeit des LuGÜ: Andreas Bucher, L'enfant en droit international privé, Basel/Genf 2003, S. 117; für die Anwendbarkeit des MSA: Schwander, N 24 zu Art. 85 IPRG.
51 BGE 138 III 20 ff.
52 BGE 138 III 145 ff.
53 Art. 420 Abs. 2 ZGB in der Fassung von 1907.
54 BGE 137 III 531 ff.
55 Art. 311 Abs. 1 ZPO.
56 Art. 439 Abs. 2 und Art. 450b Abs. 2 ZGB.
57 BGE 138 III 357 E. 5.
58 Art. 578 ZGB.
59 BGE 138 III 497.
60 BGE 138 III 449 ff.
61 Niederlassungs- und Konsularvertrag vom 22. Juli 1868 zwischen der Schweiz und Italien [SR 0.142.114.541].
62 BGE 138 III 356 E. 3; BGE 136 III 461.
