Das Thema der Richterwahlen nach Parteizugehörigkeit ist ein Dauerbrenner in der rechtswissenschaftlichen und politischen Diskussion. Die Bundesversammlung, welche die Richter auf Bundesebene wählt, achtet traditionell darauf, dass die Zusammensetzung jedes Gerichts und jeder Kammer in etwa den parteipolitischen Kräfteverhältnissen im Parlament entspricht.
Wird ein Richterposten frei, weist man bereits in der Ausschreibung darauf hin, welche Parteien gerade untervertreten sind. Mitglieder anderer Parteien oder Parteilose haben keine Chancen, zum Zug zu kommen. Das gleiche System wird in den Kantonen praktiziert. Kommt hinzu: Diese Stellenvergabe dient auch der Äufnung der Parteikasse: Denn die Gewählten müssen einige Prozente ihres Gehalts an die Parteikassen weiterleiten.
Korruptionsprävention: «Parteisteuer» abschaffen
Der Europarat hat dieses Wahlverfahren kürzlich deutlich in Frage gestellt. In ihrem im März publizierten Evaluationsbericht zur Schweiz gibt die Staatengruppe gegen Korruption (Greco) zum Thema «Korruptionsprävention in Bezug auf Abgeordnete, Richter und Staatsanwälte» diverse Empfehlungen an die Schweizer Behörden, unter anderem:
Bei Wahlen sei die Qualität und Objektivität der Rekrutierung der Richter an den eidgenössischen Gerichten stärker zu gewichten.
Die Praxis, wonach die Richter einen Anteil ihres Gehalts den politischen Parteien abliefern, solle aufgegeben werden.
Es seien Standesregeln für die Richter zu entwickeln und mit erläuternden Kommentaren und/oder konkreten Beispielen zu ergänzen, die insbesondere Interessenkonflikte und andere Fragen der Integrität (Geschenke, Einladungen, Beziehungen zu Dritten usw.) abdecken.
Es soll ein Disziplinarsystem eingeführt werden, mit dem allfällige Verstösse von Richtern gegen ihre beruflichen Pflichten mit anderen Sanktionen als der Amtsenthebung geahndet werden können. Es seien auch Massnahmen zu treffen, damit verlässliche und detaillierte Informationen und Daten über Disziplinarverfahren gegen Richter aufbewahrt werden, was auch die Veröffentlichung dieser Rechtsprechung unter Wahrung der Anonymität der Betroffenen mit einschliessen könne.
Das Wiederwahlverfahren für Richter soll überprüft werden. Es sei sicherzustellen, dass es zu keinen Abwahlen von amtierenden Richtern aus politischen Gründen komme. Greco empfiehlt, das Parlament solle die Richter nicht mehr alle sechs Jahre wiederwählen, sondern stattdessen nur einmal – entweder für eine längere Amtszeit oder bis Erreichen des Pensionsalters. Im Gegenzug soll die Möglichkeit geschaffen werden, Richter bei fehlbarem Verhalten abzusetzen.
Die Staatengruppe fordert die Schweizer Behörden auf, bis zum 30. Juni 2018 einen Bericht über die getroffenen Massnahmen zur Umsetzung dieser Empfehlungen vorzulegen.
plädoyer wollte vom Bundesamt für Justiz wissen, wie es die Empfehlungen umsetzen will. Zum Verbot von Parteisteuern sagt Sprecher Ernst Gnägi: «Wir müssen nun erst einmal prüfen, ob ein solches Verbot opportun und machbar wäre.» Und zur Überprüfung des Wiederwahlverfahrens: «Hier müssen künftige Gesamterneuerungswahlen abgewartet werden. Falls es – wie in der Vergangenheit – zu keinen Abwahlen kommt, würde dies bestätigen, dass man das System zwar kritisieren mag, aber dass es in der Praxis funktioniert.»